Die Hygienevorschriften für Schweinehalter haben in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Zutritt in den Stall ist nur durch eine Hygieneschleuse gestattet, der Stallbereich muss eingezäunt sein, Ställe, Transportfahrzeuge und Gerätschaften sind regelmäßig zu reinigen und zu desinfizieren – um nur einige Maßnahmen zu nennen. Landwirte achten schon allein deshalb auf die Einhaltung der Regeln, um den wertvollen Tierbestand vor Infektionen zu schützen. Woran sie häufig weniger denken: Es gilt auch, sich selbst und alle im Stall Tätigen vor krankmachenden Erregern zu schützen. Denn einige Krankheiten sind nicht nur vom Menschen auf das Tier übertragbar, sondern auch umgekehrt. Sie werden als Zoonosen bezeichnet.
Viele Übertragungswege
Zu unterscheiden ist zwischen direkter und indirekter Übertragung. Eine direkte Übertragung von Tier zu Tier bzw. auf den Menschen erfolgt in der Regel durch Kot, Harn oder Speichel von infizierten Tieren. Die indirekte Übertragung geschieht über Vektoren, die mit Keimen verunreinigt sind. Solche Vektoren können zum Beispiel Werkzeuge oder Treibbretter sein. Je nach Erreger ist auch eine Übertragung über die Luft möglich. Außerdem können Keime an Kleidung, Schuhen oder auf der Haut haften. Auch Hunde, Katzen, Vögel und vor allem Schadnager bringen Krankheiten in den Stall.
Nur durch die Hygieneschleuse in den Stall
Eine Übertragung durch oder auf den Menschen lässt sich durch die Einhaltung der Hygieneschleuse vermeiden. Hier muss eine strikte, Trennung von „schwarzem“ und „weißem“ Bereich gelten, erklärt Anna Hornkamp. Die produktionstechnische Beraterin für Schweinehaltung an der Landwirtschaftskammer NRW informierte in einem Seminar aus der Reihe „Weiterbildung im Netzwerk“ über Biosicherheit im Betrieb.
Im schwarzen Bereich wird die Alltagskleidung abgelegt. Dann geht es in den weißen Bereich, im dem die Stallkleidung angelegt wird. Beim Betreten und beim Verlassen des Stalls sind die Hände zu waschen. Unter Umständen kann es auch sinnvoll sein, vor und nach dem Besuch im Stall zu duschen.
Neue Influenza-Spezies
Eine der bekanntesten und sehr verbreiteten Zoonosen ist die Influenza. Typische Symptome beim Schwein sind rasch einsetzendes hohes Fieber, Abgeschlagenheit, Appetit- und Gewichtsverlust sowie Husten. Die Bekämpfung ist schwierig, weil es viele verschiedene Viren-Spezies gibt. Durch Vermischung verschiedener Spezies können neue Viren entstehen. Im Sommer 2020 hat eine chinesische Forschergruppe ein Virus entdeckt, dass durch Vermischung des Schweinegrippe-Virus H1N1 und des aus Nordamerika stammenden TR-Virus entstanden ist. Dieses neue G4-Virus kann an menschliche Rezeptoren binden und sich in den Zellen der Atemwege vermehren, erklärt Anna Hornkamp.
Forscher haben festgestellt, dass eine Immunität, die Menschen durch die saisonale Grippe gewinnen, keinen Schutz vor G4 bietet. Bisher ist allerdings noch keine Infektion mit G4-Viren beim Menschen festgestellt worden. Es gibt aber vereinzelt Übertragungen von Influenza-Viren von Schweinen auf Menschen. Diese erfolgt meist durch Tröpfchen. Deshalb rät die Expertin, sich zum Beispiel mit Handschuhen vor einer Infektion zu schützen. Menschen, die selbst mit Influenzaviren infiziert sind, sollten eventuell im Stall einen Mundschutz tragen, um den Bestand zu schützen.
Räude, Rotlauf, Salmonellen
Neben der Influenza gibt es zahlreiche weitere Zoonosen:
Räude: Um eine parasitäre Zoonose handelt es sich bei der Räude, die durch Milben verursacht wird. Klassische Symptome beim Schwein sind lokale Entzündungen, Rötungen, Juckreiz, aber auch eine schlechte Futterverwertung, oder Fruchtbarkeitsstörungen. Räude kann auf den Menschen übertragen werden. Durch kleine Wunden können sich die Milben Zugang verschaffen. Einen gewissen Schutz bieten Handschuhe.
Rotlauf: Bei Rotlauf handelt es sich um eine sehr hartnäckige, bakterielle Erkrankung. Die Bakterien können über kleine Verletzungen in die Haut eines Menschen eindringen. Der Erreger hält sich in Kot, Gülle oder Futtermaterial auf und kann über mehrere Monate infektiös sein. Eine Infektion kann zu Schwellungen und Rötungen auf der Haut oder auch zu Entzündungen führen. Bei Verdacht sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Salmonellen: Salmonellen zählen ebenfalls zu den bakteriellen Zoonosen. Eine Infektion führt bei Schweinen nur selten zu Erkrankungen. Sie scheiden die Erreger jedoch lange Zeit aus. Menschen infizieren sich allerdings weniger über Ausscheidungen von Tieren. Eine größere Rolle spielt der Verzehr von rohen, kontaminierten Fleischprodukten. Typische Symptome beim Menschen sind Durchfall, Kopf- und Bauchschmerzen, allgemeines Unwohlsein und Erbrechen.
Einer der wichtigsten Krankheitserreger bei Schweinen sind Streptokokken. Menschen, die Kontakt zu Schweinen haben, können sich über kleine Wunden, Hautkontakt und selten über Tröpfchen infizieren. Symptome einer Streptokokken-Infektion können Kopfschmerzen, Gangunsicherheit, Übelkeit, Erbrechen, Taubheitssymptome, Gelenkentzündungen oder Lungenentzündungen sein. Wird die Krankheit früh genug erkannt, ist sie gut behandelbar.
Auf MRSA testen lassen
Staphylococcus aureus ist ein normaler Hautkeim, der bei bis zu 50 % der Menschen auf den Schleimhäuten nachweisbar ist. Er kann Wundinfektionen und chronische Hautinfektionen verursachen. In der Regel ist der Keim gut mit Antibiotika behandelbar. Aber es gibt Staphylokokken-Stämme, die gegen die gängigen Antibiotika resistent geworden sind. Sie werden als Methicillin-resistente Staphylococcus areus, kurz MRSA, bezeichnet. Personen mit Kontakt zu Schweinen gelten als Risikopatienten, denn Schweine sind zu 25 bis 50 % befallen, wobei die Infektion im Schweinebestand keine Probleme macht.
Bei MRSA gibt es verschiedene Typen. Die Varianten, die in Schweinebeständen vorkommen, spielen Untersuchungen zufolge bei MRSA-Krankenhausinfektionen kaum eine Rolle. Dennoch sollten Landwirte vor einem geplanten Krankenhausaufenthalt die Klinik darüber informieren, dass sie Kontakt zu Schweinen haben. Sie sollten sich dann vorab auf MRSA testen lassen und gegebenenfalls eine Sanierung machen.