Ein Druckgefühl im Unterbauch, Urinverlust, Harninfekte, Stuhlschmieren oder auch Schmerzen beim Sex – hinter Beschwerden wie diesen verbirgt sich häufig eine Scheiden- und/oder Gebärmuttersenkung. Ursache dafür ist meist ein geschwächter Beckenboden. Dieser besteht aus Muskeln, Bändern und Bindegewebe.
Wie eine straffe Hängematte hält er Organe wie Gebärmutter, Blase und Darm in ihrer Position fest und unterstützt die Schließmuskulatur von Harnröhre und After. Aus ganz unterschiedlichen Gründen kann das Bindegewebe im Beckenboden allerdings geschwächt sein und an Haltefunktion verlieren. Die Organe können in die Scheide absinken und Beschwerden auslösen. Diese lassen sich mittels Beckenbodentraining und weiterer Maßnahmen meist gut behandeln. Doch reichen diese Therapien nicht aus, kann ein chirurgischer Eingriff erforderlich sein, der die Organe im Beckenboden stabilisiert.
Viele Frauen haben eine Beckenbodenschwäche
„Ein Drittel der erwachsenen Frauen leidet unter Senkungsproblemen, teilweise verbunden mit einer Harn- oder Stuhlinkontinenz“, sagt Dr. Matthias Engelhardt, Chefarzt der Gynäkologie am Josephs-Hospital Warendorf.
Senkungen können die Harnblase, die Gebärmutter und den Darm betreffen. Die Organsenkungen in die Scheide entwickeln sich meist über einen längeren Zeitraum. In der Regel sind sie für die Frauen nicht spürbar. Je nachdem wie ausgeprägt die Senkung ist, unterscheiden Mediziner vier Schweregrade. Im schwersten Fall treten die Scheide oder Gebärmutter zu einem großen Teil aus der Scheidenöffnung heraus.
Beschwerden aufgrund von Blasensenkung
Die häufigste Form einer Beckenbodenschwäche ist die Harnblasensenkung, in der medizinischen Fachsprache Zystozele genannt. Dabei wölbt sich die Harnblase in die vordere Scheidenwand hinein. Bei starker Ausprägung der Senkung, lässt sich die Blase beim Wasserlassen nicht mehr vollständig entleeren. Es kommt zu einer Restharnbildung und ständigem Harndrang.
Bleibt Restharn in der Blase zurück, begünstigt das Blasenentzündungen, die immer wiederkehren können. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich der Urin in der Blase so hochstaut und die die Nieren schädigt.
Gebärmutter senkt sich
Mit einer Senkung der Gebärmutter haben vor allem Frauen zu tun, die viele und schwere Geburten und geburtstraumatische Beckenbodenschäden erlebt haben. Durch Schwangerschaften ist ihr Halteapparat sehr belastet. Das betrifft vor allem die Haltebänder der Gebärmutter, die meist stark gedehnt wurden und sich später nicht mehr ausreichend regenerieren können.
Lastet dann noch Druck von der Bauchhöhle auf der Gebärmutter, kann diese in die Scheide absinken, in schweren Fällen sogar aus der Scheidenöffnung heraustreten. Im medizinischen Fachjargon heißt der Gebärmuttervorfall „Prolaps uteri“.
Betroffene Frauen empfinden insbesondere im Stehen und Sitzen Druck- und Fremdkörpergefühle, die sich im Liegen bessern. Wurde bei Frauen die Gebärmutter entfernt, kann sich auch das Scheidenende in den Scheidenbereich senken. Mediziner sprechen dann von einer Enterozele. Zeigt sich ein Bruch an der Stelle, an der vorher die Gebärmutter gesessen hat, kann das Gewebe an dieser Stelle nachgeben. Auf diese Weise können sich Dünndarmschlingen bis zum Scheidenausgang schieben. Neben Druck- und Fremdkörpergefühlen haben Frauen oft Schmerzen. Wird der Darm eingeklemmt, muss meist operiert werden.
Rektozele: Mastdarm auf Abwegen
Ist das Stützgewebe der hinteren Scheidenwand Richtung Mastdarm geschwächt, kann dies zur Vorwölbung des Rektums in die Scheide führen. Dann kann sich beim Stuhlgang der Stuhl nicht gut entleeren, sondern drückt in die Scheide hinein. Ein solcher Vorfall heißt Rektozele.
Betroffene Frauen verspüren einen sehr hohen Stuhldrang, können ihn aber nicht ohne Weiteres entleeren. „Viele Frauen müssen sich mit dem Finger in der Scheide helfen, damit sich der Stuhlgang überhaupt entleeren kann“, sagt Gynäkologe Engelhardt.
Doch so weit muss es nicht kommen, wenn Frauen sich frühzeitig in ärztliche Behandlung begeben. Erste Ansprechpartner für Senkungsbeschwerden sind Hausärzte, Gynäkologen oder Urologen. Bei komplexen Befunden oder Fragestellungen sollten Frauen sich eine Überweisung für eine urogynäkologische Spezialsprechstunde geben lassen. Diese wird beispielsweise auch am Josephs-Hospital in Warendorf angeboten.
Hier findet eine ausführliche Anamnese mit urogynäkologischen Untersuchungen statt, wie etwa dem Ultraschall, speziellen Tests und Tastuntersuchungen des Beckenbodens und einer Blasendruckmessung. Anschließend werden die verschiedenen Möglichkeiten der Behandlung besprochen.
