Cohousing: Ein Trend fürs Land?

Große Häuser gemeinsam nutzen

Familien mit Kindern zieht es wieder zunehmend aufs Land. Aber auch für Ältere kann ländliches Leben eine sinnvolle Alternative sein, wie dieses Cohousing-Projekt auf einem Hof in Minden zeigt.

Mindestens ein großer Tisch ist Pflicht. Eine Tafel, an der alle zusammenkommen können. Auf dem Förthof in Minden-Stemmer gibt es gleich zwei davon, draußen auf der Terrasse und drinnen auf der ehemaligen Tenne. Hier treffen sich die Mitglieder der Hofgemeinschaft zum gemeinsamen Essen, reden über alltägliche Pflichten und die nächsten Investitionen, hier feiern sie Geburtstage und bald Weihnachten.

Elf Erwachsene und ein Kleinkind leben inzwischen auf dem Förthof, dessen Geschichte sich bis ins Jahr 1570 zurückverfolgen lässt. Die heutigen Besitzer wohnen nicht nur Tür an Tür, sondern pflegen auch die Gemeinschaft. „Cohousing“ heißt der Fachbegriff dafür (siehe Kasten). Die möglichen Modelle sind vielfältig. Auf dem Förthof sieht es so aus: Die Bewohner fühlen sich gemeinsam verantwortlich, für den Hof und vor allem auch füreinander. Dennoch haben alle einen eigenen Haushalt.

Wochenpläne am Sonntagabend

„Am Sonntagabend treffen wir uns immer, um zu besprechen, was in der kommenden Woche ansteht und wer wann da ist“, erklärt Annette Weber-Vinkeloe. Die 65-Jährige hat einen Großteil ihres Lebens in Berlin verbracht. Sie hat dort als Grafikerin gearbeitet, Ehemann Christian als Fernsehjournalist. Vor zehn Jahren kamen sie erstmals nach Minden. Eine Immobilienanzeige führte sie her. Mit Schwester, Schwager und drei Freundinnen folgten sie der fixen Idee von einem gemeinsamen Ort zum Wohnen und Altwerden. Der Wunschort sollte irgendwo zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet liegen.

Die Suche führte sie zu dem leer stehenden Hof in Stemmer mit großem Hallenhaus, vorgesetztem Wohntrakt und zwei großen Wirtschaftsgebäuden. 9000 m3 umbauter, aber sanierungsbedürftiger Raum hatten bis dahin alle Käufer abgeschreckt. Die Gruppe war gleich angetan und entschied sich nach zwei „Probewochenenden“ in Ostwestfalen zum Kauf.

Gemeinsam und gleichberechtigt
Cohousing ist eine Abkürzung von „Collaborative Housing“, auf Deutsch: gemeinschaftliches Wohnen. Die Ausprägungen in der Praxis sind unterschiedlich, basieren aber auf folgenden Charakteristika:
- Neben privaten Wohnmodulen gibt es großzügige Gemeinschaftsflächen und Bereiche für das Gemeinschaftsleben.
- Wer in ein solches Projekt zieht, kann seine Nachbarn aussuchen. Sprich: Die Bewohnerinnen und Bewohner wählen selbst aus, wer dazukommen kann.
- Die Gemeinschaft entwickelt das Projekt gemeinsam und verwaltet es auch selbst.
- Entscheidungen werden gleichberechtigt getroffen, ohne dauerhafte Führungsrollen.

Goldenen Moment genutzt

„Im Rückblick haben wir mit dieser Entscheidung einen goldenen Moment erwischt“, erklärt Annette Weber-Vinkeloe lachend. „Viel später hätten wir nicht anfangen...


Mehr zu dem Thema