Kurz gefasst:
- Schweine brauchen Funktionsbereiche, um ihre natürlichen Verhaltensweisen auszuleben.
- Unterschiedliche Klimazonen helfen, die Bedürfnisse von Sauen und Saugferkeln auf kleinem Raum zu vereinen.
- Aufzuchtferkel und Mastschweine brauchen Ruhe im Liegebereich und sollen weit entfernt davon koten.
- Schweinehalter sollten regelmäßig überprüfen, ob die Tiere die Strukturierung annehmen.
Wissen aus Finnland
Eine gut strukturierte Bucht ist ein wichtiger Baustein für das Wohlbefinden von Schweinen. Denn sie reduziert die Stressbelastung der Tiere. Das gilt vor allem für die Haltung mit Ringelschwanz. Unterschiedliche Funktionsbereiche sind wichtig, damit die Tiere ihre natürlichen Verhaltensweisen wie Ruhen, Erkunden, Fressen und Koten ausleben können.
Die Schweinehalter in Finnland haben seit Jahrzehnten Erfahrung mit der Haltung von Schweinen mit Ringelschwänzen. Auf einer Exkursion (siehe Ende der Seite) im Rahmen des „Nationalen Wissensnetzwerks Kupierverzicht“ haben verschiedene finnische Sauenhalter und Mäster ihre Konzepte für eine gute Buchtenstruktur vorgestellt.
Dabei wurde deutlich: Die Aufteilung der Bucht sollte nicht nur den Schweinen gefallen. Sie muss auch praktikabel für den Landwirt sein.
Saugferkel brauchen Wärme
Eine Abferkelbucht in Funktionsbereiche einzuteilen ist besonders herausfordernd. Denn Saugferkel brauchen es warm. Sauen hingegen mögen es kühl. Gleichzeitig steht nur wenig Fläche zur Verfügung, um die Bedürfnisse der Tiere zu erfüllen. Ein finnischer Sauenhalter zeigt, wie es trotzdem klappen kann:
Der Landwirt nutzt Bewegungsbuchten mit klassischen Ferkelschutzkörben, die er zur Geburt verschließt. In der Abferkelbucht hat er zwei verschiedene Böden verlegt. Unter dem Bewegungsraum der Sau sind Gussroste eingebaut, im Bereich der Ferkel geschlossener Betonboden.
Das Ferkelnest liegt an der langen Seite der Bucht. Es ist zum Teil mit einer Abdeckung geschützt, in die zusätzlich ein Wärmestrahler eingebaut ist. Der geschlossene Betonboden ist außerdem beheizt. Lamellenvorhänge an der Abdeckung schaffen ein Mikroklima und halten die Temperatur im Nest. So wird nur wenig Wärme an die Umgebung abgegeben. Den Ferkeln stehen so unterschiedliche Klimazonen in der Bucht zur Verfügung.
Gleichzeitig können die Sauen über die Gussroste im Aufenthaltsbereich Körperwärme abgeben und sich abkühlen. Die Bodengestaltung unterstützt somit das Abliegeverhalten der Sauen und gleichzeitig die Nestakzeptanz der Ferkel. Die Abteiltemperatur kann der Landwirt dadurch bei nur 18 °C fahren – optimal für die Sauen.
Jedes Verhalten an seinem Platz
Schweine suchen für die verschiedenen Verhaltensweisen von Natur aus unterschiedliche Orte auf. So trennen sie zum Beispiel ihren Schlafplatz vom Kotbereich. Gleichzeitig ruhen und fressen sie als soziale Tiere vorzugsweise in der Gruppe. Der Liege- und Fressbereich muss also genug Platz für alle Tiere bieten. Außerdem sollten die Schweine jederzeit frei wählen können, in welchem Bereich sie sich aufhalten wollen.
