Die Hersteller von Laborfleisch versprechen, „Clean Meat“, also „sauberes Fleisch“ zu produzieren. Besser für Umwelt, Gesundheit und Tiere soll es sein. Letzterem kann – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – noch nicht vollumfänglich zugestimmt werden. Doch wie sieht es mit den anderen beiden Versprechen aus: der Umwelt und der Gesundheit?
Treibhausgase, Energie und Land
Eines vorweg: In-vitro-Fleisch wird derzeit noch nicht in industriellen Mengen produziert. Um seine Umweltbilanz zu fassen, wird daher mit Szenarien gearbeitet. Eine sichere Aussage zu den Umweltauswirkungen von In-vitro-Fleisch lässt sich daher nicht treffen – wohl können aber Anhaltspunkte und Tendenzen abgeleitet werden. Die aktuelle Studienlage hat zum Beispiel das Umweltbundesamt zusammengefasst.
Die Kurzfassung: Dass Laborfleisch auf jeden Fall klimafreundlicher als „konventionelles“ Fleisch ist, lässt sich pauschal so nicht sagen. Ältere Studien gehen zwar von einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mehr als 75 % aus. Nach neueren Studien werden durch Laborfleisch hingegen ähnliche Mengen an Treibhausgasen produziert wie bei konventionellem Schweine- und Hühnerfleisch. Manche Studien gehen sogar von mehr Treibhausgasen aus. Gegenüber Rindfleisch hätte In-vitro-Fleisch jedoch Vorteile.
Mehr oder weniger Energie?
Schlechter als die konventionelle Fleischproduktion schneidet das Laborfleisch in der Zusammenstellung des Umweltbundesamtes auch beim Energieverbrauch ab. Silvia Woll, Forscherin am Karlsruher Institut für Technologie, geht hingegen davon aus, dass die Energiebilanz von In-vitro-Fleisch gegenüber der Tierhaltung günstiger ist – gegenüber einer pflanzlichen Ernährung ist sie hingegen klar im Nachteil. Sie sagt: „Es muss immer mehr Energie in Fleisch hineingesteckt werden, als wir herausbekommen – ob nun aus dem Reaktor oder dem lebenden Tier.“
Punkten kann Laborfleisch dagegen beim Landverbrauch. Da hat es eine bessere Bilanz als die konventionelle Konkurrenz.
Weniger Keime, weniger Krankheiten
Fest steht: Ein zu hoher Fleischverzehr erhöht unter anderem das Darmkrebsrisiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Bluthochdruck – egal, ob das Fleisch im Tier oder Reagenzglas gewachsen ist. Die Verbraucherzentrale weist aber darauf hin, dass die Anzahl an Krankheiten, die von Tieren sowie durch den Verzehr von tierischen Lebensmitteln auf den Menschen übertragen werden, durch Laborfleisch zurückgehen könnte. Denn die Herstellung im Labor dürfte weniger keimanfällig sein. Auch dürften im Labor weniger Antibiotika eingesetzt werden, was wiederum resistenten Krankheitserregern entgegenwirken könnte.
Darüber hinaus könnte das Laborfleisch mit zusätzlichen Nährstoffen wie etwa Vitaminen oder Omega-3-Fettsäuren angereichert werden, die einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben sollen. Inwieweit zugesetzte Nährstoffe aber tatsächlich auch einen gesundheitlichen Mehrwert bieten, ist wissenschaftlich fraglich.
Pflanzliche Alternativen gewinnen an Relevanz
Und wir bleiben auch weiter im Konjunktiv: Da es beim Herstellungsprozess von Laborfleisch zu keinem direkten Kontakt mit Tieren kommt, könnte die Gefahr von Zoonosen reduziert werden – nach mehr als zwei Corona-Jahren ein schlagkräftiges Argument. Ansteckende Krankheiten könnten aber im fetalen Kälberserum stecken. Eine pflanzliche Alternative gewinnt demnach auch aus gesundheitlichen Gründen an Relevanz.
Wesjohann spielt mit
Peter Wesjohann, Chef des niedersächsischen Lebensmittelunternehmens Lohmann & Co. AG, besser bekannt unter der Marke „Wiesenhof“, denkt bereits darüber nach, eine Fabrik für künstliches Fleisch zu errichten. Das berichtete im Juni die „Neue Osnabrücker Zeitung“. Demnach fordert Wesjohann von der EU, den Verkauf von In-vitro-Fleisch zu erlauben. Den Zeitpunkt der Marktreife konnte Wesjohann nicht angeben. „Aber es wird kommen, und das sicher schneller, als wir denken.“ Er warnte davor, dass Europa bei dieser technologischen Entwicklung gegenüber den USA und Asien nicht den Anschluss verliert.
Der Wiesenhof-Mutterkonzern PHW ist am israelischen Unternehmen „Supermeat“ beteiligt. Es gewinnt Zellen aus Hühnereiern und züchtet daraus Fleisch. Außerdem ist Wesjohann nach eigenen Angaben an einem Unternehmen beteiligt, das den 3-D-Druck weiterentwickelt. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass in der Fleischproduktion der Zukunft das Steak von so einem Gerät quasi ausgedruckt wird.“
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