Negativzinsen: Früher war mehr Lametta – und die Hausbank netter… - schreibt Finanzökonom Hartmut Walz, Professor an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein, in seinem neusten Blog-Beitrag. Gewürzt mit einer Prise schwarzem Humor geht es um das aktuelle Thema Negativzinsen, oder wie es im Finanzjargon heißt, "Verwahrentgelt". Der Autor betreibt kein "Banken-Bashing". Der Anlass für seinen Blog-Beitrag sind ratlose Bank- und Sparkassenkunden. "In den vergangenen Monaten häufen sich bei mir Klagen von Bankkunden über extrem hartes Vorgehen ihrer Hausbanken. Zuerst dachte ich, es seien Einzelfälle von Finanzhäusern, denen es besonders schlecht geht", nennt er die Gründe. Aber das sind keine Einzelfälle! Was Sie tun können, erfahren Sie hier in dem Blog-Beitrag von Prof. Dr. Hartmut Walz.
"Früher war mehr Lametta - und die Hausbank netter ..."
Es war einmal, da gab es auf Fest- und Tagesgeldkonten und sogar Sparbüchern noch Zinsen. Wenn man der Bank oder Sparkasse sein Geld geliehen hat, bekam man dafür eine „Prämie“ für den Konsumaufschub. Also noch ein paar Euro Zinsen zum Guthaben obendrauf. Das ist Vergangenheit. Nun kennt man den Begriff Zinsen fast nur noch im Zusammenhang mit Straf-, Negativ- oder Minus-Zinsen.
Nun möchte ich hier keinesfalls Banken-Bashing betreiben. Denn die Kreditinstitute sind unbestritten in einer sehr schwierigen Situation. Erstens ist die Nullzinswelt für sie heikel. Noch schlimmer ist aber zweitens die extrem flache Zinsstrukturkurve, die das langjährige Geschäftsmodell aller Universalbanken grundlegend bedroht. Eine solche Entwicklung war für niemanden vorhersehbar.
Negative Zinsen auf Kundenguthaben
In den vergangenen Monaten häufen sich bei mir nun die Hinweise von Bankkunden über bis dahin kaum erlebtes Gebaren ihrer Hausbanken. Zuerst dachte ich an Einzelfälle von Finanzhäusern, denen es besonders schlecht geht. Das sind keine Einzelfälle. So erheben die Banken und Sparkassen zunehmend negative Zinsen auf Kundenguthaben (und nennen es euphemistisch „Verwahrentgelte“), basteln an ausgeklügelten Gebührenmodellen und drohen nicht zuletzt mit der Kontenkündigung, sollte der Kunde:in nicht ihre Einlagen abziehen bzw. anderweitig (kostenpflichtig) umschichten.
Mittlerweile ist klar: das Klima zwischen den Banken und ihren Kunden ist insgesamt erheblich rauer und zum Teil regelrecht eisig geworden. Von den unzähligen derzeit anhängigen Klagen und Musterfeststellungsklagen von Kunden und Verbraucherzentralen usw. gegen Banken und Sparkassen ganz zu schweigen.
Geldhäuser müssen an EZB Zinsen zahlen
Seit 2014 gibt es sie – die sogenannten Strafzinsen für Finanzinstitute bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Seitdem müssen die Geldhäuser für ihre Einlagen bei der EZB Negativzinsen zahlen. Zunächst waren es minus 0,1% – mittlerweile sind es bereits minus 0,5%, welche die Finanzinstitute für Geld, das sie bei der EZB parken, zahlen müssen. Allerdings mit etlichen Ausnahmen und Freibeträgen – also keineswegs vom ersten Euro an. Diese Mindereinnahmen möchten die Banken weitergeben. Immer mehr von ihnen belasten ihren eigenen Kunden Negativzinsen.
Deutschland ist ein Land der Sparer (nicht der Investoren). Und das Sparen vollzieht sich im Geldvermögen (nicht im Sachvermögen). Neben dem Inflationsschaden, der jegliches Geldvermögen trifft, werden alle Formen von Einlagen von der Null- und Negativzinspolitik der EZB daher besonders belastet. Der Vollständigkeit halber muss man jedoch hinzufügen, dass auch risikoarme Schuldpapiere, wie z.B. die deutsche Bundesanleihe negative Renditen erzeugt – wenn auch nicht gleich minus 0,5%.