Darüber hinaus tragen unterschiedliche Klimazonen dazu bei, dass Schweine sich wohlfühlen. Auch eine geringere Besatzdichte fördert das Tierwohl. Wichtig ist, dass Landwirte trotz Funktionsbereichen die Übersicht in der Bucht behalten, um eine gute Tierkontrolle zu gewährleisten.
Die „finnische Struktur“
In der Ferkelaufzucht und Mast helfen ebenfalls verschiedene Bodenbeläge, Lichtverhältnisse und Kleinklimazonen zur Strukturierung der Bucht.
Viele Schweinehalter nutzen die „klassische finnische Buchtenstruktur“: Im Liege- und Aktivitätsbereich sind geschlossene Betonböden verbaut und im Kotbereich Gussroste. Darüber hinaus unterstützen geringe Raumtemperaturen und Abdeckungen im Liegebereich die Strukturierung. Der Liegebereich sollte sich in einer ruhigen Zone der Bucht befinden, in der kein „Durchgangsverkehr“ herrscht. Ansonsten stören laufende Tiere die schlafenden immer wieder. Das führt zu Unruhe.
Im Ruhebereich sollte deshalb auch kein fest installiertes Beschäftigungsmaterial angebracht sein. Das gilt allerdings nicht zwangsläufig für Wühlmaterial. Vor allem nachmittags sind häufig alle Schweine gleichzeitig aktiv und können dann gemeinsam wühlen. Das Wühlen hilft außerdem dabei, den Ruhebereich sauber zu halten.
Damit die Tiere die Liegefläche gut annehmen, gilt es, Zugluft in diesem Bereich unbedingt zu vermeiden. Um hier häufiger kleine Mengen von organischem Beschäftigungsmaterial vorzulegen, nutzen die Finnen automatisierte Anlagen. Das spart Handarbeit und Zeit.
Den Kotbereich sollten Landwirte weit entfernt vom Liegebereich anlegen. Damit die Tiere den Bereich wie gewünscht zum Koten nutzen, ist es hilfreich, den Boden etwas zu befeuchten. Dazu nutzen die finnischen Schweinehalter zum Beispiel eine Tröpfchenbewässerung aus dem Obstbau.
Außerdem kann man ein Kontaktgitter zur Nachbarbucht anbringen. Das löst ein Revierverhalten bei den Tieren aus, sodass die Tiere dort eher koten und harnen.
Regelmäßige Kontrolle
Für die Buchtenstruktur gibt es kein Rezept, das überall gleich gut klappt. Jeder Schweinehalter muss eine individuelle Lösung für sein Stallsystem finden.
Damit die Strukturierung dauerhaft funktioniert, müssen Schweinehalter regelmäßig überprüfen, ob die Tiere die Funktionsbereiche wie gewünscht annehmen. Akzeptieren die Schweine den Liegebereich? Ist in den einzelnen Bereichen ausreichend Platz für alle Tiere? Gibt es ungewolltes Fehlverhalten? Um das herauszufinden, sollten sie die Tiere über den Tag verteilt intensiv beobachten – sowohl in Aktivitäts- als auch in Ruhephasen.
Finnland: Eine Ringelschwanz-Reise
Auf einer Rundreise durch Finnland haben Berater und Mitarbeiter von landwirtschaftlichen Versuchsstationen verschiedene Sauen-, Ferkelaufzucht und Mastbetriebe besichtigt. Dabei haben sie sich mit den finnischen Berufskollegen intensiv über die Themen Buchtenstrukturierung, Fütterung, Tiergesundheit und Stallklima ausgetauscht.
Die Expertenexkursion fand im Rahmen des Projektes „Nationales Wissensnetzwerk Kupierverzicht“ statt. Sie wurde als Teil des Mo-dell- und Demonstrationsvorhabens (MuD) Tierschutz aus finanziellen Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert.
Daraus sind mehrere informative Kurzfilme unter dem Titel „20 Jahre Kupierverzicht in Finnland – Eine Ringelschwanz-Reise“ entstanden. Zu finden sind sie unter www.ringelschwanz.info/videos.
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