Chips sind das Paradebeispiel dafür, wie sich die Psyche auf die Ernährung auswirken kann. Allein beim Anblick läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Chips sind knusprig, salzig, etwas süß und haben einen leichten Fleischgeschmack, der als umami bezeichnet wird. „Damit vereinen Chips all das, was wir mögen“, erklärt Florian Rösler, Ernährungsexperte an der Landwirtschaftskammer NRW. Kein anderes Lebensmittel bedient all diese sensorischen Reize. Kein Wunder also, dass eine Tüte Chips selten halb geleert weggelegt wird.
Verbindung zwischen Darm und Gehirn
Schon der Anblick und der Geruch eines solchen Lebensmittels reichen also aus, um sich ungünstig zu ernähren und zuvor gefasste gute Vorsätze über Bord zu werfen. Umgekehrt beeinflusst aber auch die Ernährungsweise die Psyche und das Wohlbefinden. Denn es gibt eine Verbindung zwischen dem Darm und dem Gehirn, die sogenannte Darm-Hirn-Achse, erläutert Florian Rösler während eines Vortrags im Rahmen der Reihe Weiterbildung im Netzwerk (WiN) der Landwirtschaftskammer NRW. Über Nervenbahnen und Hormone sowie über Stoffwechselprodukte der Darmbakterien werden Informationen, etwa zu Hungergefühl, Appetit, Sättigung und Völlegefühl, zwischen Darm und Gehirn ausgetauscht.
Ein kurzer Ausflug in die Biochemie macht deutlich, wie bestimmte Lebensmittel das Wohlbefinden beeinflussen können:
- Die Aminosäure Tryptophan, reichlich enthalten zum Beispiel in Sojabohnen, Linsen, Cashew- und Sonnenblumenkernen, wandelt der Körper zu Serotonin um. Serotonin wird auch als Glückshormon bezeichnet. Dieses wiederum wird zu Melatonin, das für einen guten Schlaf sorgt.
- Ein weiteres Beispiel ist die Aminosäure Tyrosin, die vor allem in Schweine- und Hähnchenfleisch, Lachs und Milch zu finden ist. Sie wird im Körper zu Dopamin, einem Neurotransmitter, der die Motivation steigert. Dopamin schließlich wird zu Adrenalin umgewandelt, das leistungssteigernd wirkt.
Vielfalt ist entscheidend
Daraus ließe sich der Schluss ziehen: Ich esse mehr Nüsse und Linsen und bin glücklicher. Doch so einfach ist es nicht. „Der Körper ist komplexer“, sagt Florian Rösler. So beeinflussen beispielsweise Vitamin D wie auch kurzkettige Fettsäuren die Serotonin-Synthese. Ist etwa der Vitamin-D-Spiegel im Blut hoch, wird mehr Serotonin gebildet. Das zeigt: „Es gibt nicht das eine Lebensmittel, das glücklich macht. Die Vielfalt ist entscheidend“, erklärt der Experte. Neben der Lebensmittelauswahl spielen auch andere Faktoren eine Rolle. So fördert der Aufenthalt im Freien die Produktion von Vitamin D, Körperkontakt steigert die Produktion des Kuschelhormons Oxytocin.
Essen bei Stress
Stress hat einen besonderen Einfluss auf das Ernährungsverhalten und kann zu einem Teufelskreis führen. Wer zum Beispiel nach einem anstrengenden Tag nach Hause kommt, greift gerne schon vor der eigentlichen Mahlzeit zu etwas Ungesundem, quasi um den Stress zu kompensieren. Anschließend meldet sich das schlechte Gewissen, was wiederum zu noch mehr Stress führt. Das zeigt, warum es problematisch ist, Essen als Belohnung einzusetzen und Lebensmittel mit bestimmten Emotionen zu verbinden. Daraus können ungünstige Ernährungsgewohnheiten entstehen, die zu Folgeerkrankungen, wie Übergewicht, Diabetes oder Bluthochdruck, führen können.
Während früher beispielsweise Hunger, Kälte oder Gefahren Stress ausgelöst haben, stehen heute andere Stressfaktoren im Vordergrund. Dazu zählt zum Beispiel „Fear of Missing Out“, also das Gefühl, etwas zu verpassen. Auch die Informationsflut kann ein Stressfaktor sein, ebenso wie selbst gesteckte Lebensziele oder Sorgen. Und auch die Essgewohnheiten können, wie beschrieben, zu Stress führen.
So wirkt Stress
Stress wirkt sich im Körper auf vielfältige Weise aus. Er fördert
- die Cortisol-Ausschüttung. Dadurch sinkt der Spiegel des Sättigungshormons Leptin. Gleichzeitig steigt der Ghrelin-Spiegel, wobei Ghrelin als Hungerhormon gilt.
- stille Entzündungen, auch als silent inflammation bezeichnet. Dadurch steigt der Energieverbrauch, Gewebe und Organe werden geschwächt.
- die Entstehung von sogenannten „Leaky gut“. Das bedeutet, der Darm wird durchlässiger, zum Beispiel für Bakterien und Giftstoffe.
- die Amylaseproduktion im Mund, was zu Heißhunger führen kann.
- die maximale Auslastung des Stoffwechsels. Das bedeutet, dass Lebensmittel stärker als sonst verwertet werden.
Um den Teufelskreis aus Stress und ungesunder Ernährung zu durchbrechen, helfen Meditation, Bewegung und Stressabbau. Florian Rösler empfiehlt eine pflanzenbasierte Vollwertkost, die reich an Ballaststoffen ist. Präbiotika und fermentierte Lebensmittel, wie Joghurt und Sauerkraut, wirken sich günstig auf die Darmflora aus. Süßigkeiten sollten nach Möglichkeit gemieden werden. Kurz gesagt: „Essen Sie bunt!“
Tipps gegen Stressessen
Mit ein paar Tricks gelingt es, ungesundem Essen vorzubeugen:
- Mahlzeiten für den Tag im Voraus planen;
- Zwischenmahlzeiten einplanen gegen Leistungstiefs;
- Zeit für Pausen nehmen und sich beim Essen Zeit lassen;
- Mahlzeiten achtsam genießen;
- Lebensmittel, aber auch das eigene Verhalten bewusster wahrnehmen;
- Bei Heißhunger Gemüse knabbern oder zuckerfreie Kaugummis kauen;
- leckere Alternativen zu süßen, salzigen und fettigen Snacks vorhalten;
- ausreichend trinken, mindestens 1,5 l am Tag, um Konzentrationsmangel zu vermeiden;
- Süßigkeiten-freie Zeitzone einplanen, zum Beispiel nichts Süßes bis 14 Uhr.
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