Eine immer größere Anzahl von Banken und Sparkassen erheben hierzulande Negativzinsen von Privatkunden. Wer also Guthaben auf Girokonten, Tagesgeld, Festgeld oder Sparbuch hat, muss als Kunde für sein eigenes Geld zahlen. Ein sogenanntes „Verwahrentgelt“ an die Bank entrichten. So nennen es jedenfalls die Finanzinstitute.
Die Banken drehen dabei gleich mehrfach an den Stellschrauben:
- Die Höhe der Negativzinsen beträgt derzeit meist -0,5% (also minus 0,5%), geht aber auch schon mal weiter ins Minus.
- Die Höhe der Negativzinsen kann sich staffeln – je höher die Einlage des Kunden, desto höher der Minuszins.
- Schließlich ändern die Banken die Freibeträge für die Kunden. Waren anfangs Guthaben bis zu 100.000 Euro und mehr von Negativzinsen verschont, wurde dieser Freibetrag zusehends nach unten gesenkt. Derzeit liegt er bei vielen Banken und Sparkassen bei 50.000 Euro. Nicht selten aber auch bei 25.000 Euro oder 5.000 Euro. Manche Finanzinstitute erheben aber auch bereits für alles über 0,00 Euro ein „Verwahrentgelt“.
Der Minuszins frisst sich immer tiefer in die Wirtschaft
Die Banken und Sparkassen begründen das mit dem kalten Minuszinswind, der ihnen aus Brüssel und Frankfurt entgegenbläst. Wollen sie nicht selbst hinweggefegt werden, müssen sie den ihnen von der EZB auferlegten Minuszins, im Bankendeutsch: die ihnen entstandenen zusätzlichen Refinanzierungskosten an ihre Kunden weitergeben. So ihre Argumentation.
So manches Geldhaus belastet seinen Kunden dabei freilich höhere Beträge, als es selbst der EZB zahlen muss. Denn nicht zuletzt gelten Staffelungen und Freibeträge auch zugunsten der Geldhäuser gegenüber der EZB.
Dürfen die das?
Allgemein gehen Rechtswissenschaft und Gerichte überwiegend davon aus, dass es negative Zinsen bzw. einen negativen Zinssatz grundsätzlich geben könne. Umstritten und letztlich noch nicht geklärt ist, ob und unter welchen Umständen Kreditinstitute berechtigt sind, von ihren Kunden Negativzinsen zu verlangen.
Bestandsverträge
Klar ist jedenfalls, dass Geldhäuser bei bestehenden Geschäftsbeziehungen nicht einfach durch AGB oder Preisaushang oder ähnliches negative Zinsen auf Guthaben ihrer Kunden einführen dürfen. Solche allgemeinen und pauschalen Vertragsänderungen sind unzulässig. Ein sogenanntes „Verwahrentgelt“ müsste zumindest individuell mit den Kunden ausgehandelt werden. Notwendig wäre dazu die Unterschrift des Kunden unter eine Vertragsänderung. Deshalb bearbeiten derzeit die Bank- und Sparkassenmitarbeiter ihre Kunden individuell.
Neuverträge
Sind Sie Neukunde bei einer Bank oder Sparkasse, wird der Vertrag für die künftige Geschäftsbeziehung sowieso ganz neu geschlossen – ein „Verwahrentgelt“ für Kundenguthaben wäre dort also sowieso nur ein möglicher Absatz unter vielen im Vertrag.
Verbraucherschützer klagen gegen Negativzinsen für Girokonten
Nicht klar ist, ob Negativzinsen und extra Gebühren für Kontoführung und ähnliches gleichzeitig erlaubt sind. Ob Negativzinsen für Guthaben auf Girokonten für Neukunden rechtens sind, soll übrigens gerade das Landgericht Leipzig (Az. 05 O 640/20) klären. Dort klagt seit 2020 die Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Sparkasse Vogtland. Derzeit ist das Ganze dort noch anhängig. so meine Erkundigung in der Zivilabteilung des LG Leipzig vom 11. Mai 2021.
In einem Bestandskundenfall hatte die Verbraucherzentrale Sachen jedenfalls schon einmal Recht bekommen. Das Landgericht Tübingen (Az. 4 O 225/17) hatte im Mai 2018 in seinem Urteil das Erheben von Kontoführungsgebühren und Negativzinsen bei Einlagen auf einem Girokonto im Wege eines Preisaushangs für unzulässig erklärt.
