Das hat sich Christoph Schulte anders vorgestellt. Die eh schon niedrigen Ferkelpreise sind über die letzten Wochen und Monate stark gesunken, gleichzeitig die Futterkosten deutlich angezogen. Das setzt dem Ferkelerzeuger mit 350 Sauen, Ferkelaufzucht und 43 ha Fläche massiv zu: Das Girokonto steht tief im Minus, bei den Lieferanten sind erhebliche Außenstände aufgelaufen und nun steht auch noch die nächste Kreditrate ins Haus. Was also tun?
Schulte beauftragt seinen Finanzberater einen „Finanz-Check“ durchzuführen. Der erfasst zunächst alle betrieblichen und privaten Darlehen. So bekommt Landwirt Schulte einen vollständigen Überblick, wie viel Fremdkapital insgesamt vorhanden ist. Praktischerweise ist sein Betrieb als Einzelunternehmen plus gewerbliche Ferkelaufzucht noch übersichtlich strukturiert. Erst recht kompliziert wird es, wenn zusätzlich eine oder mehrere Gesellschaften und weitere gewerbliche Unternehmensteile etwa zur Biogasproduktion vorhanden sind.
Aktuell betragen die Verbindlichkeiten im Betrieb insgesamt knapp 840.000 €. Davon sind allein 40.000 € Kontokorrentschulden auf dem Girokonto sowie 60.000 € offene Rechnungen bei Landhandel und Lieferanten (siehe „aktuelle Restschuld, vorher“ in Übersicht 1). Hier muss Schulte satte 8,5 % bzw. 6,0 % Zinsen zahlen. Gleichzeitig bringt er sich durch die Außenstände in eine schlechtere Verhandlungsposition.
Die Zinsen fallen monatlich an. Durch die auf diese Zinsen wiederum anfallenden Zinsen dreht sich das Rad immer schneller und er rutscht jeden Monat tiefer ins Minus. Höchste Zeit, zu handeln.
Zu kurze Laufzeiten
Es fällt auf, dass der Sauenhalter die Laufzeiten der meisten Darlehen bei Vertragsabschluss sehr kurz gewählt hat. Sein Kalkül: Die Kredite möglichst schnell zurückzahlen, damit sein Nachfolger den Betrieb mit wenig Schulden übernehmen kann.
Dadurch muss Schulte allein im nächsten Jahr knapp 100.000 € Tilgung schultern (siehe Übersicht 2), die seine Abschreibung von rund 75.000 € um gut 25.000 € deutlich übersteigt. Hinzu kommen Zinsen von knapp 20 000 €. Auch wenn in den Folgejahren schrittweise Darlehen auslaufen, ist es bis dahin noch ein langer Weg und die Belastung bleibt hoch. Normalerweise müssen aus dem Gewinn „nur“ die Privatentnahmen und die Tilgung aus Investitionen bestritten werden. Durch die zu kurz gewählten Laufzeiten benötigt Schulte jedoch in 2022 bereits 25 000 € mehr Gewinn als sonst, nur um zahlungsfähig zu bleiben.
Umfinanzierung
Zunächst werden die alten Darlehen von Warte- und beiden Abferkelställen sowie das für die Stallerweiterung in einem neuen Darlehen zusammengeführt. Dies funktioniert natürlich nur, wenn die Bank zustimmt.
Üblicherweise lässt sich die Bank allerdings den bis Ende der Zinsbindung entstehenden Zinsschaden in Form eine Vorfälligkeitsentschädigung ersetzen. Die vier Darlehen haben zusammen aktuell eine Restschuld von fast 150 000 €. Die Vorfälligkeitsentschädigung von rund 10.000 € für die Ablösung der Altkredite wird mitfinanziert. Das neue Darlehen beträgt daher 160.000 € und läuft über 15 Jahre (siehe Übersicht 1).
