Blauzungenvirus

BTV-3: NRW ist Sperrgebiet

Im Kreis Kleve ist die Infektion bei einem Schaf mit dem Virus der Blauzungenkrankheit (BTV) nachgewiesen. Weitere Verdachtsfälle werden untersucht. Was bedeutet das für Tierhalter und Handel?

Das Blauzungenvirus hat NRW erreicht. Bei einem Schaf auf dem Rheindeich im Kreis Kleve wurde vergangene Woche der Verdacht einer Infektion mit der Blauzungenkrankheit des Serotypen-3 (BTV-3) bestätigt. Weitere Verdachtsfälle werden untersucht. NRW verliert damit seinen Freiheitsstatus und wird komplett zur Restriktionszone für BTV-3. Es dürfen bis auf Weiteres keine Wiederkäuer und Neuweltkameliden aus dieser Zone in freie Gebiete transportiert werden (Kasten „Exportbeschränkungen für Kälber“). Wie der Handel mit freien Gebieten fortgeführt werden kann, ist aktuell Bestandteil der Beratungen zwischen Bund und Ländern. In Belgien ist BTV-3 ebenfalls angekommen und ganz Belgien ist Restriktionszone.

Exportbeschränkungen für Kälber
Ganz NRW ist nun Restriktionszone. Bereits vor dem Wochenende hatten die Abnehmer von Kälbern in den Niederlanden erklärt, dass sie keine Kälber aus NRW mehr abnehmen – eventuell aus ganz Deutschland nicht mehr. Aus Belgien nehmen die Niederlande seit einem BTV-Ausbruch keine Kälber mehr ab. Da aus dem Rheinland und westlichen Münsterland die Holstein-Friesian (HF)-Kälber ganz überwiegend in die niederländische Kälbermast und -aufzucht gehen, ist das für die Kälbervermarktung in NRW ein schwerer Schlag. Denn in NRW gibt es nur geringe Kälbermastkapazität, in Niedersachsen deutlich mehr. Schon in den Wochen zuvor geriet der Kälbermarkt preislich schwer unter Druck. Kälber unter 40 kg waren gar nicht mehr, unter 45 kg für Null-Erlöse zu vermarkten. Für letztere war zwar noch ein Preis zu erzielen, dieser deckte aber die Transportkosten nicht mehr.
Für die laufende Woche verschärft sich die Situation dramatisch. Mehr als 80 % der Kälber in NRW bleiben stehen. Die wenigen in die Bullenmast oder an hiesige Kälbermäster verkauften HF-Kälber sollen nur noch den halben Vorwochenpreis bringen und müssen mindestens 60 kg wiegen.
Insgesamt ist die Rechtslage noch unklar: Eine Verordnung zur Verbringung oder Nicht-Verbringung war am Montagmorgen – wenn die Kälber traditionell abgeholt werden – noch nicht da. Nachfragen bei Veterinärämtern brachten keine Klärung.
Man kann nur hoffen, dass es bald Lösungen für die Öffnung des niederländischen Marktes gibt!
Die Milchviehhalter müssen sich ­darauf einstellen, dass die Kälber deutlich länger im Betrieb verbleiben.

Krankheitsbild von BTV-3

Das im Kreis Kleve positiv getestete Schaf hatte die typische Krustenbildung an den Lippen und ein deutlich reduziertes Allgemeinbefinden. Die übrigen Schafe in der Herde zeigen teilweise erhöhte Temperaturen bis zu mehr als 40 °C. Die äußerlich sichtbaren Symptome sind aktuell noch gering: Minimale Schwellungen an Kopf und Maul und selten leichte Blaufärbung der Schleimhäute.

Dagegen ist der Seuchenzug in den Niederlanden mit etwa 2000 infizierten Betrieben voll im Gange und breitet sich weiter zu den Grenzen nach Deutschland und Belgien aus. Der niederländische Gesundheitsdienst berichtet von bis zu 30 % schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen in den Schafbetrieben. Bei laktierenden Rindern steht ein massiver Milchleistungsverlust im Vordergrund, schwere Krankheitsverläufe treten beim Rind aber seltener auf. Bei Ziegen scheint die Infektion bis jetzt milder zu verlaufen.

Typische Krankheitsanzeichen bei Schaf und Rind sind Fieber, ­Speichelfluss, Schwellung bzw. Rötung/Blaufärbung der Kopfschleimhäute, Appetitlosigkeit, Lahmheiten, Krustenbildung auf der Nase und am Maul, die einem Sonnenbrand oder Lippengrind ähneln und offene Stellen an der Maulschleimhaut und dem harten Gaumen. In seltenen Fällen können auch plötzliche Todesfälle ohne die beschriebenen Symptome auftreten.

Gnitzen verbreiten Virus

Die Ausbreitung von BTV-3 erfolgt über die blutsaugenden Gnitzen, die in den vergangenen Wochen bei Temperaturen um die 20 °C optimale Bedingungen hatten. Wie schnell sich die BTV-3 in Deutschland weiter ausbreitet, hängt stark vom Wetter ab. Bei kühleren Temperaturen nimmt die Aktivität der Gnitzen stark ab und die Ausbreitung der BTV verlangsamt sich. Es ist zu hoffen, dass dann auch die Erkrankungen milder verlaufen und bis Ende November zum Erliegen kommen.

Eine gezielte Behandlung der Viruserkrankung ist nicht möglich. Die Heilung kann jedoch mit einer begleitenden Behandlung der schlimmsten Symptome unterstützt und so das Leiden der erkrankten Tiere etwas reduziert werden. Dazu gehören in erster Linie Schmerzmittel, gute Pflege und schmackhaftes Futter. Gegebenenfalls können Tierärzte bei zusätzlichen bakteriellen Entzündungen auch Antibiotika einsetzen.

Schlachttiere: Tierhaltererklärung
Schlachttiere dürfen nicht mehr ohne eine Tierhaltererklärung aus NRW in andere Bundesländer transportiert werden. Das war Informationsstand vor dem Wochenende. Der Landwirt muss erklären, dass in seinem Bestand keine Anzeichen von Blauzunge aufgetreten sind, er jeden Verdacht umgehend seiner zuständigen Behörde zur Anzeige bringt und er die Tiere ausschließlich zur Schlachtung abgibt. Es ist zu erwarten, dass sich der Verordnungs­geber im Laufe der Woche genauer ­äußert. Bis Redaktionsschluss gab es keinen aktuelleren Stand.

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Nun könnte die Blauzungenkrankheit Deutschland erreicht haben: In einem schafhaltenden Betrieb im Kreis Kleve besteht der Verdacht einer Infektion, die Bestätigung steht noch aus.