Regionales TraumaNetzwerk NordWest

Die Chance auf Überleben

Ein Unfall: Für Schwerverletzte zählt jede Minute. Im TraumaNetzwerk NordWest kooperieren überregional verschiedene Kliniken miteinander. Sie versorgen Unfallopfer rund um die Uhr auch in ländlichen Gebieten.

September 2014: Marthe M. ist mit ihrem Fahrrad in Münster auf dem Weg zur Arbeit. Beim Überqueren der Ampelkreuzung wird sie von einem abbiegenden Lastkraftwagen übersehen. „Ich hörte plötzlich ein lautes Lkw-Geräusch, sah eine weiße Front vor mir und wusste ,Das passiert jetzt, der überfährt dich‘“ schildert die Ärztin, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte.

Die 44-Jährige gerät unter das Fahrzeug. Sie erleidet an Organen und Körperteilen schwere Verletzungen und schwebt in Lebensgefahr. Ein Drittel ihres Körpers ist eine offene Wunde; ihr Bein ist zerfetzt. Ihre Erinnerungen an diesen schicksalhaften Tag beschränken sich auf den Zeitpunkt bis der Rettungsdienst eintrifft. Abartige Schmerzen und Luftnot habe sie gehabt. „Ich dachte aber, du musst wach bleiben bis adäquate Hilfe kommt“, berichtet die Internistin.

In Stadtgebieten wie Münster ist der Rettungsdienst schnell zur Stelle. Er bringt die schwerver­letzte Frau in das Universitätsklinikums Münster (UKM). Dort ist man als überregionales Traumazentrum auf solche Verletzungen spezialisiert.

TraumaNetzwerk NordWest

Jährlich verunglücken bundesweit etwa 40  000 Menschen schwer. Worauf es dann ankommt, sind eine schnelle Erstversorgung durch den Rettungsdienst und die Behandlung in einer kompetenten Unfallklinik, die die spezielle Verletzung bestmöglich behandelt. Damit diese Versorgung rund um die Uhr auch in ländlichen Gebieten gelingt, wurde 2007 das regionale TraumaNetzwerk NordWest gegründet.

In diesem Netzwerk kooperieren derzeit 45 Kliniken über die Grenze Nordwestfalens bis ins südliche Niedersachsen und grenzübergreifend bis in die Niederlande hinein. Beteiligt sind aber auch Unfallkrankenhäuser, sogenannte Traumazentren, aus dem Einzugsgebiet des ostwestfälischen Raums bis ins Ruhrgebiet. Auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie wurden bundesweit 54 solcher Netzwerke ins Leben gerufen.

Bessere Kommunikation

Kliniken im TraumaNetzwerk müssen bestimmte Ausstattungen vorhalten wie beispielsweise einen Schockraum, Hubschrauberlandeplatz, Computertomografen, einen Not-OP, eine Intensivstation oder eine Blutbank. Die Klinik muss jederzeit ein entsprechendes Ärzte- und Pflegeteam verschiedener Fachabteilungen im Schockraum zur Verfügung stellen können.

„Wir halten überprüfbare Versorgungs- und Qualitätsstandards ein, unterziehen uns im Netzwerk dem­entsprechenden Zertifizierungen und arbeiten auf Basis unserer Leitlinien“, erklärt Priv. Doz. Christian Müller-Mai vom St. Marien-Hospital Lünen. Damit Schwerverletzte an jedem Ort und zu jeder Zeit die gleichen Überlebenschancen erhalten, wurden entsprechende Versorgungsstrukturen mit zwölf lokalen, neun regionalen und drei überregionalen Traumazentren geschaffen. Die Kliniken arbeiten eng zusammen, sodass sich beispielsweise auch Zu- und Rückverlegungen über einheitliche Standards reibungsloser regeln lassen.

Fachpersonal vorhalten

Darüber hinaus muss das Krankenhaus rund um die Uhr medizinisches Fachpersonal vorhalten, das einen Schwerverletzten entsprechend seiner Verwundung versorgen kann. Per Handy muss die Klinik rund um die Uhr für Notärzte am Unfallort erreichbar sein. „Die Überlebenschancen von Schwerverletzten haben sich durch die vernetzte Arbeit exponentiell vergrößert“, sagt Prof. Michael J. Raschke, Sprecher des TraumaNetzwerks NordWest vom UKM. Das gilt auch für schwer verunfallte Menschen in ländlichen Regionen.

Möglichkeiten der Telemedizin eröffnen weitere Chancen. Binnen 30 Minuten sollen Unfallopfer mittels Telemedizin eine für ihre Rettung und Behandlung geeignete Klinik erreichen können. Ärzte aus lokalen oder regionalen Traumazentren können per Video telematische Unterstützung durch überregionale Traumzentren wie dem UKM erhalten.