Die Frage, wie umweltfreundlich ein Lebensmittel hergestellt wurde, gewinnt für Verbraucher immer mehr an Bedeutung. Auf vielen Lebensmittelverpackungen sind inzwischen Hinweise auf klima- und umweltbezogene Eigenschaften zu finden. Nicht immer handelt es sich jedoch um zertifizierte Label. Groß ist deshalb die Gefahr, dass Unternehmen mit werbewirksamen Aussagen „Greenwashing“ betreiben, ihren Produkten also einen umweltfreundlichen Anstrich verleihen. Wie solche Label Verbraucher bei der Einschätzung eines Produkts beeinflussen, dieser Frage ist eine Studie im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. nachgegangen.
Die Label wirken
Im Bereich Essen und Trinken gibt es derzeit etwa 225 verschiedene Label, eine ganze Reihe davon mit klima- und umweltbezogenen Aussagen. Diese betreffen nicht immer das Lebensmittel selbst, sondern häufig nur die Verpackung oder die Herkunft. Zu finden sind zum Beispiel Claims wie „plastikfrei“, „bienenfreundlich“, „klimafreundlich, weil aus der Region“ oder „CO2-kompensiert“.
Für die Studie sollten die Probanden die Umweltbelastung durch verschiedene Produkte einschätzen – ohne und mit grünem Marketing-Claim.
Kein Unterschied zwischen zertifizierten und ungeregelten Labeln
Das Ergebnis: Alle Claims mit klima- und umweltbezogenen Aussagen führten dazu, dass ein Produkt umweltfreundlicher eingeschätzt wurde. Beispiel: Eine Aprikosenkonfitüre ohne Label schätzten 56 % der Befragten als umweltfreundlich ein. Die gleiche Konfitüre, versehen mit dem zertifizierten Bio-Siegel nach EG-Öko-Verordnung, wurde von 74 % der Befragten als umweltfreundlich eingeschätzt. Annähernd den gleichen Effekt hatten aber auch einfache, ungeregelte Claims, wie „aus nachhaltigem Anbau“ oder „bienenfreundlich“.
Hohes Greenwashing-Potenzial
Das zeigt, dass grüne Marketingclaims ein hohes Greenwashing-Potenzial haben, sagt Dr. Anke Zühlsdorf, eine der Autorinnen der Studie, im Rahmen einer Veranstaltung des Zentrums für Ernährung und Hauswirtschaft Niedersachsen. In der Bevölkerung würde die Umweltfreundlichkeit von Lebensmitteln häufig falsch eingeschätzt. An dieser Fehleinschätzung können der Studie zufolge auch zusätzliche Erläuterungen zu den Claims wenig ändern. Untersucht wurde das zum Beispiel anhand eines Schokoriegels mit dem Aufdruck „Plastik kompostierbar“. Dieses Produkt wurde von der Hälfte der Befragten als umweltfreundlich eingestuft. Das änderte auch ein zusätzlicher Hinweis „Derzeit nicht geeignet für Heimkompostierung und Biotonne, bitte in den gelben Sack geben“ nicht.
Wenn unregulierte, ungeprüfte oder fachlich strittige Claims nahezu denselben Effekt auf die Verbrauchereinschätzung haben wie zertifizierte Label, gefährdet das die Glaubwürdigkeit umweltengagierter Unternehmen, heißt es in einer Stellungnahme der Studienautoren. Gleichzeitig erschwere das eine klima- bzw. umweltfreundliche Lebensmittelwahl der Verbraucher.
Ruf nach staatlichem Label
Die Studienautoren fordern deshalb unter anderem eine EU-weite Einführung eines verpflichtenden staatlichen Klima- bzw. Umweltlabels, das die Umweltwirkung eines Lebensmittels vereinfacht darstellt. Ein Beispiel dafür könnte der Planet Score sein, den es in Frankreich bereits gibt, und der ähnlich gestaltet ist wie der Nutri Score, mit dem der ernährungsphysiologische Wert eines Lebensmittels dargestellt wird.
Weitere Ergebnisse der StudieDie Verbraucherstudie zum Verständnis von umwelt- und klimabezogenen Werbeaussagen kommt unter anderem zu folgenden Ergebnissen:
- Umweltschutz bei der Lebensmittelproduktion ist einer deutlichen Mehrheit (66 %) der Bevölkerung wichtig, aber:
- Von dieser Gruppe ist nur die Hälfte stärker in das Thema involviert und macht sich häufig Gedanken über eine umweltbewusste Ernährung.
- Nur 20 % der Verbraucher wissen, dass die Herstellung von Biolebensmitteln grundsätzlich gesetzlich geregelt ist.
- Nur 8 % der Befragten wissen, dass klimaneutral nicht gleichbedeutend mit „kein Treibhausgasausstoß“ ist. Bei der Produktion entstehen immer Treibhausgase. „Klimaneutralität“ erreichen die Hersteller durch den Kauf von Kompensationszertifikaten, die zum Beispiel durch Waldprojekte entstehen.
- 72 % der Befragten gehen davon aus, dass regionale Produkte immer oder meistens klimafreundlicher sind als andere Produkte.
Für die Studie hat die Forschungsagentur Zühlsdorf + Partner in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen mehr als 2000 Verbraucher befragt. Weitere Informationen dazu:
www.wochenblatt.com/gruene-label Vorschlag der Europäischen Kommission
Ein Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission sieht vor, dass umweltbezogene Werbeaussagen künftig von einer unabhängigen Stelle auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden, bevor sie am Markt verwendet werden. Damit soll Greenwashing verhindert werden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisiert jedoch, dass der Vorschlag zu viele Ausnahmen vorsieht, zum Beispiel für bestimmte Unternehmen. Außerdem sollte Werbung mit „Klimaneutralität“ verboten werden.
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