Heinrich Köllerwith ist sehr kräftig und groß von Statur. Zusammen mit Ehefrau Petra und Sohn Jochen betreibt er einen Reiterhof mit Pferdepension, Ackerbau und Grünland in Fröndenberg-Ostbüren. Jahrelang packt Heinrich Köllerwith kräftig mit an. Doch dann lässt seine Leistungsfähigkeit schleichend nach. „Tagsüber war ich total müde und fühlte mich schnell erschöpft“, berichtet Heinrich Köllerwith. Beim Hochlaufen von leichten Anhöhen im Gelände geht ihm schnell die Puste aus und er muss pausieren. Die Beschwerden ignoriert der 68-Jährige zunächst.
{{::tip::standard::Gezielte Übungen für Bronchien und Lunge liefert das 112-seitige Taschenbuch „Asthma, COPD, Lungenemphysem“ von Prof. Dr. Rainer Dierkesmann und Sonja Kaiser, Trias-Verlag, ISBN 978-3-432-11457-6, 19,99 €.::}}
„Von Krankheiten will ich nicht viel wissen und auch nichts hören“, sagt Heinrich Köllerwith. Seine Atemprobleme beim Schlafen, wie starkes Schnarchen und Atemaussetzer, nimmt er jahrelang nicht ernst, auch nicht als Ehefrau Petra der Schlafgeräusche wegen in einem anderen Zimmer nächtigt. Ein Urlaub in 2019 mit Übernachtung im gemeinsamen Schlafzimmer versetzt Ehefrau Petra jedoch in große Sorge.
„Mein Mann hat mehrmals in der Nacht für lange Zeit nicht geatmet“ berichtet die 67-Jährige. In den folgenden Monaten spitzt sich sein schlechter Gesundheitszustand zu. „Ich brauchte immer längere Phasen der Erholung und bekam auch während normaler körperlicher Arbeit zunehmend Luftnot“, erzählt der Landwirtschaftsmeister.
Schlechter Gasaustausch ist Ursache für Luftbeschwerden
Ein Lungenfunktionstest und die Analyse seiner Blutgaswerte beim Pneumologen belegen schließlich seine Lungenproblematik. Die Blutgasanalyse liefert Hinweise darüber, ob der Gasaustausch, das heißt die Aufnahme von Sauerstoff (O2) und die Abgabe von Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Lunge, beeinträchtigt ist. Die Ergebnisse zeigen eine deutlich eingeschränkte Atemfähigkeit und auffallend krankhaft veränderte Blutgaswerte.
{{::tip::standard::Wissenswertes über Diagnose und Therapiemöglichkeiten von COPD bietet die neu überarbeitete Patientenleitlinie.::}}
Im Arztbericht ist von ‚respiratorischer Insuffizienz mit Hyperkapnie‘ die Rede. Will heißen: Sein Blut ist nicht nur unzureichend mit Sauerstoff versorgt, sondern enthält auch erhöhte Konzentrationen von Kohlendioxid (Hyperkapnie). Der Pneumologe überweist ihn zur weiteren Diagnostik und Therapie in die DGD Lungenklinik Hemer. Am Ende des einwöchigen Aufenthaltes erhält Heinrich Köllerwith im Januar 2021 vom behandelnden Pneumologen Dr. Michael Westhoff gleich mehrere Diagnosen, aber auch einen Therapieplan, der seine Beschwerden deutlich lindert. Doch der Reihe nach.
Verengte Atemwege aufgrund von COPD
Im Lungenfunktionstest wird festgestellt, dass Heinrich Köllerwith an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) im Stadium II bis III leidet. „Dabei handelt es sich um eine chronische, damit bleibende und im Verlauf üblicherweise fortschreitende Einengung der Atemwege“, sagt Chefarzt Dr. Michael Westhoff. Bundesweit sind etwa 6 von 100 Erwachsenen daran erkrankt.
Als mögliche Ursachen dafür nennt der Experte eine Entzündung der kleinen Atemwege, also der Bronchiolen und/oder zerstörtes Lungengewebe, das sogenannte Lungenemphysem. „Ausgelöst wird die COPD ursächlich durch langjähriges Einatmen von schädigenden Partikeln und Gasen, zumeist Zigarettenrauch“, erklärt der Mediziner. Auch Heinrich Köllerwith hatte bis vor wenigen Jahren noch Zigarillos geraucht. Darauf könne er heute aber gut verzichten – was wichtig für den Erfolg der Therapie ist.
Spray zum Inhalieren erweitert die Bronchien
Behandelt wird eine COPD in der Regel mit bronchialerweiternden Wirkstoffen, die in Form von Sprays zum Inhalieren verabreicht werden. Diese sogenannten Bronchodilatatoren verringern die Muskelspannung der Bronchien und sorgen dafür, dass sich weniger Luft in der Lunge staut. Patienten bekommen besser Luft und sind wieder belastbarer.
Die Bronchodilatatoren – zu denen Beta-2-Sympathomimetika und Anticholinergika zählen – unterscheiden sich nicht nur in ihrem Wirkmechanismus. Einige sind kurzfristig wirksam und werden bei akuter Atemnot eingesetzt. Andere wirken erst nach zwölf oder 24 Stunden und sind regelmäßig und täglich anzuwenden. „Um eine optimale Wirkung zu erzielen, lassen sich manche Wirkstoffe auch kombiniert verabreichen“, erklärt Dr. Michael Westhoff.
