Mehr als 700 Apotheken haben in Nordrhein-Westfalen im zurückliegenden Jahrzehnt ihre Türen geschlossen, davon 354 allein in Westfalen-Lippe. Das ist eines der Kernergebnisse einer Studie, die die beiden Apothekerkammern Westfalen-Lippe (AKWL) und Nordrhein (AKNR) in Auftrag gegeben haben. Durchgeführt wurde die Untersuchung vom Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln. Demnach gibt es – Stand Ende 2022 – in NRW 3804 öffentliche Apotheken.
Das Apothekensterben ist dabei unterschiedlich verteilt: Allein in Westfalen-Lippe haben 354 Apotheken „dichtgemacht“: 77 in Ostwestfalen-Lippe, 90 im Münsterland und sogar 187 im Regierungsbezirk Arnsberg.
Ein Grund zur Sorge?
Zum Gesamtbild zählen aber auch diese Ergebnisse:
- Die Dichte der Apotheken in Nordrhein-Westfalen liegt im Bundesdurchschnitt.
- Nach wie vor verfügen alle 396 Kommunen und kreisfreien Städte in NRW über mindestens eine Apotheke.
- Vom Rückgang der öffentlichen Apotheken sind die einzelnen Kreise und Kommunen unterschiedlich stark betroffen. Zu deutlichen Versorgungslücken hat dies bislang nicht geführt.
- Je nach Bewertungsmaßstab offenbaren sich einzelne weniger gut versorgte Gebiete mit mangelnder fußläufiger Erreichbarkeit bzw. erhöhter Abhängigkeit vom Auto oder anderen Verkehrsmitteln.
- Für die Schließung von öffentlichen Apotheken in den vergangenen zehn Jahren nennt die Studie vor allem diese Gründe:
- Die Besitzer und Besitzerinnen waren oftmals älter als im Durchschnitt.
- Ihre Apotheken waren häufiger kleiner in Bezug etwa auf Umsatz und Zahl der Beschäftigten.
- Die Apotheken waren häufiger in kaufkraftschwächeren Gegenden angesiedelt und starkem Wettbewerb ausgesetzt.
- Mit 52 % schlossen überdurchschnittlich häufig Apotheken in Großstädten. In weniger zentralen Orten bzw. in ländlichen, strukturschwachen Gebieten ist der Grund für Apothekenschließungen weniger die Wettbewerbssituation. Vielmehr sind es hier Nachfolgeprobleme, eine mangelnde Kaufkraft bzw. Nachfrage und eine geringere Ärztedichte.
Wie gut ist das Versorgungsnetz?
In den vergangenen zehn Jahren ist auch die Tendenz zur „Ein-Apotheken-Kommune“ gestiegen. Etwa jede zehnte Gemeinde – das sind 41 Kommunen – hatte 2022 nur noch eine Apotheke. Diese ist in der Regel besonders relevant für die Versorgung der Menschen dort. In Borchen im Kreis Paderborn versorgt die einzige verbliebene Apotheke 13 530 Einwohner, in Welver im Kreis Soest versorgt die eine Apotheke des Ortes 11 750 Einwohner (siehe Übersicht „Apothekendichte in Westfalen“).
Zum Vergleich: Im gesamten Kreis Soest gibt es 58 Apotheken, die im statistischen Durchschnitt rund 5210 Einwohner versorgen. Und noch ein Vergleich: In der Gemeinde Lienen im Kreis Steinfurt versorgen drei Apotheken statistisch jeweils rund 2900 Menschen.
Das IFH Köln führte auch eine Onlinebefragung unter rund 2400 Kundinnen und Kunden im Alter zwischen 18 und 75 Jahren durch. Zwei Drittel bestellen viel online, gehen bei Arzneimitteln jedoch lieber in die Apotheke vor Ort.
Weitere Ergebnisse der Apotheken-Studie für NRW
● 2022 wurden in öffentlichen Apotheken knapp 5 % mehr Pharmazeuten eingesetzt als 2012.
● Die Apothekenbesitzerinnen und -besitzer sind im Durchschnitt 53 Jahre alt.
● Finanzielles Risiko, Bürokratie, Arbeitsbelastung und unsichere Rahmenbedingungen sind die häufigsten Hinderungsgründe für die Übernahme einer Inhaberschaft.
● Die Leitung einer Filiale wird zu 74 % von Frauen übernommen. Dennoch sind Frauen in der öffentlichen Apotheke mit 74 % deutlich häufiger angestellt als Männer.
● Die Zahl der Studienanfänger ist weitgehend stabil.
● Pharmazeutische Nachwuchskräfte schlagen zunehmend andere Berufswege abseits der öffentlichen Apotheke ein.
Für die nächsten Jahre wird ein Fachkräftemangel in Apotheken vorhergesagt. Er lässt sich voraussichtlich nicht ausgleichen, insbesondere nicht in strukturschwachen ländlichen Gebieten.
Das sagt die Bevölkerung
Nur 1 % der Befragten hat Probleme, eine Apotheke zu erreichen. Über 80 % der Befragten haben mindestens zwei Apotheken in Reichweite. Über 90 % bewerten die Versorgungssituation derzeit positiv. Eine Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke von maximal 2,7 km wird im NRW-Durchschnitt akzeptiert. Tendenziell liegt die akzeptabele Distanz im kleinstädtischen Bereich bei 3,5 km. Die Toleranz hinsichtlich der maximalen Entfernung zur nächstgelegenen Apotheke sinkt dabei mit dem Alter – besonders deutlich ab 70 Jahren – sowie der Apothekendichte vor Ort.
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