Kurz gefasst:
- Die Rote Vogelmilbe ist ein bedeutender Parasit in der Legehennenhaltung.
- Ein Befall der Tiere geht mit Blutentzug, Hautirritationen und einem Rückgang der Leistung einher.
- Die Bekämpfung der Roten Vogelmilbe ist schwierig und muss wiederholt erfolgen.
- Kaltes Atmosphärendruckplasma hat in Versuchen einen guten Effekt erzielt.
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Ergebnisse einer Laborstudie zeigen, dass Atmosphärendruckplasma Milben tötende Eigenschaften hat. Bei Roten Vogelmilben aller Entwicklungsstadien trat nach einer Behandlung innerhalb von maximal zwei Stunden bei sämtlichen Milbenstadien der Tod ein.
Kaltes Atmosphärendruckplasma
Kaltes Atmosphärendruckplasma ist ein teilweise ionisiertes Gas. Es besitzt Zimmertemperatur. Ein kaltes atmosphärisches Plasma erzeugt einen reaktiven Mix, der sehr effektiv Bakterien, Pilze, Viren, Sporen oder Geruchsmoleküle zerstört. Es wird in der Humanmedizin auch zur Behandlung von Wunden und Hauterkrankungen eingesetzt.
Die Rote Vogelmilbe (Dermanyssus gallinae) ist nach wie vor einer der bedeutendsten Ektoparasiten in der Geflügelhaltung. Zu ihren potenziellen Wirten gehören prinzipiell alle Arten von Wild- und Ziervögeln sowie des Wirtschaftsgeflügels, wobei vor allem die Legehennen massiv befallen sein können. Ursächlich hierfür sind unter anderem die spezifischen Haltungsbedingungen der Hennen. Die sind in der Regel gekennzeichnet durch eine einjährige Haltungsphase ohne Zwischenreinigung und Desinfektion der Stallung und eine mit Legenestern und Sitzstangen stark strukturierten Stalleinrichtung. Letzteres bietet den Milben gute Versteckmöglichkeiten und erschwert gleichzeitig die Bekämpfung der Ektoparasiten.
Quälende Plagegeister
Die Schadwirkung der Roten Vogelmilben entsteht primär durch den von ihnen verursachten Blutentzug und die bei der Blutmahlzeit entstehenden Hautirritationen. Als Folgen treten in stark befallenen Beständen neben Gewichtsverlust und erhöhten Mortalitätsraten auch Verschlechterungen der Eiqualität sowie Abnahmen der Legeleistung auf. Ein Milbenbefall kann auch unerwünschte Verhaltensweisen wie Federpicken und Kannibalismus fördern. Hieraus resultieren nicht nur weitere Leistungsdepressionen und wirtschaftliche Verluste, sondern es werden auch Gesundheit und Wohlbefinden der Legehennen erheblich beeinträchtigt, was als hochgradig tierschutzrelevant anzusehen ist.
Milben übertragen Keime
Neben Vögeln können auch zahlreiche Säugetiere wie Hunde, Katzen, Kaninchen, Pferde, Rinder, Ziegen und nicht zuletzt auch Menschen als mögliche Wirte fungieren. Ein Milbenbefall kann hier zu juckenden Hautausschlägen und/oder Hautentzündungen führen. Die Rote Vogelmilbe ist außerdem als bedeutender Vektor bei der Übertragung von Krankheitskeimen einzustufen, wobei neben geflügelspezifischen Viren und Bakterien auch humanpathogene Erreger übertragen werden können. Darunter finden sich beispielsweise Salmonellen, Influenza-A-Viren und Chlamydien. Ein massenhafter Befall mit diesen Parasiten kann daher nicht nur Gesundheit und Wohlbefinden der Wirtstiere, sondern auch des Stallpersonals ganz erheblich beeinträchtigen.
Hohe Reproduktionsraten mit kurzem Generationswechsel, Nachtaktivität und Aufenthalt an schwer zugänglichen Stellen sowie das Überleben von langen Hungerperioden bis zu einer Dauer von 34 Wochen erschweren die effektive und nachhaltige Bekämpfung der Roten Vogelmilbe. Darüber hinaus wird eine effiziente Bekämpfung der Roten Vogelmilbe bei Lebensmittel liefernden Tieren durch die Gefahr von Rückständen in Eiern und Fleisch und dementsprechende gesetzliche Regelungen zur Anwendung von Akariziden bzw. Bioziden stark eingeschränkt.
