Wer die ehemalige Tankstelle an der Löninger Straße ansteuert, weiß genau, was er will. Manchmal haben die Kunden einen sehr speziellen Wunsch.
Draußen stapeln sich Eimer, Schaufeln und Seile in Rollcontainern, doch stöbern tut hier meist niemand. Der Weg führt direkt auf die behelfsmäßig aus Paletten errichtete Verkaufstheke zu.
Kunden sind treue Käufer
Das ist der Wirkungsort von Nicki Spils, Franz’ Sohn, der mittlerweile die Geschäfte führt. Seit Corona findet der Verkauf nur noch draußen statt.
Einer der ersten Kunden an diesem Morgen ist Peter Brandt. Der Cloppenburger stellt den mitgebrachten Eimer auf die Theke, er benötigt Herbstdünger für seinen Garten. Nachdem Nicki Spils den Eimer im rückwärtigen Tankstellengebäude aufgefüllt hat, entspinnt sich zwischen den beiden ein Gespräch über Sportplatzpflege. Dann wirft Brandt Spils zum Bezahlen sein Portemonnaie herüber: „Nimm 10 € raus“, bestimmt er. Das bedeutet für Spils 2 € Trinkgeld. Die beiden kennen sich schon lange. Als Brandt geht, wünscht er Spils noch ein gutes Geschäft.
Das lässt nicht lange auf sich warten, wenngleich es im Oktober vergleichsweise ruhig zugeht. „In der Hochsaison haben wir an einem Samstag in fünf Stunden schon mal 250 Kunden“, erzählt Spils. Eine Mutter fährt mit ihrer Tochter vor, sie möchten Sicherheitsschuhe kaufen, denn für die Tochter steht ein Praktikum im Baumarkt an. Spils stellt zwei Kartons auf die Theke: ein Paar im herkömmlichen Arbeitslook, ein anderes im eher modernen Sneakerstil. Nachdem die Entscheidung getroffen ist, fragt die Mutter nach Mäusegift. Der Kater habe ein Exemplar angeschleppt, erzählt sie und verzieht dabei das Gesicht. Ratten- und Mäuseköder sowie -fallen sind bei Spils im Herbst immer sehr gefragt.
Während des Verkaufsgesprächs haben sich schon Georg und Daniel Meyer-Honkomp in Stellung gebracht. Sie wohnen 14 km entfernt und haben ein Problem mit dem unsichtbaren Elektrozaun, der den Resthof umgibt. „Der Hund haut trotzdem ab“, beklagt Vater Georg. Das Duo kauft seit den 70er-Jahren bei Spils’ ein. „Er kann dir immer weiterhelfen“, begründet Georg. Damit Golden-Retriever-Hündin Lotta zukünftig auf dem Hof bleibt, geht Nicki Spils derweil auf die Suche nach dem Defekt und testet erst einmal die Batterien. Doch daran liegt es nicht. „Der Empfänger ist kaputt“, erläutert Spils schließlich und setzt die Batterie in ein neues Halsband ein.
Spils weiß immer einen Rat
Währenddessen verlässt ein weiterer Kunde die ehemalige Tankstelle mit zwei Kanistern Desinfektionsmittel. Gut, dass Spils von seinem Neffen Lukas unterstützt wird, der bei ihm die Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann absolviert. Spils beschäftigt noch zwei weitere Mitarbeiter.
Zeit, mir etwas über seinen Betrieb zu erzählen, hat Nicki Spils auch danach kaum. Die Kunden geben sich die nicht vorhandene Klinke in die Hand. Als Nächstes stehen Andreas und Martina Lüken aus Garrel vor dem Tresen. „Meine Frau hat mich gezwungen, etwas Richtiges bei der Arbeit anzuziehen“, witzelt Landwirt Lüken. Bislang sei er meist in Jeans in den Stall gegangen. „Weite 32 und 34er Länge“, urteilt Spils mit Kennerblick. Kurz darauf drapiert er fünf Arbeitshosen auf den Paletten und erläutert die Details. „Olive sieht top aus“, meint Spils. „Das kommt auf den Träger an“, antwortet Lüken augenzwinkernd.
