Wenn eine Sau nach dem Abferkeln fiebert, nur wenig frisst und ihr Gesäuge rot und geschwollen ist, sind das sichere Anzeichen für das sogenannte Mastitis-Metritis-Agalaktie-Syndrom (MMA).
Um diese Erkrankung möglichst frühzeitig zu erkennen, messen Landwirte die Körpertemperatur ihrer Sauen üblicherweise rektal mit einem Fieberthermometer. Doch das ist zeitaufwendig. Ein Ziel des Projektes „Select4Milk“ war es daher, zu testen, ob die berührungslose Temperaturerfassung mittels Wärmebildkamera – die sogenannte Thermografie – dafür ebenso geeignet ist.
Etwa 700 Sauen untersucht
Das Ergebnis: Ja, grundsätzlich kann ein kurz nach der Geburt erstelltes Thermogramm des Gesäuges helfen, MMA-erkrankte Tiere zu finden. So bestand ein enger Zusammenhang zwischen der mit dem Fieberthermometer rektal und der mit der Wärmebildkamera gemessenen Körpertemperatur. Als alleiniger Indikator ist die Körpertemperatur bzw. ein bestimmter Temperatur-Grenzwert jedoch nicht geeignet, MMA in allen Fällen sicher zu detektieren.
Doch der Versuch, der rund 700 Sauen umfasste, war weitaus umfassender. Die Wissenschaftler haben nicht nur Thermogramme der beiden Gesäugeleisten erstellt sowie rektal Fieber gemessen. Sie haben auch das Aufstehverhalten getestet, die Futteraufnahme bewertet, das Vorhandensein von eitrigem Scheidenausfluss geprüft und das Gesäuge optisch und durch Abtasten kontrolliert. Zusätzlich haben sie die Ferkel fünf Tage nach der Geburt auf Hautverletzungen an den Karpalgelenken untersucht.
Für jeden Aspekt haben die Wissenschaftler Punkte vergeben und jeweils alle Einzelbewertungen zusammengezählt. Anhand der Punktzahl haben sie die Sauen in drei Gesundheitsklassen eingeteilt: gesund, klinisch auffällig und an MMA erkrankt. Letztere wurden antibiotisch und entzündungshemmend behandelt.
Die Wärmebilder wurden hinsichtlich des wärmsten Pixels an beiden Gesäugehälften ausgewertet und daraus ein Mittelwert gebildet.
Wo Grenzwert für Fieber?
Die statistische Auswertung ergab, dass die gesunden Sauen den geringsten, die klinisch auffälligen Sauen einen mittleren und die an MMA erkrankten Sauen den höchsten Mittelwert aufwiesen.
Durch eine Berechnung von Kappa-Werten wurde ermittelt, dass ein Grenzwert von 38,0 °C für den Mittelwert aus wärmstem Pixel von rechtem und linkem Thermogramm am besten geeignet ist, um eine möglichst hohe Übereinstimmung der Befunde auf Einzeltierebene (gesund/krank) zwischen Rektaltemperatur und Gesäugethermogramm zu ermitteln (Kappa-Wert 0,53; moderate Übereinstimmung).
Ab einer mittleren Temperatur der wärmsten Pixel von 38,9 °C und höher hatten alle entsprechenden Sauen eine Rektaltemperatur von ≥39,5 °C (= Fieber). Andersherum konnten von den 165 Sauen, die kurz nach der Geburt eine Rektaltemperatur von ≥39,5 °C hatten, nur 29 Sauen (18 %) mit diesem Grenzwert sicher erkannt werden.
Wenn das Gesäugethermogramm eine mittlere Temperatur von 36,9 °C und geringer zeigte, wurde eine Sau sicher als gesund erkannt. Von den 590 Sauen, die kurz nach der Geburt eine Rektaltemperatur von ≤39,4 °C hatten, zeigten jedoch nur 118 Sauen (20 %) beim Gesäugethermogramm einen Mittelwert von ≤36,9 °C.
Alte Sauen mit Leistungstief
Um den Wurfmassenzuwachs (WMZ) pro Sau zu berechnen, wurden die Ferkel am ersten Lebenstag sowie nach etwa drei Wochen einzeln gewogen. Die Ergebnisse in der Tabelle zeigen, dass Jungsauen und Sauen ab dem achten Wurf deutlich im WMZ und damit in der Leistung einbrechen, wenn sie nicht gesund sind.
Wenn Sauen im zweiten bis siebten Wurf MMA bekommen, scheinen sie auf eine rechtzeitige Therapie gut anzusprechen und die Säugezeit wird nicht negativ beeinflusst. Dass MMA bei Sauen im zweiten Wurf den Wurfmassenzuwachs positiv beeinflusst, lässt sich nicht ableiten, weil der Stichprobenumfang (n = 16) zu gering war.
Fazit: In der Praxis empfiehlt es sich, insbesondere die Ferkel, die von an MMA erkrankten Jungsauen und Sauen ab dem 8. Wurf gesäugt werden, zu unterstützen – sei es durch eine gezielte Beifütterung oder ein frühes Versetzen. Zudem ist es hilfreich, Erkrankungen im Sauenplaner zu vermerken, da betroffene Sauen häufig auch zur nächsten Geburt erkrankten.
„Select4Milk“ ist ein Projekt der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP). Beteiligt waren die BHZP GmbH, der Schweinegesundheitsdienst Niedersachsen, die Uni Göttingen, die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und als Koordinator EVH Select.
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