Das hatte sich Jaqueline Schönhoff leichter vorgestellt. Die 32-Jährige absolviert derzeit das dritte Jahr ihrer hauswirtschaftlichen Ausbildung in einer Altenwohnanlage in Rheine. „Seit Jahren ,schmeiße‘ ich meinen eigenen Haushalt und war überzeugt: das Planen und Organisieren beherrsche ich, das sind meine Stärken“, erzählt die zweifache Mutter.
Doch schnell stellte sie fest, dass die Arbeit einer professionellen Hauswirtschafterin anders als die Routine zu Hause ist. Eingefahrene Muster abzulegen, etwa wegen der Hygienevorschriften, war eine Herausforderung. Die Entscheidung für den Beruf aber war für sie genau richtig. Vor allem die Vielfalt an Aufgaben gefällt ihr sehr.
Anspruchsvoller als gedacht
Von altbacken bis „Hauswirtschaft kann doch jeder“ reichen die Klischees zu dem Berufsbild. Wir haben uns bei Jaqueline Schönhoff und ihren Mitschülerinnen am Anne-Frank-Berufskolleg in Münster umgehört. Das Stimmungsbild: Die jungen Leute sind durchweg gut zufrieden mit ihrer Berufswahl. Aber sie stoßen in der Gesellschaft auf viel Unwissenheit. „Was? Das ist ein Ausbildungsberuf?“, zeigt sich mancher erstaunt, wenn sie von ihrem Berufswunsch erzählen. Meist herrschen falsche Vorstellungen.
„Viele ahnen nicht, wie umfangreich der Beruf ist oder haben negative Bilder im Kopf, denken an Haus- oder Putzfrau“, erzählt Lotta Rotering. Die 20-Jährige ist in der Kantine eines Münsteraner Versicherungsunternehmens tätig. Sie konnte sich dort neben einigen Praktika, etwa in Bäckerei, Wäscherei oder Floristik, über einen Baristakurs, einen Besuch in einem Zerlegebetrieb und ein vierwöchiges hauswirtschaftliches Praktikum in Dublin freuen. Standard ist das nicht, aber es zeigt, wie unterschiedlich, abwechslungsreich und modern die Ausbildung je nach Betrieb ist.
Erst durch ihr Fachabitur Ernährung und Hauswirtschaft wurde sie auf den Beruf aufmerksam. Nach der Ausbildung möchte sie Ökotrophologie oder im Bereich Ernährung und Sport studieren – oder erst mal in der Pralinenherstellung in einer Patisserie in Frankreich arbeiten, blickt sie offen und zuversichtlich in die Zukunft.
Kontakt zu den Bewohnern reizt
Eine andere Richtung möchte Leonie Wojte einschlagen. Ihr bereitet der Kontakt zu älteren Menschen große Freude. Ein Beruf in der Pflege kam für die 22-Jährige nicht infrage, sie sah ihre Chance in einer hauswirtschaftlichen Ausbildung in einem Seniorenzentrum in Horstmar. Dass die Betreuung nach der Neuordnung der Ausbildung darin mehr Bedeutung bekommen hat, kommt ihr zugute. Später möchte sie sich in diesem Bereich noch zusätzlich weiterqualifizieren und in einem Privathaushalt oder bei einer Sozialstation arbeiten.
Dass der Stellenwert ihres Berufes nicht bei allen hoch ist, erlebt Chiara Dinkhoff. Sie ist in einem Pflegeheim tätig. Aus ihrer Sicht erfahren Pflegekräfte oft mehr Wertschätzung als das Küchenteam. Hauswirtschaft werde eher als selbstverständlich gesehen. „Die Bewohner aber loben immer das leckere Essen“, freut sie sich, zu deren Wohlbefinden beitragen zu können. Regelmäßig leitet sie Back- oder Kochgruppen für sie. Wie es nach der Ausbildung weitergeht, weiß die 22-Jährige schon: Sie übernimmt die Hauswirtschafts- und Küchenleitung eines Restaurants im emsländischen Haren.
Mehr Wertschätzung
Die Zahl der hauswirtschaftlichen Auszubildenden sinkt – die Nachfrage nach diesen Fachkräften steigt dagegen, beobachtet Sabine Borgmann, Fachlehrerin am Anne-Frank-Berufskolleg in Münster. Die Berufsschullehrerin stellt fest:
- Fast jede Woche erreichen Anfragen nach Absolventen die Schule. Unter anderem suchen Privat- und Geschäftshaushalte vermehrt Fachkräfte zur Unterstützung, etwa weil beide Partner berufstätig sind oder Senioren zu Hause Hilfe brauchen.
- Die Zukunftschancen für die Auszubildenden sind besser denn je. Dabei sind durchaus gute Einkommen zu erzielen.
- Bei ihrer Arbeit sieht die Lehrerin mit Sorge, dass die gestiegenen Anforderungen in der Ausbildung und das Leistungsniveau der Anwärter immer stärker auseinanderklaffen.
- Die Vielseitigkeit und die Möglichkeiten, die der Beruf bietet, müssen bekannter werden. Ihr Wunsch: Betriebe müssen auf Bildungsmessen und in sozialen Medien präsenter sein und für den Beruf werben, Verbände an dessen Image arbeiten und es müsse weiter über eine modernere Berufsbezeichnung diskutiert werden.
- Den Auszubildenden vermittelt sie, selbstbewusst und mit der Einstellung „Ohne uns läuft nichts“ für mehr Wertschätzung einzutreten. „Die beste Werbung seid ihr selbst, wenn ihr begeistert von eurem Beruf erzählt“, rät sie – auch über Kanäle wie Instagram oder Snapchat, die nah an der Zielgruppe sind.
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