Die Krise in der europäischen und deutschen Schweineproduktion ist jetzt endgültig überall angekommen. Der Preisrückgang um 13 Cent bei den Mastschweinen setzt bei den Ferkelpreisnotierungen nahtlos fort.
Gekürzte Schlachtzahlen nicht nur bei Tönnies
Und es muss mit einem Missverständnis gründlich aufgeräumt werden: Es geht nicht allein um die Frage, wann denn in Rheda wieder geschlachtet werden darf. Den Ausfall von Rheda hätte man bei dem im Sommer immer etwas niedrigen Angebot bundesweit ausgleichen können. Aber:
- An allen Schlachtbetrieben fehlen mittlerweile die ausländischen Arbeitskräfte und zwar in ganz massiver Weise. Der Sauenschlachtbetrieb Westphal hatte deshalb vorübergehend ganz dicht gemacht; an vielen Standorten kann nicht mehr in erforderlichem Umfang zerlegt werden. Fast alle Schlachtbetriebe in NRW mussten deshalb Schlachtzahlen kürzen. Diese Situation wird bis in den Frühherbst hinein anhalten. Und niemand weiß, wie viele Mitarbeiter in Rhede bei Wiedereröffnung vor dem Tor stehen. Und wie viele Schweine dort mit dem neuen Hygienekonzept geschlachtet und zerlegt werden können.
- Die coronabedingte Streichung deutscher und europäischer Schlachtbetriebe aus der China-Zulassung kostet Geld und Schlachtzahlen. Eine Wiederzulassung kann etliche Monate dauern.
- Bedingt durch die politischen Diskussionen und das mediale Dauerfeuer sinkt der Schweinefleischverzehr weiter.
Was kann jeder Schweinehalter machen?
Die letzten Jahre und vor allem Monate waren stark geprägt von der Kastrationsdebatte. Es hat bereits Entscheidungen in den Kombi-Betrieben gegeben, viele Ferkelerzeuger waren sich mit ihren Vermarktern und den nachgelagerten Mästern einig. Gut so.
Aber jetzt regiert Corona. So ganz sicher ist niemand, wohin demnächst die Schweine zur Schlachtung verbracht werden müssen. Oder wohin Ferkel verkauft werden müssen.
Überall dort, wo die Vermarktung von Eberferkeln nicht bereits längere Praxis oder mit dem Vermarkter/Mäster fest vereinbart ist, muss daher gelten: Ohne Wenn und Aber bis zum 31.12. kastrieren. Derzeit gilt das Wort eines gewissen Konrad Adenauers: Keine Experimente! Mit freien Eberferkeln ist in den nächsten Monaten am Markt kein Blumentopf zu gewinnen!
Mit Verzögerungen rechnen
Mit Verzögerungen von bis zu 14 Tagen bei der Schlachtschweineabnahme oder Ferkelvermarktung muss man rechnen. Etwas dünner belegen in den Flatdecks ist zwar leicht gesagt, aber Reserveplätze in der Ferkelaufzucht und Mast sollte man einplanen.
Alle freuen sich über gute Zunahmen. Aber sowohl im Flatdeck wie in der Mast muss man sich darüber Gedanken machen, wie man im Fall des Falles etwas schlapper füttert - und trotzdem Kannibalismus vermeidet. Ein paar Tage spätere Vermarktungs- bzw. Schlachtreife können im Krisenfall schon helfen.
Und noch etwas: Die Diskussionen um die Schweinehaltung und die Fleischwirtschaft haben in den Medien Ausmaße erreicht, die die konventionelle Schweinehaltung und Fleischerzeugung in Frage stellen. Da ist wirklich jeder Schweinehalter gefordert, mit seinem Redakteur der Tageszeitung vor Ort, mit den politischen Funktionsträgern auf allen Ebenen das Gespräch zu suchen. Denn dem medialen Dauerfeuer können der der Berufsstand und die Organisationen der Schweineproduktion alleine nicht mehr begegnen!
Immerhin ist in der Politik angekommen, dass das Sperren von Schlachtbetrieben Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Tierschutz hat. Aber die Situation bleibt schwierig!
Mehr zum Thema: