In den Kitas wird gehustet und geschnieft, die Wartezimmer von Kinderarztpraxen sind voll und einige Kliniken berichten von außergewöhnlich vielen kleinen Patienten mit Atemwegserkrankungen auf den Kinderstationen. Überall im Land sind gerade Erkältungsviren im Umlauf, vor allem unter kleinen Kindern. „Es ist jetzt schon so wie es sonst im Winter ist“, sagt Dr. Anne Schulze Everding, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin aus Münster. Und sie vermutet, dass es zum Winter hin noch schlimmer wird.
Viele Viren auf einmal
Die Ursache für den sehr frühen Beginn der Erkältungssaison liegt im Corona-Lockdown begründet. So setzen sich Kinder beispielsweise mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus, kurz RS-Virus, normalerweise bereits in den ersten zwei Lebensjahren auseinander, erklärt die Ärztin. Durch die Kontaktbeschränkungen seien die heute Zweijährigen mit diesem und mit anderen Erkältungsviren bisher aber nicht in Kontakt gekommen. „Das kommt jetzt alles auf einmal“, begründet sie, warum gerade so viele Kita-Kinder unter diversen viralen Infekten leiden.
Kinder bauen jetzt ihr Immunsystem auf
Für gesunde Kinder sei das kein Problem. Es sei sogar wichtig, dass sich die Kinder mit den Viren auseinandersetzen. Dadurch bauen sie jetzt ihr Immunsystem auf. Allerdings kann es derzeit vorkommen, dass ein Kind von einem Infekt in den nächsten geht. Eltern müssen dann abwägen, ob sie ihr Kind weiterhin zur Kita schicken. Wenn das Kind ständig krank ist, kann es sinnvoll sein, es für zwei oder drei Wochen zuhause zu lassen, sagt Dr. Schulze Everding. In die Kita sollte es dann erst wieder gehen, wenn die Symptome mindestens an zwei aufeinanderfolgenden Tage völlig abgeklungen sind und sich das Kind gesund und fit fühlt.
RS-Virus kann für Säuglinge gefährlich werden
Problematisch kann gerade das RS-Virus für sehr junge Säuglinge werden. Oft sind es derzeit große Geschwister, die das Virus aus der Kita in die Familie tragen, stellt Michael Achenbach, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin aus dem sauerländischen Plettenberg, fest. Während das Kita-Kind die Infektion meist ohne große Probleme durchmachen, kann das Virus den ganz Kleinen schwer zu schaffen machen. Grund dafür ist, dass die Atemwege bei einem Säugling noch sehr klein sind. Besonders gefährdet sind Frühchen.
Es geht oft ohne Arzt
Typische Anzeichen bei allen Infekten mit Erkältungsviren sind Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Abgeschlagenheit und Fieber. Diese Symptome allein sind kein Grund, einen Arzt aufzusuchen. Eine Erkältung dauert eine gewisse Zeit. Das Immunsystem muss erst lernen, damit klar zu kommen, erklärt Michael Achenbach. Es sei ganz normal, dass ein Husten drei Wochen lang dauert, bestätigt Dr. Schulze Everding. Erst wenn es einem Kind anhaltend mehrere Tage lang schlecht geht, ist ein Arztbesuch anzuraten. Gleiches gilt, wenn Eltern die Vermutung haben, dass die unteren Atemwege betroffen sind.
Anders sieht es aus, wenn ein Kind bestimmte Vorerkrankungen hat oder es sich um ein ehemals extremes Frühchen handelt, dessen Lunge bei der Geburt nicht vollständig entwickelt war. Dann sollte schon früher ein Arzt hinzugezogen werden.
Wann muss das Kind in die Klinik?
In seltenen Fällen müssen Kinder bei einer Infektion mit Erkältungsviren stationär behandelt werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Atemfrequenz erhöht ist, es unter Atemnot leidet, nicht mehr isst oder trinkt oder insgesamt apathisch wirkt. Hohes Fieber ist dagegen kein Grund für eine Krankenhauseinweisung, erklärt Dr. Anne Schulze Everding.
Eltern brauchen die Krankschreibung
Obwohl es also häufig medizinisch nicht notwendig ist, einen Kinderarzt aufzusuchen, sind die Praxen auch in Westfalen-Lippe derzeit sehr voll. Ein Grund dafür sieht Michael Achenbach darin, dass Eltern eine Krankschreibung für ihr Kind benötigen. Nur gegen Vorlage einer solchen Bescheinigung beim Arbeitgeber haben sie ein Recht darauf, zuhause zu bleiben und ihr krankes Kind zu betreuen. Hinzu kommen die derzeit noch geltenden strengen Corona-Regeln, die Kinder auch mit leichten Erkältungssymptomen häufig vom Kitabesuch ausschließen.
Was hilft bei einer Erkältung?
Das wichtigste Heilmittel bei Erkältungen ist viel Trinken, sagt Michael Achenbach. Denn Flüssigkeit ist der beste Schleimlöser. Das kann Wasser oder auch Tee sein. Häufig kommt bei einer Erkältung zuerst der Schnupfen, und erst etwas später kommt Husten dazu. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Bei der Atmung durch die Nase wird die Atemluft angefeuchtet. Ist die Nase verstopft, wird aber durch den Mund geatmet. Die Atemluft ist dann trocken und trocknet die Atemwege aus. Das führt zu Husten. Deshalb ist es wichtig, schon bei Schnupfen auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten. Auch kalte Luft kann abschwellend wirken. Deshalb der Tipp des Arztes: Das Kind warm einpacken und mit ihm nach draußen gehen.
{{::tip::standard::::}}