Warum werden einige Menschen übermäßig dick und andere nicht? Gibt es eine Erklärung, warum nach einer Covid-Erkrankung die Wahrscheinlichkeit, an einem Diabetes mellitus Typ 1 zu erkranken, deutlich erhöht ist? Oft sind es Endokrinologen, die nach Antworten auf diese Fragen forschen. Sie beschäftigen sich mit dem menschlichen Stoffwechsel sowie mit Erkrankungen von endokrinen Drüsen und Organen wie Nebennieren, Eierstöcken sowie Hirnanhangsdrüse, Schild- und Bauchspeicheldrüse. In einer Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e. V. informierten Experten über aktuelle Forschungsthemen. Zwei Beispiele:
Vom braunen Fettgewebe
Probleme mit dem Körpergewicht haben viele Menschen. Mehr als jeder fünfte Bundesbürger bringt jedoch so viel Körperfett auf die Waage, dass Mediziner von Adipositas sprechen. Dabei handelt es sich um eine eigenständige chronische Stoffwechselerkrankung, die nicht nur das Risiko für eine Vielzahl von weiteren Erkrankungen wie Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, sondern auch die Lebenserwartung verkürzt.
Menschen mit starkem Übergewicht werden angehalten, ihre Energiezufuhr zu drosseln, etwa durch Diät oder mittels Medikamenten, wie den gerade im Trend liegenden Abnehmspritzen (GLP1-Agonisten). Dr. Till Hollstein vom Institut für Diabetologie und klinische Stoffwechselforschung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel rückt eine weitere Therapieoption ins Blickfeld – die Erhöhung des Energieverbrauchs durch körpereigenes braunes Fettgewebe.
Im Gegensatz zu weißem Fett, das überschüssige Kalorien als Fettpölsterchen speichert, verbrennt braunes Fett aktiv Energie, um Körperwärme zu erzeugen und vor Kälte zu schützen. „Babys haben relativ viel davon, denn sie können keine Wärme durch Muskelzittern generieren“, erklärt Dr. Till Hollstein.
Auch erwachsene Menschen besitzen braunes Fett, durchschnittlich etwa 100 bis 300 g. „Es befindet sich hauptsächlich unter den Schlüsselbeinen, am Nacken und an der Wirbelsäule“, berichtet Diabetologe Hollstein. Studien zeigten, dass schlanke Menschen über mehr aktives braunes Fettgewebe verfügen als Übergewichtige bzw. dieses besser aktivieren können. Das deute darauf hin, dass braunes Fett eine Rolle beim Körpergewicht spiele.
„Braunes Fett funktioniert fast wie eine Hormondrüse“, sagt Hollstein. Es produziert spezielle Hormone, sogenannte Batokine. Eines davon fördert beispielsweise die Fettverbrennung in der Leber und kann so vor einer Fettlebererkrankung schützen.
Batokine können auch ein Sättigungsgefühl im Gehirn auslösen und so die Esslust reduzieren. Mehr aktives braunes Fettgewebe könnte daher für viele übergewichtige Menschen eine Chance sein, dauerhaft besser abzunehmen. Wie das gelingen kann, dazu wird weiter geforscht.
Was es mit Hormondrüsen auf sich hat
Endokrine Drüsen, auch bekannt als Hormondrüsen, produzieren Sekrete – meist in Form von Hormonen –, die sie direkt in den Blutkreislauf abgeben. Diese Hormone fungieren als Botenstoffe und lösen spezifische Funktionen in verschiedenen Teilen des Körpers aus.
Kommt es zu Störungen, treten Stoffwechselerkrankungen auf, etwa ein Diabetes mellitus, bei dem die Betazellen der Bauchspeicheldrüse zu wenig Insulin produzieren.
Auch die Schilddrüse ist eine Endokrine Drüse. Sie produziert Hormone, welche die Aktivität des Stoffwechsels steuern. Werden davon zu viele oder zu wenige gebildet, hat das etwa Einfluss auf Gewicht, Stuhlgang und Herzfrequenz.
Kälte aktiviert braunes Fett
Bekannt ist, dass sich braunes Fettgewebe trainieren und vermehren lässt, indem sich der Mensch gezielt und regelmäßig Kälte aussetzt. Dazu braucht es allerdings einige Wochen, in denen sich eine Person täglich mehrere Stunden kühlen Temperaturen ausliefert.
Der Aufenthalt bei Raumtemperaturen von 16 bis 19 °C reichten dazu aus, so Hollstein. Das verbessere nicht nur den Stoffwechsel, sondern reduziere auch Entzündungen im Körper und etwas Gewicht.
Auch gibt es Hinweise, dass das in Chilischoten enthaltende Capsaicin braunes Fett aktivieren kann. Allerdings sind die Effekte auf den Energieverbrauch begrenzt.
Es wird daher nach Medikamenten geforscht, die braunes Fett in den Arbeitsmodus versetzen. Forschungen aus den USA haben gezeigt, dass etwa ein Medikament, das ursprünglich gegen eine überaktive Blase entwickelt wurde, gezielt braunes Fettgewebe aktivieren und den Stoffwechsel ankurbeln kann. Studien zeigen, dass auch Salbutamol in der Lage ist, braunes Fettgewebe zu aktivieren, berichtet Dr. Till Hollstein.
Allerdings haben diese Medikamente zurzeit noch erhebliche Nebenwirkungen wie einen schnellen Herzschlag oder erhöhten Blutdruck.
Welche Rolle Hormone und Infektionen spielen
Besser verstehen möchte die Wissenschaft auch die Wechselwirkung der Hormonsysteme mit infektiösen Erregern. „SARS-CoV-2, Enteroviren wie Coxsackie, Influenza-, Herpes-, Epstein-Barr- oder das HI-Virus stehen in Zusammenhang mit neu auftretenden chronischen Erkrankungen des Stoffwechsels nach der eigentlichen Infektion“, heißt es in einer Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
Daten aus der Corona-Pandemie zeigten, dass sich etwa durch eine Covid-Erkrankung die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, an einem Diabetes mellitus Typ 1 zu erkranken. Aber auch andere hormonell aktive Gewebe, wie die Nebennieren oder der Hypothalamus, könnten durch den Kontakt mit bestimmten Viren in ihrer Funktion gestört werden. Umgekehrt sei es möglich, dass eine bereits bestehende Störung des Stoffwechsels den Verlauf eines Infektes ungünstig beeinflusst.
Offenbar nutzen Krankheitserreger auch Signalwege von Hormonen im Körper, etwa jene zur Regulation des Zucker- und Fettstoffwechsels. Herausforderung der Forschung ist nun, diese Wechselwirkungen genauer zu erkennen, um entsprechende Arzneien oder auch Impfprogramme zur Vorbeugung der Erkrankungen zu entwickeln.
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