Ein Arzt ist nicht dafür verantwortlich, einen Patienten gesund zu machen. Er muss aber fachlich richtig handeln. Ein Behandlungsfehler liegt dann vor, wenn der Arzt vom fachlichen Standard abgewichen ist. Bei einem Behandlungsfehler muss der Patient nicht nur nachweisen, dass Fehler gemacht wurden, sondern auch, dass ein gesundheitlicher Schaden entstanden ist und dass dieser ursächlich auf dem Fehler beruht, erklärt Juristin Anne-Dorothee Speck von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland GmbH.
Patientenakte besorgen
Entspricht ein Therapieergebnis nicht den Erwartungen, liegt nicht immer ein Behandlungsfehler vor. Wichtig ist, dass sich Patienten zum Beispiel vor einer Operation gut informieren. „Willigen Sie nur in eine Operation ein, wenn Sie alles verstanden haben. Sie müssen sich über die Risiken und die Alternativen im Klaren sein“, rät Anne-Dorothee Speck.
Ist ein Patient mit dem Ergebnis einer Operation oder einer Therapie nicht zufrieden, sollte er zunächst das Gespräch mit dem behandelnden Arzt suchen. Besteht der Verdacht, dass in der Behandlung Fehler gemacht wurden, sollte der Geschädigte ein Gutachten erstellen lassen. Wesentliche Grundlage dafür ist die Patientenakte, von der sich der Patient eine Kopie aushändigen lassen sollte. Der Arzt bzw. das behandelnde Krankenhaus ist zur Herausgabe gesetzlich verpflichtet. Hilfreich kann es außerdem sein, ein Gedächtnisprotokoll über den Behandlungsverlauf anzufertigen.
Gutachten einholen
Ein Gutachten lässt sich über die Krankenkasse oder über eine Gutachterkommission bzw. eine Schlichtungsstelle der zuständigen Ärztekammer erstellen.
Krankenkasse: Sofern es sich bei der Behandlung um eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse gehandelt hat, kann sich der Patient an seine Kasse wenden. Diese beauftragt in der Regel den Medizischen Dienst (MD), in einem Gutachten zu klären, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. Für den Versicherten ist das Gutachten kostenfrei. Wichtig: Das Gutachten ist nicht von der Einwilligung des behandelnden Arztes oder Krankenhauses abhängig.
Auch die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) beauftragt bei geeigneten Fällen den MD, ein Gutachten zu erstellen. In der Regel unterstützt die SVLFG den Versicherten in der Beweisführung. Zum Beispiel hilft sie dabei, Auskünfte über die gestellten Diagnosen und die angewandte Therapie zu beschaffen, den Namen der Behandler zu ermitteln und medizinische Behandlungsunterlagen anzufordern.
Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle der Ärztekammer: Alternativ können sich die Patienten an die Ärztekammer wenden, in deren Bezirk sich die Praxis oder das Krankenhaus befindet. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe hat dafür eigens eine Gutachterkommission für Arzthaftpflichtfragen eingerichtet. Das Verfahren ist für den Patienten kostenlos, aber für beide Seiten freiwillig. Das bedeutet, der behandelnde Arzt bzw. das Krankenhaus muss seine Einwilligung geben.
Fachanwalt einschalten
In beiden Fällen wird ein Gutachten erarbeitet, aus dem hervorgeht, ob ein Behandlungsfehler vorliegt oder nicht und ob Schadensersatzansprüche aufgrund des Behandlungsfehlers als gerechtfertigt erscheinen.
Sollte das Gutachten zur Einschätzung gekommen sein, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, kann der Geschädigte Schadensersatzansprüche geltend machen. „Ich empfehle, dafür einen Fachanwalt für Medizinrecht einzuschalten“, sagt Anne-Dorothee Speck. Wichtig: Das Ergebnis des Gutachtens ist für die Haftpflichtversicherung des Arztes nicht bindend.
In der Regel kommt es bei einem durch ein Gutachten festgestellten Behandlungsfehler zu einem Vergleich. Dabei verständigen sich beide Seiten in einem außergerichtlichen Verfahren, ob und in welcher Höhe Schadensersatz gezahlt wird. Nur in seltenen Fällen kommt es zu einer Klage und einem Gerichtsverfahren.
Drei von vier Gutachten fallen negativ aus
Im Jahr 2021 hat der Medizinische Dienst 13 050 Behandlungsfehlergutachten erstellt. Nur etwa bei jedem vierten Gutachten wurde tatsächlich ein Behandlungsfehler festgestellt. Hintergrund ist, dass auch eine einwandfrei durchgeführte Behandlung nicht immer das gewünschte Ergebnis erzielt. Mitunter treten während des Eingriffs Komplikationen auf, die nicht vermeidbar sind, erklärt Michaela Gehms vom Medizinischen Dienst Bund. Ein Behandlungsfehler liege aber nur dann vor, wenn der erlittene Schaden ursächlich und nachweislich durch einen Fehler entstanden ist.
Verjährungsfrist beachten
Wichtig ist, die Verjährungsfrist zu beachten. Sie beträgt in der Regel drei Jahre. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist bzw. in dem der Patient Kenntnis davon erhalten hat. Beispiel: Wenn im Dezember 2022 eine Knie-Operation erfolgt ist, der Patient aber erst im Januar 2023 bemerkt, dass es dabei zu Fehlern gekommen ist, beginnt die Verjährungsfrist erst Ende 2023.
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