Nie im Leben hätte sie damit gerechnet, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben. Auf den Test hat Birgit Merscher* nur bestanden, um mit ruhigem Gewissen zusammen mit ihren Kollegen ihre Arbeit machen zu können. Dann kam alles anders.
Es ist Anfang Februar, als sie sich mit fünf Freundinnen aufmacht in den Skiurlaub nach Flachau in Österreich. Corona war da schon ein Thema. Aber Flachau war zu der Zeit noch weit davon entfernt, als Risikogebiet eingestuft zu werden.
Auf der Hinfahrt spürte Birgit Merscher ein leichtes Kratzen im Hals. Die Landfrau aus Westfalen hatte in den Tagen vor der Fahrt viel auf dem Hof gearbeitet, unter anderem mit Stroh. Da sie allergisch auf Heu und Stroh reagiert, schob sie das Kratzen im Hals darauf. Heute vermutet sie, dass dadurch auch ihr Immunsystem angeschlagen war und sie deshalb später empfänglicher für eine Infektion war.
Brennen in der Lunge
Gegen Ende des Urlaubs fühlte sich Birgit Merscher zunehmend schlapp. Zusätzlich spürte die 41-Jährige ein Brennen in der Lunge, was sie aber auf die Kälte schob. Die Beschwerden hielten sie auch nicht davon ab, mit ihren Freundinnen Ski zu fahren.
Wieder zurück in ihrer westfälischen Heimat, ging es ihr immer schlechter. Sie war so müde, dass sie fast den ganzen Tag im Bett verbrachte. Fieber hatte sie jedoch nicht. Vielleicht dachte sie deshalb nicht an eine mögliche Infektion mit dem Corona-Virus.
Auf den Test bestanden
Dann aber nahmen die Coronafälle in Deutschland zu. Gleichzeitig setzte bei Birgit Merscher Husten ein. Langsam kam ihr der Gedanke, dass es sich bei den Symptomen um eine Corona-Infektion handeln könnte. Vorsichtshalber rief sie beim Gesundheitsamt an. Da sie aber weder Kontakt zu einer infizierten Person gehabt hatte noch in einem Corona-Risikogebiet gewesen war, sollte bei ihr kein Test durchgeführt werden. Birgit Merscher blieb jedoch hartnäckig.
Als sich herausstellte, dass sie vor dem Urlaub an einer öffentlichen Feier teilgenommen hatte, bei der sich, wie inzwischen bekannt geworden war, auch einige Menschen mit dem Virus angesteckt hatten, stimmte das Gesundheitsamt einem Test zu.
Unerwartetes Testergebnis
Für den Test fuhr Birgit Merscher am nächsten Tag zum Gesundheitsamt. Fest rechnete sie damit, dass das Ergebnis negativ ausfallen würde und sie bald wieder unbesorgt arbeiten könnte. Umso mehr überrascht war sie, als das Gesundheitsamt ihr einen Tag später mitteilte, dass sie positiv auf das Coronavirus getestet worden sei.
Anstatt wie geplant Arbeiten auf dem Hof zu erledigen, informierte sie jetzt zunächst alle Kontaktpersonen. „Das habe ich selbst gemacht, um das Gesundheitsamt zu entlasten“, sagt sie. Zusätzlich erstellte sie für das Amt aber eine Liste mit allen Kontakten der vergangenen zwei Wochen. Diese Personen wurden im Laufe der nächsten Tage auch durch das Gesundheitsamt darüber informiert, dass sie jetzt Kontaktperson seien und sich deshalb für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben müssten.
Symptome selbst behandelt
Birgit Merscher hatte derweil immer noch mit den Symptomen der Infektion zu kämpfen. Sie hatte zwar zu keiner Zeit Fieber, fühlte sich aber sehr schlapp und müde und litt unter Gliederschmerzen. Außerdem hatte sie ihren Geruchs- und Geschmackssinn weitestgehend verloren. Am schlimmsten aber waren die Beklemmungen in der Lunge, die sie nicht tief durchatmen ließen.
Als gelernte Krankenschwester therapierte sie sich zunächst selbst mit Ibuprofen. Da das nicht half, nahm sie Novalgin. Damit besserten sich zumindest die Gliederschmerzen. Zu schaffen macht ihr aber noch der tief sitzende Husten. Ihr Hausarzt riet ihr zu ACC, was aber nicht die erhoffte Linderung brachte. Der Hausarzt ihres Mannes empfahl ihr dann ein Asthmaspray. „Das hat geholfen“, berichtet die Landfrau. Ihre Bronchien entspannten sich und sie konnte wieder frei atmen.
Abstand zu anderen Menschen
Während der ganzen Zeit hielt sie sich konsequent von anderen Menschen fern, auch von ihren Schwiegereltern, die mit auf dem Hof leben. Eine Ausnahme machte sie nur bei ihren Kindern und ihrem Mann. „Ich habe meine Kinder weiterhin in den Arm genommen“, sagt sie. Das sei schließlich ihre Familie. Vielleicht war das leichtsinnig. Inzwischen hat sich aber gezeigt, das sie weder ihren Mann noch die Kinder angesteckt hat.
Kurz vor Ablauf der festgesetzten Quarantäne meldete sich das Gesundheitsamt erneut bei Birgit Merscher. Die Mitarbeiterin erkundigte sich, ob sie noch Symptome habe. Denn um die Quarantäne aufzuheben, muss der Patient mindestens 48 Stunden symptomfrei sein. Das war bei ihr zum Glück der Fall.
Erschreckende Reaktionen von Mitmenschen
Während der Zeit der Quarantäne riefen viele Freunde an, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Birgit Merscher hat aber auch negative Erfahrungen gemacht. So warf ihr ein Nachbar vor, dass er nicht informiert worden sei, dass sie an Covid-19 erkrankt ist. „Dabei habe ich gar keinen näheren Kontakt zu ihm gehabt“, wundert sich die Landfrau. Es gab auch andere, die – wie sie findet – übertrieben panisch reagierten, als sie von ihrer Infektion erfuhren. „Da gibt es noch viel Unwissenheit“, vermutet sie als Ursache für solche Reaktionen. Schließlich war sie die erste im Ort, die sich mit Corona infiziert hat. Diese Tatsache verstärkte das ungute Gefühl in ihr, dass über sie geredet wurde. „Wenn es mir schon so erging, was macht dann ein AIDS-Kranker durch?“ fragt sie sich.
Immun gegen das Virus
Heute geht es der jungen Mutter zum Glück wieder gut. Auch ihr Geruchs- und Geschmackssinn funktionieren wieder. Durch die Erkrankung ist sie nun - zumindest für eine gewisse Zeit - immun gegen das Coronavirus. „Wenn jetzt ein Mitarbeiter ausfällt, dann kann ich den Laden am Laufen halten“, zieht sie ein positives Fazit. Das Gerede der Leute sieht sie inzwischen gelassen. „Vielleicht drucke ich mir ein T-Shirt mit der Aufschrift: Ich bin immun!“, witzelt sie.