Hinweise zu Steuern und Kündigung
Steuern: Schließlich noch eine höchst ärgerliche steuerrechtliche Betrachtung: Positive Einlagezinsen (also Zinseinkünfte) haben wir Privaten zu versteuern. Demgegenüber gelten jedoch nach aktueller Rechtslage negative Einlagezinsennicht als Zinsen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Und damit nicht als Verluste, die mit übrigen Kapitaleinkünften kompensiert werden könnten. Sondern als Verwahr- und Einlageentgelt für die Überlassung von Kapital.
Und diese werden durch den Sparer-Pauschbetrag gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG bereits abgegolten und können nicht zusätzlich als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Wenn Sie dies nun nicht als gerecht und auch als völlig unlogisch empfinden, dürfen Sie darauf hoffen, dass nach ein paar Jahren Rechtsstreit, vielleicht eine Korrektur erfolgt. Ich selbst habe meinen Seelenfrieden schon seit 2007 mit der Erkenntnis gefunden, dass die Besteuerung von Kapitaleinkünften eine logikfreie Zone ist.
Kündigung: Derweil nehmen die Fälle zu, in denen Banken und Sparkassen ihren Kunden die Bankverbindung kündigen. So begann die Stadtsparkasse Düsseldorf Anfang dieses Jahres, die Konten mehrerer vermögender Kunden zu kündigen. Weil diese Kunden mit sehr hohen Guthaben auf Giro- oder Tagesgeldkonten die geforderten Negativzinsen nicht akzeptierten.
Acht hilfreiche Tipps gegen Negativzinsen
- Für Neukunden auf der Suche nach einer neuen Bankverbindung gilt: Es gibt noch immer eine große Anzahl von Anbietern, die keine Negativzinsen auf Kundenguthaben erheben.
- Für Bestandskunden gilt: Eine Bank kann wesentliche Änderungen der Geschäftsbedingungen nicht ohne die Einwilligung ihrer Kunden vornehmen. Das gilt insbesondere auch für die Erhebung möglicher „Verwahrentgelte“ auf Einlagen. Sie als Kunde müssten in jedem Falle individualvertraglich zustimmen.
- Bei diesen Verhandlungen zur Vertragsänderung drohen Banken und Sparkassen ihren Kunden nicht selten mit Kontenkündigung. Eine solche ist leider grundsätzlich möglich. Suchen Sie deshalb das Gespräch mit Ihrer Bank. Vielleicht möchte diese Sie ja gar nicht wirklich loswerden, sondern nur drohen. In jedem Falle sollten Sie vorbereitet sein und sich nach Alternativen umsehen. Wie gesagt: Es gibt noch eine große Anzahl von Banken, die keine Negativzinsen erheben.
- Verhandeln Sie mit Ihrer Bank. Zum Beispiel um die Freigrenze, bis zu der Ihre Bank von Ihnen keine Negativzinsen bzw. Verwahrentgelt erhebt. Oder um den Zinssatz bzw. die Höhe der Staffelung.
- Erwägen Sie den Abzug eines Teils Ihres Guthabens zu einer anderen Bank oder als Anlage, z.B. in einem ETF-Depot.
- Das Angebot Ihrer Bank zu einer anderweitigen Anlage Ihres Geldes sollten Sie kritisch prüfen. Oft werden neben völlig unvorteilhaften Sofortrenten und anderen Versicherungsprodukten, Zertifikaten usw. eher teure hauseigene Fonds angeboten (z.B. Deka bei Sparkassen, Union Investment bei Volksbanken, DWS bei Deutsche Bank usw.). Sprechen Sie Ihren Bankberater konkret auf kostengünstige Index-Fonds (ETFs) an – und vergleichen Sie die Kosten. Dies gilt auch für Fremdfonds.
- Die Idee eines Schließfachs zur Bargeldlagerung ist wahrscheinlich nur in seltenen Fällen hilfreich: Wenn man überhaupt noch Schließfächer bekommt, kosten diese auch etwas und der versicherbare Betrag für den eingelagerten Inhalt dürfte wohl meist zu niedrig sein.
- Alternativ bedenkenswert ist die Lagerung von Bargeld in einem eigenen Tresor (zumal uns namhafte DAX-Unternehmen diese Vorgehensweise bereits demonstriert haben).
Buchtipp: Konstruktive Crashgedanken; Einfach genial entscheiden im Falle einer Finanzkrise von Hartmut Walz. ISBN 978-3-648-13758-1, 321 Seiten, 19,95 €. Haufe-Verlag.