Welche Medikamente zum Einsatz kommen, ist unter anderem abhängig vom Ergebnis der Lungenfunktionsprüfung, dem Schweregrad der COPD, der Häufigkeit akuter Verschlechterungen, Exazerbation genannt, sowie von eventuellen Begleiterkrankungen.
Heinrich Köllerwith erhält ein langsam wirkendes Medikament mit der Wirkstoffkombination aus Umeclidinium und Vilanterol. „Dies muss ich einmal morgens inhalieren“, berichtet Heinrich Köllerwith. Für den Fall akuter Atemnot kann er bei Bedarf ein schnellwirksames Spray nutzen. Doch davon habe er noch keinen Gebrauch machen müssen. Mit dieser Medikation kommt Heinrich Köllerwith bislang zurecht.
Diagnostik im Schlaflabor
Doch es gibt noch einen weiteren Grund für seine eingeschränkte Atemfähigkeit. Aufgrund seiner nächtlichen Atemaussetzer unterzieht sich der Landwirt einer Untersuchung im Schlaflabor der Lungenfachklinik. Die Messergebnisse bringen zutage, was Heinrich Köllerwith schon Jahre begleitet. Er hat nicht nur eine zu flache Atmung, Hypoventilation genannt - sondern auch ein sehr schwer ausgeprägtes Obstruktives Schlafapnoe Syndrom (OSAS) mit längeren Atempausen, den Apnoen. Diese können mehrere hundert Mal pro Nacht und bis zu Minuten andauern.
Solch schwere Formen der Schlafapnoe bleiben nicht ohne Folgen, wie Schlafmediziner Dr. Michael Westhoff schildert. Die nächtlichen Atemaussetzer und die zu flache Atmung bewirken, dass der Sauerstoffgehalt im Blut immer wieder abfällt und der Kohlendioxidgehalt steigt. Letztes wird als Hyperkapnie bezeichnet. Die Atemstörungen lösen im Körper eine Weckreaktion aus, die zur Wiederaufnahme der Atmung führt, da im Wachen die Muskelspannung den Rachen wieder aufspannt.
Auch wenn der Betroffene davon nicht bewusst aufwacht, ist der Schlaf dadurch stark gestört und wenig erholsam. „Sowohl die Schlafapnoe als auch eine chronisch überlastete Atemmuskulatur mit erhöhtem Kohlendioxid wirken sich ungünstig auf die Tagesbefindlichkeit aus“, erklärt Dr. Michael Westhoff. So komme es zu Tagesmüdigkeit, mitunter auch Tagesschläfrigkeit, Leistungsminderung und/oder Konzentrationsstörungen.
Schlafapnoe mit Folgen
Unbehandelt kann ein OSAS Folgeerkrankungen am Herz-Kreislaufsystem, wie Herzrhythmusstörungen, hervorrufen und das Risiko für einen Herzinfarkt und Schlafanfall erhöhen. Auch lässt sich ein Bluthochdruck bei Schlafapnoe oft schwerer einstellen.
{{::tip::standard::Adressen von Selbsthilfeorganisationen in der Nähe sind zum Beispiel erhältlich über die Nationale Kontakt- und Informationsstelle NAKOS Tel. (030) 31 01 89 60 oder im Internet.::}}
www.nakos.deBei Heinrich Köllerwith ist die Schlafapnoe nicht durch die COPD bedingt. „Sie führt aber bei Nichtbehandlung zu einer ungünstigeren Prognose der COPD“, erklärt Dr. Michael Westhoff. Nicht zuletzt deshalb erhält Heinrich Köllerwith zur Entlastung seiner Atemmuskulatur und zur Normalisierung des Kohlendioxidgehalt im Blut eine nächtliche nicht-invasive Beatmung mit einer Atemmaske (NIV).
Das Gerät erzeugt mithilfe eines Gebläses einen Überdruck und überträgt diesen über einen Schlauch und eine Maske zu den Atemwegen. Die Atemwege werden so während des Schlafs offengehalten und Atempausen und Schnarchen damit vermieden. Eine solche nicht invasive Beatmungstherapie wirkt jedoch nur symptomatisch. Ihre Anwendung ist dauerhaft und regelmäßig nötig.
Atemmaske bessert Luftnot
„Darauf muss man sich einlassen wollen und können“, sagt Heinrich Köllerwith, der zuerst mit einer Nasengesichtsmaske versorgt wird. Dabei erfolgt die Beatmung lediglich über Schläuche, die in den Nasenlöchern sitzen.
{{::tip::standard::Weitere Infos und aktuelle Forschungsergebnisse von Lungenerkrankungen bietet das Helmholtz Zentrum München:::}}
„Aus Erfahrung kann ich sagen, dass diese Versorgung für den Einstieg gut geeignet ist, weil der Mund noch frei ist“, findet er.
Habe man erst die unbegründete Angst überwunden, über die Schläuche nicht genug Luft zu bekommen, könne man anschließend auch eine Vollgesichtsmaske besser akzeptieren.
„Man muss das Gerät annehmen. Dann gehört es dazu wie tägliches Zähneputzen“, sagt Heinrich Köllerwith. Die Beatmungsmaske nutzt der Landwirt auch während des Mittagsschlafes. Das mache ihn wieder fit für so manche Zuarbeiten, die er noch auf dem Reiterhof erledigen kann. So geht ihm beim Glätten der Sandbahnen in der Reithalle oder beim Kontrollieren der Weidezäune nicht mehr so schnell die Puste aus.
Lesen Sie mehr dazu: