Schweinewiegen ist eine der unbeliebtesten Arbeiten im Stall. Viele Mäster hoffen daher auf ein funktionierendes Kamera-Wiegesystem. Als einziger von mehreren Entwicklern hat Hölscher + Leuschner sein „optiScan-System“ zur Praxisreife gebracht. Seit über einem Jahr ist es auf dem Markt.
Mit Kamera und Laptop in den Stall
Mit dem Optiscan-Gerät können Mäster das Lebendgewicht ermitteln, ohne die Tiere aus der Bucht zu treiben und ohne Unterstützung von Mitarbeitern. Das zumindest verspricht der Hersteller Hölscher und Leuschner. Das Optiscan vermisst mithilfe einer 3D-Kamera Körperbau und Größe eines Schweines von oben. Aus den ermittelten Maßen schätzt das Gerät mithilfe eines Algorithmus das Lebendgewicht des Tieres.
Zusätzlich zur Kamera wird im Stall ein 2 in 1 Laptop benötigt. Auf dieser Kombination aus Tablet und Laptop ist die Software zur Berechnung des Gewichtes installiert. Auf dem Bildschirm werden Fortschritt, Qualität und Ergebnis des Messvorgangs angezeigt. Da das Scannen energieintensiv ist, hat sich eine Powerbank für die zusätzliche Akkuversorgung bewährt. Der Laptop und die Powerbank sind in einer Weste untergebracht, die die Messperson trägt.
Wie genau die Messvorgänge im Vergleich zu einer mechanischen Waage abschneiden, hat das Versuchs- und Bildungszentrum Haus Düsse gemeinsam mit dem Erzeugerring Westfalen erprobt. Hier der Erfahrungsbericht.
1000 Schweine gewogen
Für beide Systeme wurden insgesamt fast 1000 Wiegungen ausgewertet. Jedes Schwein wurde sowohl mit der mechanischen Waage als auch mit dem Optiscan-System gewogen. Die Wiegungen fanden zeitversetzt statt. Am ersten Tag kam das Optiscan-System zum Einsatz, 24 Stunden später die mechanische Waage.
Das vom Optiscan ermittelte Gewicht wurde für jedes Einzeltier anhand seiner Tageszunahme korrigiert. So konnte der Zuwachs bis zur mechanischen Wiegung 24 Stunden später beim Vergleich berücksichtigt werden.
Wie der Test ablief
Bei der Ermittlung des Gewichts über das Optiscan-System muss die Kamera das komplette Schwein erfassen können. Erst dann wird es auf dem Bildschirm des Laptops „blau eingerahmt“. Danach kann der Scanvorgang mittels eines Tasters gestartet werden.
Solange das angezeigte Gewicht rot erscheint, ist das Ergebnis noch sehr ungenau, da zu wenig Daten aus der Kamera vorliegen. Je nachdem, wie ruhig das Schwein steht, wechselt die Farbe des angezeigten Gewichts innerhalb weniger Sekunden auf grün und ist aussagekräftig.
Im Test wurde immer das erste verwertbare (grüne) Gewicht übernommen. Das galt auch, wenn die Messperson das Schwein subjektiv optisch schwerer oder leichter einschätzte als das Optiscan-Gerät. Die Messung wurde nicht wiederholt. Denn in der Erprobung sollte lediglich die Messtechnik geprüft werden, nicht aber das geschulte Auge des Bedieners.
Im Mittel der Wiegungen stimmen die Gewichte zwischen dem Optiscan-System und der mechanischen Waage überein. Der Unterschied zwischen den Durchschnittsgewichten der beiden Systeme war minimal, wie Übersicht 1 zeigt.
Auf der mechanischen Waage wogen die Schweine im Durchschnitt 113,7 kg. Das Optiscan-Ergebnis lag bei 113,5 kg. Das Geschlecht hatte keinen Einfluss. Zwischen Börgen und Sauen gab es keinen Unterschied.
4 kg Differenz
Betrachtet man jedoch die einzelnen Messergebnisse, fallen teils deutliche Unterschiede auf. Das Gewicht der Schweine wurde mit dem Optiscan-Gerät teilweise sowohl über- als auch unterschätzt. Die Gewichtsabweichung zwischen Optiscan und der mechanischen Waage lag im Mittel bei 4 kg. Während Optiscan und mechanische Waage bei manchen Schweinen übereinstimmten, betrugen die Abweichungen bei anderen Tieren im Extrem bis zu 17,8 kg.
Übersicht 2 zeigt zudem: Je höher das Lebendgewicht der Schweine, um so größer die Abweichungen zwischen den beiden Messtechniken. Bei Schweinen unter 100 kg Lebendgewicht unterschied sich das Gewicht im Schnitt um 3,8 kg. Bei Endmastschweinen über 120 kg lagen im Mittel 4,5 kg zwischen dem Ergebnis von mechanischer Waage und Optiscan.
In Übersicht 3 werden die Gewichtsabweichungen in kg-Schritten klassiert. Bei knapp einem Drittel der Messungen lagen die Gewichtsabweichungen unter 2 kg. Gut ein Viertel der Schweine wich um 2 bis 4 kg vom Ergebnis der Waage ab. Und jeweils etwa jedes zehnte Schwein wurde vom Optiscan-System um mehr als 6 kg oder sogar um mehr als 8 kg über- oder unterschätzt.
Die teilweise starken Gewichtsabweichungen müssen vor dem Hintergrund der Versuchsbedingungen beurteilt werden. In der Erprobung wurde immer das erste ermittelte Gewicht des Optiscan-Gerätes erfasst. Es erfolgte keine „zweite Messung“ – auch wenn dem geschulten Auge deutliche Über- oder Unterschätzungen aufgefallen sind.
In der Praxis sollten alle ermittelten Gewichte hinterfragt werden, um gegebenenfalls den Messvorgang zu wiederholen. Das würde die großen Gewichtsabweichungen voraussichtlich verringern.
Geschultes Auge hilfreich
Wer sich nur auf die Kamera verlässt, wird aufgrund der Ausreißer beim Gewicht keine Fortschritte beim Sortieren der Schlachtschweine erzielen. Doch in Kombination mit einem „geschulten Auge“ kann das Optiscan-System die Gewichtsschätzung unterstützen und erleichtern. Der Mäster kann mit entsprechender Schulung und Übung die Tiere in der Gruppe und Bucht bewerten, um den optimalen Vermarktungszeitpunkt zu bestimmen.
Erfahrungen der Berater
Der Einsatz des Optiscan ist hilfreich, zudem weniger belastend für Mensch und Mastschwein. Aber er ersetzt das geschulte Auge des Mästers nicht. Das ist die Erfahrung des Erzeugerrings Westfalen nach über einem Jahr Praxiseinsatz.
Das Gerät ermöglicht eine erfolgreiche Schlachtschweineselektion. Allerdings sollte die Messung wiederholt werden, wenn das Ergebnis unplausibel erscheint. Die Sortierverluste lassen sich, je nach Ausgangslage, deutlich senken. Der Zeitbedarf für das regelmäßige Wiegen ist beim Optiscan geringer, da eine Person die Schweine allein scannen kann. Zudem ist der Scanvorgang schneller abgeschlossen als eine mechanische Wiegung.
Lesen Sie mehr: