Einem alkoholkranken Menschen ist nicht damit geholfen, wenn die Angehörigen seine Sucht decken. Zu einer Veränderung des Suchtverhaltens gehören die Akzeptanz der Erkrankung sowie eine ehrliche Auseinandersetzung mit allen Folgen.
Eine Alkoholsucht entwickelt sich schleichend und über viele Jahre. Es ist schwer zu sagen, wer besonders gefährdet ist. „Oft handelt es sich um Menschen, die nicht gelernt haben, mit Emotionen umzugehen“, sagt Michaela Faber, Leitende Psychologin an der Median Klinik Tönisstein in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Viele haben von klein auf den Alkohol als Problemlöser kennen gelernt. „Da hat vielleicht die Oma bei Problemen gesagt, ,Wir machen erst mal einen Eierlikör auf‘“, nennt sie ein Beispiel.
Merkmale einer Sucht
In der Regel sind es die Angehörigen, die bemerken, dass der Alkoholkonsum eines nahestehenden Menschen außer Kontrolle geraten ist. Aber wann liegt tatsächlich eine Sucht vor? Dazu gibt es eine internationale Klassifikation, die sechs Krankheitssymptome benennt:
- Starker Wunsch oder Zwang, eine Substanz zu konsumieren,
- Verlust der Kontrolle darüber, wann und wie viel man trinkt,
- Weitertrinken, obwohl die Sucht bereits schwere gesundheitliche oder soziale Konsequenzen hat,
- Toleranzentwicklung: Es werden immer größere Mengen gebraucht, um den gleichen Effekt zu erzielen.
- Entzugserscheinungen,
- Vernachlässigen von Aktivitäten und Pflichten.
„Wenn mindestens drei dieser Kriterien über einen Zeitraum von einem Jahr erfüllt sind, handelt es sich um eine Abhängigkeitserkrankung“, erklärt Oliver Kreh, Leitender Psychologe an der Median Klinik Tönisstein.
Besorgten Angehörigen rät der Experte, das Gespräch zu suchen. Sie sollten dabei das Konsumverhalten möglichst konkret ansprechen. Es hilft wenig, dem Partner vorzuwerfen: „Du bist ein Alkoholiker“. Besser ist es ihm zu sagen, dass man sich um ihn sorgt. „Zeigen Sie ihm auch, welche Folgen sein Verhalten für Sie hat“, rät Oliver Kreh. So kann eine Ehefrau ihren alkoholkranken Mann beispielsweise auf eine konkrete Situation hinweisen und ihm sagen: „Da hätte ich dich gebraucht. Aber du warst mir keine Hilfe.“
Gut gemeinte Fürsorge …
Bis es so weit ist, neigen jedoch viele Angehörige dazu, den alkoholkranken Menschen in seinem Suchtverhalten entlasten zu wollen. Dabei geht es ihnen oft darum, nach außen den Schein zu wahren. Wenn beispielsweise die Frau nicht zur Arbeit gehen kann, weil sie einen Rausch hat, meldet der Ehemann sie krank.
„Für die Sucht ist ein solches Verhalten eine aufrechterhaltende Bedingung“, sagt Oliver Kreh. Es unterstützt den Kranken in seiner Sucht. Besser ist es, die Person die Auswirkungen ihres Verhaltens spüren zu lassen. Erst wenn ein Suchtkranker die Konsequenzen spürt, kann sich die Bereitschaft zur Veränderung entwickeln. Konkret bedeutet das für die Angehörigen, dass sie nicht für ihn lügen, ihn nicht vor anderen entschuldigen und nichts für ihn erledigen, was er aufgrund seines Alkoholkonsums nicht selbst schafft.
Von Vorteil ist es, wenn der Alkoholkranke ein attraktives Ziel hat, das nur zu erreichen ist, wenn er die Sucht beendet. Ein guter Grund ist beispielsweise, die Partnerschaft zu retten. „Häufig stellen wir auch Enkelentzug als Motivation für eine Therapie fest“, nennt Michaela Faber ein weiteres Beispiel. Denn nicht selten wird Alkoholkranken der Kontakt zu den Enkeln untersagt.
Hilfe für Angehörige
Angehörigen rät Oliver Kreh, sich Hilfe zu suchen, zum Beispiel bei einer Suchtberatungsstelle. „Dort bekommen nicht nur die Kranken selbst, sondern auch die Angehörigen Unterstützung“, sagt er. Hilfreich ist es darüber hinaus, sich einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Suchtkranken anzuschließen. „Das ändert zwar nicht direkt etwas am Suchtmittelkonsum der Betroffenen, aber es hilft den Angehörigen, damit umzugehen“, erklärt der Psychologe. Im besten Fall bewirkt es jedoch auch etwas bei dem Suchtkranken, wenn sich der Partner aktiv Hilfe sucht.
Ist der Kranke bereit, etwas gegen seine Sucht zu tun, sollte er sich an seinen Hausarzt oder an eine Suchtberatungsstelle wenden. Sofern eine körperliche Abhängigkeit vom Alkohol besteht, muss zunächst eine Entgiftung erfolgen. Erst danach und nachdem ein Antrag von der Rentenkasse genehmigt wurde, ist eine Aufnahme in einer Reha-Einrichtung wie der Median Klink Tönisstein möglich.
Das Leben nach der Therapie planen
Der Aufenthalt hier dauert in der Regel acht Wochen. In dieser Zeit müssen sich die Suchtkranken ihrer Sucht und den Konsequenzen stellen. In Kurzvorträgen, Einzel- und Gruppengesprächen sowie weiteren therapeutischen Maßnahmen lernen sie, damit umzugehen und bekommen Hilfestellung für das Leben nach der Sucht.
Auch die Angehörigen werden in die Therapie einbezogen. Wichtig ist beispielsweise, dass sie gemeinsam planen, wie es danach weitergehen soll. „Wir machen dafür keine festen Vorgaben“, sagt Oliver Kreh. Es wäre zum Beispiel wünschenswert, wenn der Haushalt künftig strikt alkoholfrei ist, nennt er ein Beispiel. Die Partner können aber auch etwas anderes vereinbaren.
Rückfallrisiko besteht lebenslang
Nach der Reha erfolgt in der Regel für ein halbes Jahr eine ambulante Nachsorge über die Rentenkasse. Zusätzlich ist es sinnvoll, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen, denn die Gefahr eines Rückfalls besteht ein Leben lang. „Das kann auch noch nach 20 Jahren passieren“, stellt Michaela Faber fest. Zahlen dazu,
wie hoch die Rückfallquote ist, liefern die routinemäßig durchgeführten Nachbefragungen des Fachverbandes Sucht: Ein Jahr nach einer stationären Rehabilitation von 8 bis 16 Wochen leben zwischen 40 und 50 % aller Behandelten abstinent. Das Risiko für einen Rückfall sinkt, je mehr sich die Alkoholkranken mit der Sucht beschäftigen etwa durch den Besuch der Nachsorge oder einer Selbsthilfegruppe. Wichtig ist deshalb, die Reha planmäßig abzuschließen und sich auch danach Hilfe zu holen.
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