Viele erinnern sich noch an die Pferdefütterung in Opas Stall oder wissen es aus Erzählungen: Damals war die Gabe von kurz geschnittenem Heu und Stroh üblich. Warum eigentlich? Melanie Petz, Pferdeexpertin beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Töging am Inn, ordnet ein: „Früher wurde Raufutter oft offen geworben und eingelagert. Das gehäckselte Heu war leichter mit gehäckseltem Stroh und Hafer zu vermischen. Und es ließ sich schneller fressen – die Pferde hatten damals weniger Zeit.“ Schließlich wurden sie beispielsweise bei der Feldarbeit benötigt.
Lange Halme machen satt
Heute wird das Raufutter in der Regel in Großballen geerntet, gelagert und verfüttert. Dafür sind ungeschnittene Halme besser in der Handhabung. Auch die Wissenschaft empfiehlt langfaseriges Heu und Stroh, weil die Bedeutung der Strukturwirkung bekannt ist: Je länger die Halme, desto mehr Kauschläge macht das Pferd pro Ration. Das erhöht die Fressdauer. Auch das Sättigungsgefühl hängt von der Anzahl der Kauschläge ab – lange Halme machen mehr satt. Langfaseriges Heu und Stroh gelten also heute zurecht als Basis jeder Pferderation.
Häcksel zum Kraftfutter
Dennoch wird in bestimmten Fällen gehäckseltes Raufutter verfüttert. Vor allem bei Sportpferden werden Häcksel gern unter das Kraftfutter gemischt, um die Fresszeit zu verlängern. „Das Pferd macht mit den Backenzähnen eine Mahlbewegung, wenn es Raufutter frisst. Diese Bewegung fördert die Speichelbildung“, erklärt Petz.
Den Effekt macht man sich bei der Fütterung von Kraftfutter gemeinsam mit Häckseln zunutze: „Die stärke- und zuckerhaltigen Bestandteile wie Getreide werden besser durchsaftet und können in den folgenden Verdauungsabschnitten besser aufgearbeitet werden.“ Der Nahrungsbrei wird aufgeweicht, was die Darmpassage erleichtert. Zudem puffert der entstandene Speichel die Magensäure und beugt so dem Entstehen von Magengeschwüren vor.
Mit Vorsicht genießen
Da industriell hergestellte Heuhäcksel in der Regel gleichzeitig entstaubt werden, füttern auch manche Besitzer von Pferden mit Heustauballergie lieber Häcksel aus dem Sack als Heu vom Ballen.
Allerdings sollte man hier nicht ausschließlich auf Häcksel zurückgreifen, sondern über Alternativen wie Heulage, bedampftes Heu oder Heucobs nachdenken. Denn die Häckselfütterung ist nicht frei von Risiken: Sie kann zu Schlundverstopfungen, Koliken und Verletzungen der Magenschleimhaut führen.
Vor allem, wenn Häcksel in großen Mengen gefüttert werden und die Halme sehr kurz sind, werden sie nicht ausreichend gekaut. Sie gelangen in die Speiseröhre und können dort stecken bleiben. Auch im Übergang zum Dünndarm können sie Verstopfungen mit Kolikfolge auslösen.
Zudem können besonders holzige und sperrige Stängel die Schleimhaut im Magen verletzen. „Beigemengt ins Kraftfutter, mit einem geringen Prozentanteil, stellen Häcksel in der Regel kein Problem dar“, sagt Petz. „Vorausgesetzt, sie sind weich genug.“ Nimmt man eine kleine Menge Häcksel in die Hand und drückt sie zusammen, müssen sie sich angenehm anfühlen. Nur dann sind sie auch fürs Pferdemaul angenehm, werden gut gekaut und gelangen nicht unzerkleinert in Magen und Dünndarm.
Vor allem Häcksel aus Luzerne mit hohem Stängelanteil oder aus holzigem Stroh sind oft sperrig – beim Heu ist es abhängig vom Schnittzeitpunkt und den enthaltenen Gräsern.
Wichtig ist zudem die Halmlänge: Erst ab 4 cm Länge werden die Häcksel ausreichend gekaut. „Beobachten Sie Ihr Pferd, wie es mit den Häckseln klarkommt“, rät Petz. Pferde mit Zahnproblemen sollten eher eingeweichte Heucobs als Häcksel bekommen.
Nicht zu hohe Anteile
Auch viele Fertigmüslis enthalten Häcksel von Luzerne oder Heu, um den oben beschriebenen Effekt des Langsamer-Kauens und guten Einspeichelns zu erreichen. Der Häckselanteil liegt dann oft nur bei 10 bis 15 %. Andere Müslis, insbesondere wenn sie als strukturreich, getreidefrei oder stärkearm beworben werden, enthalten Häcksel in höheren Anteilen, aber in der Regel nicht über 50 %.
Wenn ein Müsli zu hohen Anteilen aus Häckseln besteht, rät Petz, stattdessen hochwertiges Grobfutter in Form von Heu oder Heulage zu füttern: „Dann habe ich den gleichen Effekt.“ Sollte das Pferd wirklich Kraftfutter benötigen –und das trifft auf die meisten Freizeitpferde nicht zu, wie Petz betont – dann ist in erster Linie Hafer das Mittel der Wahl.
Zwar liegt es im Trend, auf Getreide zu verzichten – zielführend sei dies aber oft nicht. „Nur ganz wenige Pferde haben wirklich eine Getreideunverträglichkeit“, sagt die Expertin. Das betrifft zum Beispiel Pferde, die an der „Polysaccharid Speicher Myopathie“, kurz PSSM, leiden.
Andere Pferde müssen aufgrund einer Stoffwechselerkrankung wie dem „Cushing Syndrom“, heute PPID genannt, stärke- und zuckerarm ernährt werden. Müssen diese Pferde dennoch eine hohe Leistung im Sport erbringen oder werden sie zu mager, gilt es natürlich Alternativen zum Getreide zu finden. Hier können Häcksel aus Luzerne oder nährstoffreichem Heu helfen, die Grundversorgung zu gewährleisten – insbesondere, wenn das angebotene Grundfutter eher nährstoffarm ist.
Raufutter bessere Wahl?
Grundsätzlich ist langfaseriges Raufutter die beste Grundversorgung für Pferde. Bei besonderen Ansprüchen, zum Beispiel zur Verlängerung der Fresszeit bei großen Kraftfutterrationen, haben gehäckseltes Heu und Stroh aber durchaus ihre Daseinsberechtigung. Beim Einsatz von Fertigmüslis ist zu prüfen, welche Komponenten das Futtermittel enthält und wie viel Nährstoffe es bereitstellt (siehe Kasten „Sackanhänger beachten!“).
„Bei Mischfuttermitteln haben wir leider das Problem, dass viele Füllstoffe enthalten sind“, berichtet Petz. „In vielen Fertigfuttermitteln sind Weizengrießkleie, Weizenkleber, Maiskleber und ähnliche Dinge enthalten.“ Sie werden angewendet, um Inhaltsstoffe und Volumen ins Müsli zu bringen oder um Mineralstoffe zu binden.
Sind Häcksel enthalten, gilt es, die Halmlänge zu überprüfen und sich bei großen Mengenanteilen zu fragen, ob ein hochwertiges Raufutter nicht die bessere Wahl ist. Auch auf den Zuckergehalt sollte man achten, so Petz. Denn sind die enthaltenen Grünmehle oder Häcksel aus jung geschnittenem Gras gewonnen, ist der Anteil des Zuckermoleküls Fruktan unter Umständen hoch – und damit das Risiko für Hufrehe.
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