Leise surrt das Smartphone irgendwo zwischen Jacke und Pullover. Die Hand zuckt, ein Blinzeln geht in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist. Dann folgt die große Frage: Schaue ich nach oder nicht? Digitale Medien, wie Smartphones, sind Alltagsbegleiter geworden, in passenden, wie unpassenden Momenten. Fast jeder Erwachsene in Deutschland besitzt ein Smartphone. Doch ab wann sollte es in Kinderhände gelangen? Können Medien Kindern helfen oder schaden sie der Entwicklung?
Mit diesen Fragen hat sich Peter Köster, Studiendirektor aus der Eifel, beschäftigt. Er hält Vorträge über die „Generation Smartphone“ und möchte Eltern und Lehrern Tipps für den richtigen Umgang mit den digitalen Alleskönnern geben. Eingeladen hatte ihn das Junge Forum der Kreislandfrauen Coesfeld am Mittwoch vergangener Woche - natürlich digital.
Fernsehen für Kleinkinder?
Köster macht zu Beginn seines Vortrags klar: Die Ansichten zum Medienkonsum sind ebenso vielfältig wie konträr. Für einige Forscher führt Mediennutzung zu einer Art „digitalen Demenz“ und ist für Kinder und Jugendliche nicht geeignet. Andere Wissenschaftler empfehlen, Kinder so früh wie möglich an die Geräte heranzuführen. Am besten schon auf dem Töpfchen. Peter Köster lehnt beide Extreme ab. „Das Homeschooling hätten viele Kinder und Jugendliche ohne gewisse Medienkompetenzen nicht so gut überstanden“, stellt er fest. Allerdings seien vor allem die kognitiven Fähigkeiten bei Kleinkindern noch nicht ausgereift. Da könne Medienkonsum zum Problem werden. „So ist das zweijährige Kind, das ruhig vorm Fernseher zu sitzen scheint, deshalb nicht innerlich ruhig. Im Gegenteil: Auch Kinderfilme, wie Bambi, lassen die jungen Gehirne heiß laufen“, erklärt Köster. Der Grund dafür ist eine wesentlich langsamere Verarbeitung der Eindrücke. Der Fernseher sendet unzählige Reize, die die kleinen Köpfe nicht alle verarbeiten können, es aber stetig versuchen. Vor allem wenn Kinder allein fernsehen sind sie häufig emotional überfordert. Der Appell von Köster an die Eltern: „Setzt euch mit dazu!“
Cowboys und “Indianer“
Und wie ist es bei Jugendlichen? Ein eigenes Handy empfiehlt Köster grob ab 12 Jahren. In Stein gemeißelt ist diese Zahl aber nicht: Wichtiger noch sei das Vertrauen ins eigene Kind und Verständnis, auch bei Unverständnis. Wie ist das zu verstehen?
Zur Erklärung nutzt Köster das Bild von „Cowboys und Indianern“. (Anm. der Redaktion: Köster weist darauf hin, dass das Wort “Indianer“ politisch nicht korrekt ist, nutzt es aber zur Veranschaulichung.) Im Jahr 1998 hatten 8 % der 12- bis 19-Jährigen ein eigenes Handy, 2002 waren es schon 82 %. Alle Menschen, die ab dem Jahr 1995 geboren sind, nennt man deshalb „digital natives“, also digitale Eingeborene - oder “Indianer“, in Kösters Sprachbild. Alle vorherigen Generationen bezeichnet er als “Cowboys“. Wie schon bei Winnetou haben die „Indianer“ eine eigene Sprache und eigene Kommunikations- und Verhaltensweisen. Das ist für die Cowboys oftmals unverständlich. Aus Angst reiten sie ihnen hinterher, um die Kontrolle zu behalten. „Die Kontrolle haben sie nicht“, macht der Studiendirektor klar.
Etwas Einfluss können Erwachsene trotzdem nehmen. Ihnen wohnt auch als Cowboys eine Vorbildfunktion inne. Statistiken zeigen auf, dass Kinder von Menschen, die sehr viel Zeit mit dem Smartphone verbringen, ein wesentlich höheres Handynutzungsbedürfnis haben. Somit greifen diese selbst häufiger zum Handy. Außerdem sind das Selbstwert- und das Sicherheitsgefühl des Kindes im Gruppengefüge entscheidend. Hat das es eher das Gefühl, es darf nichts verpassen, um dazu zu gehören, fällt es wesentlich schwerer, eine Nachricht fünf Minuten unbeantwortet zu lassen. Dabei ist der Gruppendruck, dem die meisten “Indianer-Kinder“ ausgesetzt sind, für die Elterngeneration nicht leicht nachvollziehbar. Helfen können sie vor allem durch offene Dialoge und klare Regeln.
Raus statt aus!
Bei der Anschaffung eines Smartphones kann ein „Handyvertrag“ helfen, den Eltern und Kinder aushandeln. Feste Zeiten, die Frage, wofür das Kind das Handy nutzen möchte und Regelungen in Bezug auf Hausaufgaben und Schlaf sollten besprochen werden. Köster weiß: „Raus statt Aus“, ist dabei ein guter Tipp. Liegt das Gerät nicht im gleichen Raum, ist die Versuchung weniger groß es zu benutzen als bei einem ausgeschalteten Gerät. Für die Konzentration ist das wichtig: Studien beweisen, dass ein Mensch 15 Minuten braucht, um sich voll auf etwas konzentrieren zu können. Der Zeitraum, indem das Smartphone bei Jugendlichen zur Aktion kommt, liegt durchschnittlich darunter. Das Gehirn bettelt darum, aufs Telefon zu schauen, um sich nicht konzentrieren zu müssen.
Darüber hinaus können Vereinbarungen mit anderen Eltern und Lehrern helfen. Denn nicht die Kinder sind dafür verantwortlich, in welchem Alter sie Zugang zu Medien erhalten, sondern die Erwachsenen. Eine Absprache im Elternkreis der Klasse kann dafür sorgen, dass, zumindest im Grundschulalter, der Mediendruck untereinander geringer ist, weil Handys zuhause bleiben.
Hilfe bei Cybermobbing & co
Haben Jugendliche Probleme im Internet, ist es wichtig, ihnen Möglichkeiten an die Hand zu geben, sich selbst Hilfe zu suchen. Der Referent empfiehlt die Internetseite Juuuport.de. Sie soll bei Problemen, wie Cybermobbing oder gar Pornografie im Internet helfen. Hinter der Hilfswebsite steckt kein Computer, sondern ehrenamtliche Jugendliche, die Vieles selbst erlebt haben.
Nützliche Internetseiten:
www.juuuport.de
www.klicksafe.de
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