Ehefrau Martina interessiert sich jedoch mehr für die Details zur Wäsche. Schließlich probiert Lüken noch Jacken an. „Die trägst du erst für Best und dann im Stall“, meint seine Frau. So werden schließlich zwei Hosen und zwei Jacken eingekauft, auf Rechnung. Barverkäufe, so erläutert Spils später, gebe es bei Landwirten kaum noch. Er reicht Martina Lüken zum Abschied noch ein Paket herüber. „Kannst du das mitnehmen?“, fragt er. Lüken, die beim Schlachthof Goldschmaus arbeitet, übernimmt die Lieferung für ihren Arbeitgeber gerne.
Der Hit: Viehzeichenspray
Etwa 15.000 Artikel lagern bei Spils’ draußen oder in der bis an die Decke vollgepackten Tankstelle. Überdacht verfügt Spils über 250 m2. Die drei gefragtesten Verkaufsartikel sind Viehzeichenspray, Desinfektionsmittel sowie Handschuhe und Sicherheitsbekleidung. Was überrascht: Auch Gutscheine sind der Renner. An diesem Vormittag gehen sie stündlich über den Tisch.
Manchmal kann Spils jedoch nicht weiterhelfen. Ein Anrufer sucht nach einem Ofenrohr. „Hab ich nicht da“, erklärt Spils kurz, aber freundlich. Was er hingegen durchaus verkauft, sind Zahnschleifer für Pferde. Diese umgebauten Bohrmaschinen repariert er nötigenfalls auch. Sogar in den Iran hat Spils diese schon verschickt. Ansonsten nimmt er jedoch vom Verkauf elektrischer Maschinen Abstand: „Dabei ist die Marge zu klein“, begründet er. Die außergewöhnlichste Lieferung erfolgte bislang nach Paraguay. Der Kollege eines Cloppenburger Tierarztes ist dorthin ausgewandert. Spils schickte ihm zehn Geburtshelfer für Rinder nach Übersee.
Draht ist nicht gleich Draht
Während an diesem Vormittag immer wieder Kunden eintrudeln und Dünger oder Mäusefallen wegtragen, fährt Christof Rippe aus Grönheim vor. „Ich habe gestern Weidezaunpfähle für meine Rinderweide gekauft, aber den Draht vergessen“, bringt er seinen Wunsch vor. Rippe möchte Litzen mit viel Draht, woraufhin Spils die Vorzüge verschiedener Artikel erläutert. Rippe entscheidet sich schließlich dazu, zwei Litzen zu kombinieren.
Auch eine ältere Dame in zerschlissenen Hosen tritt vor die Theke. Sie benötigt Pferdesalbe. „Aber mit Wirkstoff“, macht sie deutlich. „Die darf nur noch der Tierarzt verkaufen“, erklärt ihr daraufhin Lukas Spils. „Haben Sie nicht vielleicht noch einen kleinen Rest?“, beharrt die Dame. Doch Lukas schüttelt nur den Kopf.
Nicki Spils muss sich derweil auf einen Anruf konzentrieren und entwirft mit groben Strichen eine Skizze auf Papier. Bei der Flüssigfütterung im Schweinestall soll ein Bypass für eine Dosieranlage dazwischengesetzt werden. „Verbaut wurde ein eher unübliches 22er-Rohr“, erläutert Spils mir später. Dem Anrufer verspricht er aber, in den nächsten Tagen Montagezubehör zu beschaffen.
Nicki Spils sprudelt nur so vor guter Laune und Tatkraft. „Ich bin in jeder Hinsicht frei“, erklärt er. So könne er einkaufen, was er für richtig halte und auch unabhängig den Verkaufspreis dafür bestimmen. Zu werben braucht er für seinen Supermarkt nicht.“ Das übernehmen die Kunden für uns“, sagt Lukas Spils.
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