Pflanzenkunde

Herbarium Münster: Wo jede Blüte zählt

MSTR –das Kürzel kennen Pflanzenkundler in aller Welt. Dahinter steckt das Herbarium des Naturkundemuseums Münster. Bernd Tenbergen hütet hier jedes Blatt und die Geschichten Tausender Sammler.

Andächtig blättert Dr. Bernd Tenbergen in einer Mappe, die in einem Archivkarton liegt. Bei einem Bogen aus dem Jahr 1919 hält er inne. Eine gepresste, zierliche Pflanze mit kleinen runden Blättern und glockenförmigen Blüten bedeckt das Blatt. Es ist ein Moosglöckchen. „Die Pflanze ist in Skandinavien heimisch und verweist in ihrem botanischen Namen Linnaea borealis auf Carl von Linné, den berühmten schwedischen Botaniker. Ihm verdanken wir die bota­nische Namensgebung und Systematik der Pflanzen“, schwärmt der Mitarbeiter des LWL-Naturkundemuseums Münster.

Carl von Linné als Vorbild

Mit den lateinisierten Namen, die Carl von Linné im 18. Jahrhundert entwickelte, verständigen sich Pflanzenkundige bis heute über Ländergrenzen hinweg. Was den Botaniker Linné antrieb, nämlich Ordnung und Übersicht im Pflanzenreich zu schaffen, bewegte damals auch andere Naturliebhaber. Sie liefen kilometerweit durch die freie Natur und reisten um die ganze Welt. Ihre Mission: Neue Pflanzen finden, ihre Fundorte notieren und die Arten für die Nachwelt aufbewahren. „Das waren Gelehrte, Lehrer, Mediziner und Apotheker, aber auch Förster, Imker und natürlich wohlhabende Adelige“, erklärt Bernd Tenbergen.

Die erste Sammlung getrockneter, gepresster Pflanzen mit der Bezeichnung „Flora von Westfalen“ wurde 1893 vom evangelischen Theologen Conrad Beckhaus aus Höxter veröffentlicht. Sein großes dazugehöriges Herbarium ist in Münster erhalten geblieben. „Diese Sammlung ist bis heute hervorragend“, ordnet Tenbergen ein. Denn sorgfältig angelegte und fachgerecht gelagerte Herbarien halten im Prinzip unbegrenzt.

Das Anlegen von Herbarien wurde im 19. und 20. Jahrhundert zum regel­rechten Wettbewerb: Wer hat die meisten Herbarbögen? Wer ­besitzt besonders seltene Pflanzen? „Gutsituierte Pflanzenliebhaber konnten damals sogar einem Tauschverein beitreten. Sie finanzierten mit ihren Zahlungen botanische Exkursionen in ferne Länder und bekamen im Gegenzug exotische...