Bei Diskussionen um den Klimawandel kommt fast unweigerlich der Fleischverzicht zur Sprache. Tatsächlich verursacht die Tierhaltung und damit die Produktion tierischer Lebensmittel mehr Treibhausgase (THG) als die Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel. Rund 54 % der durch die Ernährung entstehenden THG entfallen auf Fleisch, Milch und Milchprodukte. Pflanzliche Lebensmittel sind dagegen für 30 % der THG verantwortlich. Diese Zahlen nennt Dr. Malte Rubach, Ernährungswissenschaftler und Autor des Buches „Die Ökobilanz auf dem Teller“ und bezieht sich auf Berechnungen des Thünen Instituts.
Fleischkonsum: Reduzieren statt verzichten
Würde der Fleischkonsum halbiert, wie häufig gefordert wird, dann wäre der Anteil der THG aus dem Fleischkonsum vergleichbar mit dem aus pflanzlichen Lebensmitteln, rechnet Rubach vor. Ein Argument für einen kompletten Fleischverzicht gibt es aus Gründen des Klimaschutzes seiner Ansicht nach dann nicht mehr.
Die von Dr. Malte Rubach genannten Werte beziehen sich auf den durchschnittlichen Lebensmittelverzehr in Deutschland. In anderen Ländern können die Zahlen ganz anders aussehen. Gleiches gilt für Angaben zu THG-Emissionen aus der Landwirtschaft. Hier sollten Verbraucher immer hinterfragen, woher die Zahlen stammen. Dr. Malte Rubach bringt ein Beispiel: In Europa entfällt etwa 25 % des Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft. Doch innerhalb Europas gibt es große Unterschiede. In Westeuropa liegt der Wert bei etwa 5 %, in mediterranen Ländern hingegen bei 57 %.
Der Wasserverbrauch für die Lebensmittelproduktion ist im weltweiten Durchschnitt deutlich höher als in Deutschland. Nach Aussage des Wissenschaftlers hätte eine rein vegetarische Ernährung einen höheren Wasserverbrauch zur Folge als die derzeitige Ernährungsweise.
Konsum pflanzlicher Lebensmittel auf Kosten anderer
Ähnliches gilt für den Flächenverbrauch. „Wir können zwar alle tierischen Lebensmittel, die wir essen, in Deutschland produzieren, aber nicht alle pflanzlichen“, sagt Dr. Rubach. Eine rein pflanzliche Ernährung würde also bedeuten, dass für die Produktion landwirtschaftliche Fläche im Ausland benötigt würde.
Nach Ansicht Rubachs kommt es deshalb vor allem darauf an, die Effizienz der Lebensmittelproduktion zu steigern. Deutschland sieht er hier bereits auf einem guten Weg, erklärt er bei der Auftaktveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Ernährungskommunikation der Westfälisch-Lippischen Landfrauen (siehe Kasten). Diese Zusammenhänge sollten die Landfrauen stärker kommunizieren, wenn wieder einmal die heimische Landwirtschaft als Klimasünder an den Pranger gestellt wird. „Sie müssen den Diskurs ständig befeuern, auch wenn es anstrengend ist.“
In Zukunft mehr Flexitarier
Wie Lebensmittel erfolgreich vermarktet werden können, ist am Beispiel vieler vegetarischer und veganer Produkte zu sehen. Dabei wird der Anteil der Bevölkerung, die sich vegan ernährt, häufig überschätzt. Aktuell ernähren sich knapp 10 % der Deutschen vegetarisch, der Anteil der Veganer liegt bei rund 2 %. Gut möglich ist jedoch, dass sich in Zukunft mehr Menschen flexitarisch ernähren, also nur selten Fleisch essen, vermutet Florian Rösler, Ernährungsexperte an der Landwirtschaftskammer NRW. Er geht davon aus, dass immer mehr Verbraucher Fleisch bewusst, aber in Maßen genießen.
Wer sich für eine fleischarme oder -freie Ernährung entscheidet, muss dafür Sorge tragen, mit allen lebenswichtigen Nährstoffen gut versorgt zu sein. Das gilt jedoch in gleichem Maß für Fleischesser. „Eine ausgewogene Ernährung passiert nicht einfach so“, sagt Rösler. Die VeChi-Youth-Studie hat gezeigt, dass Kinder und Jugendliche mit bestimmten Nährstoffen unzureichend versorgt sind – und zwar unabhängig davon, ob sie Fleisch essen oder nicht. Zu diesen kritischen Nährstoffen zählen Riboflavin, Vitamin D, Jod und Calcium.
Neue AG Ernährungskommunikation
Ernährung und Hauswirtschaft waren zwar immer schon große Themen bei den Landfrauen. Ihre Bedeutung ist in den vergangenen Jahren jedoch nach unten gerutscht, sagt Renate Große Wietfeld, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft (AG) Ernährungskommunikation. Gerade in letzter Zeit haben sich Ernährung und Nahrungszubereitung jedoch stark verändert. Beispielsweise hat der Einfluss der Ernährungsweise auf das Klima an Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig haben aber auch ernährungsbedingte Krankheiten zugenommen.
Diese Entwicklungen haben die Landfrauen aus Westfalen-Lippe zum Anlass genommen, Anfang 2021 die AG Ernährungskommunikation ins Leben zu rufen. Mit Ernährungswissen und Alltagskompetenzen möchten sie vor allem junge Verbraucher erreichen. Für die Auftaktveranstaltung am Mittwoch vergangener Woche hat sich die AG das Thema Klima auf die Fahnen geschrieben. Denn eines ihrer Ziele ist es, Zusammenhänge zwischen Ernährungsweisen und Klima aufzuzeigen.
Über die Social-Media-Kanäle veröffentlicht die AG außerdem regelmäßig Posts unter „#LandFrauen teilen Wissen über Ernährung“. Nächstes Großprojekt der AG ist die Internationale Grüne Woche in Berlin, auf der sie mit einem Messestand vertreten sein wird.