Wer unter chronischen Schmerzen leidet, der wartet sicher nicht auf gut gemeinte Ratschläge von Mitmenschen, die erklären, wie man denn besser mit der Situation umgehen möge. Anders mag es sich verhalten, wenn Betroffene selbst aus ihren Erfahrungen berichten und anderen die Möglichkeit geben, daraus Kraft, Mut und Zuversicht zu schöpfen. Ein solcher Mensch ist Ulrike Greweling aus Rietberg im Kreis Gütersloh.
Schwer rheumakrank
Sie ist seit vielen Jahren an schwerer chronischer Polyarthritis erkrankt. Manche Standardtherapie schlägt bei ihr nicht mehr an. Schmerzen, weitere Erkrankungen, Begleiterscheinungen und Unverträglichkeiten machen ihr zusätzlich das Leben schwer. Heute sitzt sie im Rollstuhl, hat Pflegegrad III. Trotz allem bleibt die Rheumapatientin positiv. Wie und mit welcher Einstellung ihr das gelingt, möchte sie anderen Schmerzpatienten mitteilen – zuletzt als Referentin beim Schmerz-Treff im St. Josef-Stift Sendenhorst. Hier ist die 60-Jährige seit Jahrzehnten Patientin.
Rheuma: Typisch für chronische Polyarthritis
Die chronische Polyarthritis – auch als rheumatoide Arthritis bezeichnet – ist eine Autoimmunerkrankung. Sie macht sich durch Entzündungen in den Gelenken bemerkbar, die meist in den Finger- oder Zehen-Gelenken beginnen. Dabei beginnt die entzündete Gelenk-Innenhaut zu wuchern. Sie wird dicker und frisst Löcher in Gelenkknorpel und Knochen. Bei starken Entzündungen kommt es zu nächtlichen Gelenkschmerzen, von denen man aufwacht. Ebenfalls typisch ist eine ausgeprägte Morgensteifigkeit, die bis weit in den Tag andauern kann. Der Entzündungsschmerz bessert sich typischerweise bei Bewegung. Müdigkeit, Leistungsschwäche, Fieber oder starkes Schwitzen in der Nacht können hinzukommen.
Bei schweren Verläufen sind verschiedene Organsysteme mit beteiligt, die mit lebensbedrohlichen Komplikationen einhergehen können. Bei unzureichender Behandlung führt die chronische Polyarthritis zur Behinderung und kann die Lebensdauer verkürzen.
Ulrike Grewelings Geschichte beginnt mit 30 Jahren. 1993 bringt sie trotz Komplikationen eine gesunde Tochter zur Welt. Die Freude ist groß. Doch wenige Monate später schwellen plötzlich die Finger der jungen Mutter an. Sie hat starke Schmerzen in den Hand- und Sprunggelenken sowie den Knien, die nicht verschwinden wollen. Sie konsultiert den Hausarzt und einen Rheumatologen, der eine chronische Polyarthritis mit hoch positiven Rheumawerten im Blut feststellt – eine aggressive Rheumaform.
„Der Rheumatologe sagte zu mir ,Sie sind sehr, sehr krank. In einem Jahr sitzen Sie im Rollstuhl‘“, berichtet Ulrike Greweling. Auf die Frage, was sie dagegen tun könne, habe der Arzt geantwortet: „Nichts. Ich gebe Ihnen jetzt Medikamente, die das Ganze leichter machen.“
Der Schock saß zunächst tief. Doch wer denkt, dass sich die junge Mutter aufgibt, der irrt. Vor allem will sie für ihre kleine Tochter da sein – noch mehr als zuvor – denn der Vater des Kindes kann die Diagnose nicht ertragen. Sie trennen sich im Guten. Mithilfe von Familie und Freunden schultert sie ihren Wohnungsumzug.
1995 folgt der erste Klinikaufenthalt in der Rheumaklinik Sendenhorst. Hier wird die entzündete Innenhaut der Gelenke verödet. Sie erhält Cortison und Rheumamedikamente wie MTX und den TNF-Blocker Enbrel. Damit geht es ihr zunächst besser. Schwellungen und Schmerzen gehen zurück.
Die Ursache der chronischen Polyarthritis ist unbekannt. Man vermutet eine ererbte Veranlagung, die in Verbindung mit äußeren Faktoren zu einer Fehlregulation des Immunsystems führt. Dabei richtet sich das Immunsystem fälschlicherweise gegen den eigenen Körper und setzt entzündliche Prozesse in den betroffenen Gelenken in Gang. Aber auch Weichteile und andere Organsysteme können befallen sein. Der Verlauf der rheumatoiden Arthritis ist individuell unterschiedlich. Oft nehmen die Beschwerden im Laufe der Jahre zu, wobei die Krankheit in Schüben mit immer kürzeren Abständen auftritt.
Den Beruf musste sie aufgeben
„In den folgenden Jahren war ich 10- bis zu 30-Mal im Jahr im Krankenhaus“, erklärt Ulrike Greweling. Doch die Entzündungen in den Gelenken treten trotz Therapie immer wieder auf. Hinzu kommen jetzt vermehrt Pilzinfektionen im Mund und Unterleib sowie Lungenentzündungen. „Im Laufe der Jahre erhöhten sich auch meine Leberwerte, sodass die Basismedikamente immer wieder gewechselt werden mussten“, berichtet Ulrike Greweling.
{{::tip::standard::Rheuma ist behandelbar – von Erika Gromnica-Ihle. Springer Verlag, ISBN 978-3-662-56811-8, 261 Seiten, 19,99 €.
