Das Arbeitstempo osteuropäischer Erntehelfer ist rasant. Und doch zu langsam für Unternehmer wie Willy Kreienbaum. Denn die Konkurrenz ist groß. Am Schreibtisch mit zwei Bildschirmen verfolgt der 60-jährige Betriebsleiter aus Füchtorf im Kreis Warendorf die internationale Markt- und Preisentwicklung beim Spargel. Egal, ob das Edelgemüse in Griechenland, in Spanien oder auf Füchtorfer Sand wächst: Von der Ernte übers Sortieren bis zum Verpacken ist viel Handarbeit nötig – trotz verbesserter Maschinen. Ein guter Spargelstecher schafft im Schnitt 18 kg pro Stunde. Das reicht in Zukunft nicht, ist Kreienbaum sicher und liefert die Begründung nach: „Die Lohnkosten sind der Faktor, den der einzelne Betrieb am stärksten beeinflussen kann.“
Biospargel en masse
Klar: Der Mindestlohn ist auch in Füchtorf Gesetz. Aber wer sagt, dass ein Spargelfeld in der Hochsaison täglich beerntet werden muss? Kreienbaum peilt eine andere Taktung an, um die Effizienz auf dem Acker zu steigern. Doch dazu später mehr. Zunächst eine Kennenlern-Runde in drei Absätzen:
- Willy Kreienbaum ist der Sohn des Spargelpioniers Willi Kreienbaum, der 1947 als einer der ersten in Westfalen mit dem Spargelanbau und der Direktvermarktung bis ins Ruhrgebiet begann. Der Junior baute den Betrieb aus und sicherte sich dafür die Domain www.spargel.com.
- In den vergangenen 25 Jahren expandierte der heutige Firmenchef von 25 auf 250 ha gepachtete Anbaufläche und stellte auf Bioanbau um. Hinzu kommt die Jungpflanzenvermehrung in konventioneller und Bioqualität auf 35 ha.
- Die einjährigen Pflanzen aller marktrelevanten Sorten verkauft der Betrieb europaweit. Seit der Pandemie ist die Hofladen-Ära zu Ende. Die komplette Ernte vermarktet der Unternehmer an die vier großen Konzerne im Lebensmittelhandel, also Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe und Aldi.
Aufstieg zum Partner
Wer als Partner der Handelsriesen bestehen will, muss punktgenau auf Bestellung liefern. Ein heikles Unterfangen bei einer maximal witterungsabhängigen Kultur. „Wenn das Wetter nicht mitspielt, muss ich meinen Geschäftspartner dazu überreden, meinen Spargel eine Woche später abzunehmen“, lässt sich dem Spargel-Profi entlocken. Er setzt nach: „Vor zehn Jahren war man beim Lebensmittelhandel noch abhängiger Lieferant. Heute pflegt der LEH seine Lieferanten deutlich besser als früher.“ Zumindest mag das für die gelten, die große Spargelpartien anbieten und auf der Klaviatur der Handelserfordernisse professionell spielen.
Moderater Mehrpreis
Entscheidend dabei ist das Management. Von den neun festen Mitarbeitern des Betriebs sitzen vier im Büro. „Mittlerweile ist eine Arbeitskraft größtenteils damit beschäftigt, die geforderten Zertifizierungen und Kontrollen der Handelspartner sicherzustellen“, berichtet der Firmenchef. Für die aktuelle Spargelsaison sieht Kreienbaum die Aussicht, moderate Preiserhöhungen durchzusetzen. Als Vorsitzender der vereinigten Spargelbauern in Westfalen-Lippe hat er den Mitgliedern kürzlich geraten, sich nach außen hin positiv darzustellen und weniger zu jammern. „Schlagzeilen, die vom Untergang des Spargelanbaus sprechen, sind haltlos und schaden uns“, sagt der Unternehmer. Früher hat er selbst öffentlich über zu hohe Kosten bei zu geringen Preisen gesprochen. Doch nun macht der Profi eine Kehrtwende: Lächeln, schweigen und die Produktion optimieren.
Zugute kommen dem Gartenbautechniker dabei seine Jahre als Anbauberater in Südostasien. In den 1990er-Jahren war Kreienbaum für einen Hamburger Konservenhersteller als Spargelexperte in Ländern wie Indonesien, Thailand und den Philippinen im Einsatz. Da die Spargelstaude ursprünglich aus Asien stammt, sind dort ganz andere Ernten und Erträge möglich. Zudem wird Spargel dort in viel größeren betrieblichen Dimensionen angebaut. Diese Erkenntnis ließ der Westfale in die eigene Betriebsentwicklung einfließen. Zum einen ins Flächenwachstum, zum anderen in die Organisation der Abläufe.
Weniger Jungpflanzen
Noch kalkuliert Kreienbaum mit einer vollen Saison-Arbeitskraft pro ha Spargelanbaufläche für Ernte, Sortieren und Verpacken des Edelgemüses. Diesen Wert will er senken. Ein Ansatzpunkt dabei ist, eine Spargelfläche bestenfalls alle drei Tage zu beernten und dadurch Rüstzeiten zu sparen und gleichzeitig die Ausbeute pro Durchgang zu erhöhen. Bisher gilt der Zwei-Tage-Ernte-Rhythmus als Standard. Ein Schlüssel dabei ist die Kombination von robusten Spargelsorten und solchen mit früher, mittlerer und später Reife. Hinzu kommen verschiedene Folien, um die Erntedurchgänge zu strecken. Und das bei geringen Qualitätseinbußen des Spargels, wie der Betriebsleiter betont. Den intensiven Folieneinsatz hält er ohnehin für unabdingbar, um den Boden feucht zu halten und weniger zu beregnen. Es sei absehbar, dass die Wasserförderung künftig stärker reglementiert werde als bisher.
Bleibt die Frage nach der weiteren Entwicklung auf dem Spargelmarkt. Bereits im Frühjahr 2022 hatte Willy Kreienbaum auf einen Rückgang des Anbaus getippt. Im März säten seine Leute rund 10 % weniger Jungpflanzen aus als im Vorjahr. Die Schätzung passte. Nach der schwierigen Erntesaison bestellten die Spargelanbauer im Juni 2022 etwas verhaltener als im Jahr zuvor. Der Trend zu sinkender Anbaufläche könnte anhalten, schätzt der Unternehmer. So anspruchsvoll das Spargelgeschäft auch ist, so reizvoll scheint es in der Familie Kreienbaum. Hier bereitet sich gerade die nächste Generation auf das Metier vor. Kreienbaums Söhne, 22 und 24 Jahre alt, studieren Gartenbau und ergänzen sich in ihren Stärken bezüglich Produktionstechnik und Betriebswirtschaft.
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