Wie Sie Ihren Beckenboden stärken können
Vielen Frauen hilft bereits ein regelmäßiges Beckenbodentraining und andere konservative Therapien. Beckenbodentraining stärkt den Haltapparat.
- Mithilfe von Physiotherapie und in speziellen Kursen lassen sich Körperübungen erlernen, die den Beckenboden stabilisieren.
- Mit speziellen Gewichten, sogenannten Vaginal-Konen, die man in die Scheide einführt, lässt sich die Muskulatur zusätzlich trainieren.
- Lassen sich allein durch das Beckenbodentraining die tieferliegenden Muskelschichten des Beckenbodens nicht erreichen, können Geräte zur Elektrostimulation eingesetzt werden. Über Stromimpulse in die Vagina oder im After werden dabei Kontraktionen ausgelöst, die die Beckenbodenmuskulatur auf diese Weise stimulieren. Die Patientin erlebt so, wie sich dieses An- und Entspannen anfühlen sollte.
- Auch beim Biofeedback wird eine Sonde in die Scheide eingeführt, jedoch fließt dabei kein Strom. Die Geräte verfügen über Sensoren, die die Muskelkontraktionen messen. Frauen erfahren über eine Art Bildschirmgrafik, wie stark, wie lang und unter welchen Umständen sie die Spannung im Beckenboden aufrechterhalten können, um so besser trainieren zu können.
- Auch verhaltungs- und urotherapeutische Maßnahmen sowie die Abnahme von Übergewicht können zur Linderung der Senkungsbeschwerden beitragen.
- Ab den Wechseljahren kann eine Hormonbehandlung dafür sorgen, dass die Beckenbodenmuskulatur besser durchblutet wird.
- Bei einer Pessar-Therapie werden Silikonwürfel in die Scheide eingesetzt, die Harnröhre, Gebärmutter und Blase stützen.
Doch nicht immer reichen diese Maßnahmen aus, um die Beschwerden zu lindern.
Operative Eingriffe bei Senkungsbeschwerden
Schreitet eine Senkung voran, kann je nach Art und Ausprägung ein operativer Eingriff sinnvoll sein. „Im Gegensatz zu früher wird heute defektorientiert operiert. Die Gebärmutter wird nicht mehr standardmäßig entfernt“, erklärt Dr. Matthias Engelhardt. Eingriffe sind dadurch weniger invasiv.
{{::tip::standard::Adressen von zertifizierten Kontinenz- und Beckenboden-Zentren in Ihrer Nähe finden Sie über die Eingabe der Postleitzahl auf der Homepage der Deutschen Kontinenz-Gesellschaft unter: www.wochenblatt.com/kontinenz::}}
Es gibt verschiedene Operationsverfahren mit jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteilen. Bei allen Verfahren werden die abgesunkenen Organe wieder angehoben und anschließend fixiert. In der Regel wird zunächst versucht, den Beckenboden mit Eigengewebe zu stabilisieren. Dazu wird bei einer Blasen- oder Mastdarmsenkung etwa das Bindegewebe zwischen Harnblase bzw. Mastdarm und jeweiliger Scheidenwand operativ gestrafft.
Soll die Gebärmutter wieder in ihrer normalen Position Halt bekommen, lassen sich etwa ihre Haltebänder kürzen oder wenn nötig durch künstliche Bänder ersetzen.In manchen Fällen implantieren Ärzte auch Vaginal-Netze. „Diese werden jedoch nicht standardmäßig angewandt“, erklärt Dr. Matthias Engelhardt. Sie finden Einsatz, wenn Senkungen bei voroperierten Frauen erneut auftreten sowie bei sehr ausgeprägten Organsenkungen oder Bindegewebsstörungen. Auch bei sehr hohem Körpergewicht oder beruflich schwerer körperlicher Arbeit kann die Verwendung von Fremdgewebe sinnvoll sein. Die Eingriffe erfolgen in der Regel minimalinvasiv über die Scheide oder durch die Bauchdecke. Die synthetischen Netze haben spezielle Verankerungspunkte, damit sie Halt finden und nach dem Einwachsen belastbar sind.
Die Risiken operativer Eingriffe kennen
Jeder operative Eingriff birgt Risiken wie etwa Infektionen oder Nachblutungen. „Wird Fremdgewebe eingesetzt, kann es in seltenen Fällen vorkommen, dass das Netz nicht gut einheilt“, erklärt Experte Dr. Matthias Engelhardt.
Es braucht dazu eine intakte Scheidenhaut. Ist diese jedoch nicht ausreichend dick oder geht sie auseinander, liegt das Netz offen in der Scheide. Dies kann zu Schmerzen und Blutungen führen, weshalb auch Nachuntersuchungen wichtig sind. In Fällen wie diesen würde man die Scheidenhaut pflegen, beispielsweise durch eine vaginale Östrogenbehandlung. Offene Stellen würde man wieder vernähen, so der Experte.
In seltenen Fällen können auch Strukturen und Nerven beispielsweise durch Zügel der Vaginal-Netze irritiert werden, was zu einem dauerhaften Schmerz führt. In dem Fall müssten die Zügel entfernt oder durchtrennt werden.
Für Senkungsbeschwerden lassen sich vielerlei Lösungen finden – auch noch im hohen Alter von über 90 Jahren. Nicht immer kann eine dauerhafte oder völlige Beschwerdefreiheit erzielt werden. Doch eine Linderung der Beschwerden ist möglich.
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