So reduziert sich die Tilgung. Das neue Darlehen ist ungefähr dann abbezahlt, wenn die finanzierten Ställe abgeschrieben sind. Eine längere Laufzeit ist nicht zu empfehlen. Denn Betriebsleiter sollten vermeiden, dass die Folgeinvestition schon angeschafft ist, während die Finanzierung des Vorgängerobjektes noch läuft. Aufgrund der aktuell prekären Situation wird das erste Jahr tilgungsfrei gestellt, um die Liquidität im Betrieb kurzfristig zu entlasten.
Bei den Rentenbank-Krediten für den Ferkelaufzucht- und den Sauenstall ist keine längere Laufzeit möglich. Allerdings kann auch hier in Abstimmung mit der Bank die Tilgung für ein Jahr ausgesetzt werden. Die Darlehen für den Schlepper und die Heizung haben nur noch eine geringe Restschuld und bleiben daher unverändert.
Außerdem werden die Kontokorrentverbindlichkeiten und offenen Rechnungen ebenfalls in ein Annuitätendarlehen mit 15 Jahren Laufzeit und erstem Jahr tilgungsfrei umfinanziert. So ist das Girokonto wieder ausgeglichen. Insbesondere bei der Finanzierung offener Rechnungen und anderer Außenstände tut sich die Bank jedoch oftmals schwer.
Über allen beschriebenen Maßnahmen schwebt zudem immer die Frage nach der langfristigen Perspektive, also: Kann der Betrieb unter normalen Bedingungen mit seinen Erträgen und Kosten den Kapitaldienst tragen? Ist die Frage zu verneinen, kann auch eine Umfinanzierung nichts retten. Dann stellt sich vielmehr die grundsätzliche Frage, ob nicht langfristig der Ausstieg die bessere Option ist.
Um 90.000 € liquider
Übersicht 2 zeigt den Kapitaldienstverlauf vor und nach der Umfinanzierung: In den nächsten Jahren spart der Betrieb jährlich zwischen 5.000 € und 8.000 € Zinsen. Zudem ist der Kapitaldienst in 2022 aufgrund der Tilgungsaussetzungen stark reduziert. Statt 117 000 € muss der Sauenhalter 2022 nur noch knapp 30.000 € Kapitaldienst leisten. So bekommt der Betrieb kurzfristig finanzielle Entlastung und kann wieder „durchatmen“. Ab 2023 setzt die Tilgung wieder ein, liegt aber in den nächsten Jahren unter der ursprünglichen Tilgung. Diese liegt nun bei gut 76.000 € in 2023 und passt damit zur Abschreibung von rund 75.000 €. Dadurch kann Schulte seine Liquiditätsprobleme lösen.
Grundsätzlich ist die Abschreibung ein Liquiditätspuffer. In diesem Beispiel wurde sie aber durch die Tilgung bereits komplett ausgereizt bzw. ursprünglich sogar zu viel in Anspruch genommen. Idealerweise sollte die Tilgung jedoch nicht mehr als Zweidrittel der Abschreibung betragen, was sich in der Praxis aber oftmals wegen gestiegener Investitionskosten nicht mehr realisieren lässt.
Was hat Landwirt Schulte nun gemeinsam mit seinem Berater durch den Finanzcheck erreicht? Zunächst hat er einen vollständigen Überblick über sein Fremdkapital und Klarheit über den künftigen Verlauf von Zins und Tilgung erhalten. So kann er in Zukunft Liquiditätsengpässe besser vorhersehen und vermeiden. Auf dieser Basis konnten sie gemeinsam bestehende Finanzierungsfehler korrigieren und das Risiko im Betrieb reduzieren. Darüber hinaus hat Schulte dafür gesorgt, dass die Kontokorrentverbindlichkeiten und Außenstände in Form eines neuen Darlehens jetzt systematisch abgebaut und hohe Kontokorrentzinsen gespart werden. Und ganz wichtig: Er ist kurzfristig wieder liquide.
Tipp: Sprechen Sie Ihren Kammerberater für eine betriebsindividuelle Kalkulation an.