Dieser Ratgeber bietet fundierte medizinische Informationen über die wichtigsten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sowie über und deren Behandlungsmethoden. Einige sozialmedizinische Fragen werden im Überblick dargestellt und aufgezeigt, wo rheumakranke Menschen Hilfe erhalten können. Aber auch Betroffene kommen mit ihren Erfahrungen zu Wort.::}}
Auch schreitet die Erkrankung weiter voran. Ihre Handgelenke deformieren sich zunehmend. Im Jahr 2002 muss sie ihr Kosmetikstudio aufgeben. Seitdem ist sie erwerbsunfähig, erhält eine kleine Rente.
„Ich habe mir nie die Frage gestellt, warum ausgerechnet ich so schwer erkrankt bin“, erzählt Ulrike Greweling. Wer sich das frage, mache sich damit das Leben schwer. „Man muss die Krankheit annehmen und das Beste daraus machen. Dieses Leben haben Sie nur einmal, deshalb schätzen Sie es.“
Immer positiv denken
Auch ihr fällt das nicht immer leicht, denn im Laufe der Jahre verschlechtert sich ihr Zustand. Einige Medikamente wirken nicht mehr so effektiv. Es kommt zu Komplikationen, Unverträglichkeiten stellen sich ein und weitere Erkrankungen kommen hinzu. Regelmäßig muss sie beispielsweise eine Verengung der Speiseröhre stationär aufdehnen lassen. Ansonsten droht Erstickungsgefahr. Sie benötigt eine Hüftprothese.
Die Behandlung ihrer chronischen Polyarthritis zwingt sie überdies zu zahlreichen stationären Aufenthalten und immer wieder angepassten Therapien, die sie viel Kraft kosten. „Ich mache mir keine Gedanken über das, was dann sein kann. Ich warte ab und sage mir immer wieder, egal was kommt, ich habe diese Aufgabe in meinem Leben zu erfüllen.“ Positiv denken, egal wie schlimm es ist, so ihre Devise.
In seltenen Augenblicken ist auch sie traurig und weint. Auch das gehöre dazu. Doch es nutzt niemandem, ständig zu jammern und zu klagen. „Dadurch wird es nicht besser, sondern schlimmer. Man verliert Freunde, weil sie es nicht ertragen können. Ich bekomme das so oft mit, es bringt nichts.“
In solchen Situationen könne es helfen, seine Ängste und negativen Gedanken einfach aufzuschreiben. Am Ende müsse aber der Gedanke stehen: „Ich weiß, dass es Tage gibt, an denen es wieder gut ist. Und dafür bin ich dankbar.“
Ich schaffe das
Sie habe die Fähigkeit, sich seelisch schnell wieder aufbauen zu können. Manche Tage seien nicht so gut, die rede sie sich schön. Diese positive Einstellung und Dankbarkeit zum Leben erleichtere ihr den Umgang mit den Erkrankungen. Schließlich komme manches auch anders als prophezeit.
Heute sitzt Ulrike Greweling zwar im Rollstuhl. Das aber nicht ein Jahr nach der Diagnose, sondern 19 Jahre später. Im Vordergrund habe allerdings gestanden, die Schmerzen, das höllische Kribbeln, Beißen und Stechen in den Beinen aufgrund der Polyneuropathie in den Griff zu bekommen. „Ansonsten dachte ich: ‚Es soll so sein, auch das schaffst du.‘“
Und sie kann der Situation auch Gutes abgewinnen: „So schlimm ist der Rollstuhl gar nicht. Ich fahre damit einkaufen, habe mein eigenes Leben und erfreue mich daran.“ Wenn sie unterwegs ist, habe sie sich auch angewöhnt, Musik zu hören und mitzusummen. „Oder ich schaue an der Ampel in andere Autos und lächle rüber.“
Oft bekomme sie zu hören, dass man ihr die Krankheit und Schmerzen nicht so ansehe. „Egal wie schlecht es mir geht. Ich mache mich immer ein bisschen zurecht. Das steigert das eigene Wohlbefinden. So sehe ich auf den ersten Blick nicht krank aus und fühle mich deshalb wohler.“
Tipps zum Besserfühlen
Ulrike Greweling will sich nicht hängen lassen. Sie weiß, dass das nicht jeder kann. Es sollte aber möglich werden, einmal nicht über die Krankheit zu reden und den Tag so gut es geht zu genießen, ist ihre Meinung. Hilfreich sei es, Menschen zu sehen, denen es schlechter geht als einem selbst.
Sich dann zu sagen, „Was geht es mir gut“, auch wenn das nicht immer der Fall ist, ist ihre Strategie. Man könne ansonsten die schönen Dinge im Leben nicht mehr sehen, das Leben ziehe so an einem vorbei, man werde seelisch krank und isoliere sich selbst, ohne es zu merken.
Sich eine Aufgabe suchen
Ihr Tipp: „Nehmt teil am Leben, seid aktiv, so gut es geht, sucht euch Aufgaben und Aktivitäten, die ihr meistern könnt. Lest schöne Bücher, pflegt eure Freundschaften. Auch ihr könnt anderen helfen, trotz Behinderung. Zuhören geht immer.“
{{::tip::standard::Mit Vollgas durchs Leben – von Ulrike Greweling. Verlag Books on Demand, ISBN 978-3-7562-0658-2, 366 Seiten, 19,99 €.::}}
Sie selbst hat ein Buch geschrieben über sich und ihre Krankengeschichte. Sie bringt ihre Gedanken in Mut-mach-Schlagersongs zum Ausdruck oder CDs mit Wohlfühltexten. „Ich setze mir Ziele. Auch das finde ich wichtig.“
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