Resistenzen bei Chemie
Lange Zeit war der Einsatz chemischer Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen die Methode der Wahl. Mit der Zunahme von Resistenzen gegen viele Wirkstoffe gewinnen in den letzten Jahren biologische und physikalische Bekämpfungsverfahren an Bedeutung. In Laborexperimenten und Praxisstudien wurden unter anderem Veränderungen der Temperatur und des Lichtregimes im Stall sowie Präparate auf Silikatbasis, ätherische Öle, pathogene Bakterien und Pilze sowie Raubmilben mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt. Die Entwicklung von Impfstoffen gegen die Rote Vogelmilbe befindet sich noch im experimentellen Stadium, weshalb Impfungen bislang in der Praxis der Legehennenhaltung nicht als Bekämpfungsverfahren etabliert werden konnten.
Plasma hat viel Energie
In den Naturwissenschaften wird Plasma neben fest, flüssig und gasförmig als vierter Aggregatzustand der Materie bezeichnet. Es handelt sich hierbei um ein Teilchengemisch aus freien Ladungsträgern (Ionen, freie Elektronen) und neutralen Atomen oder Molekülen. Das Gemisch wird durch das Anlegen von Hochspannungspulsen an ein Gasvolumen, beispielsweise Luft, erzeugt. Kaltes Atmosphärendruckplasma gehört zu den sogenannten nicht-thermischen Plasmen. Ihre große Reaktivität beruht auf der hohen thermischen Energie der leichten Elektronen, welche durch die geringe Wechselwirkung mit den deutlich schwereren Atomen und Molekülen des Gases nur einen minimalen Einfluss auf die Gesamttemperatur haben.
Dadurch haben sie Temperaturen, die sich insgesamt nahe der Raumtemperatur bewegen. Kaltes Atmosphärendruckplasma ist an der Luft durch Anregung der Stickstoffatome an einem blau-violetten Leuchten erkennbar. Es weist eine Vielzahl von Eigenschaften auf, die unter anderem bereits technisch und medizinisch genutzt werden. Während auch eine insektizide Wirkung beschrieben ist, konnten der vorliegenden Literatur keine Angaben hinsichtlich der Wirkung auf Milben entnommen werden.
In einer Studie wurden Plasmabehandlungen unter Laborbedingungen mit verschiedenen, in die Plasmaentladungen eingekoppelten Leistungsniveaus (10 und 20 Watt) und unterschiedlichen Expositionszeiten (0,2 bis 2,0 sec) an Eiern, Larven, Protonymphen und Deutonymphen sowie geschlechtsreifen männlichen und weiblichen Milben durchgeführt.
Alle Stadien abgetötet
Die Ergebnisse zeigten, dass alle Entwicklungsstadien der Roten Vogelmilbe durch eine Kaltplasmabehandlung effizient abgetötet werden konnten. Behandelte Eier waren unabhängig von den Einstellungsparametern durchweg nicht mehr entwicklungsfähig. Nach einer Behandlung mit 10 Watt Leistung und einer Expositionszeit von einer Sekunde wurde bereits unmittelbar nach der Exposition eine hohe Mortalität bei Larven (96,6 %), Protonymphen (92,2 %), Deutonymphen (85,5 %) und Milbenmännchen (93,3 %) beobachtet
Bei Milbenweibchen war die Sterblichkeit mit 42,2 % zunächst erheblich geringer. Eine 100%ige Abtötungsrate wurde allerdings zeitversetzt bei allen Entwicklungsstadien 120 min nach der Behandlung erreicht. Die Förderung der Studie erfolgt aus Mitteln des Zweckvermögens des Bundes bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank.
Jetzt laufen Praxistests
Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, ob sich dieses Verfahren auch unter Praxisbedingungen in belegten Hühnerställen für eine effiziente Bekämpfung von Roten Vogelmilben eignet. Im Erfolgsfall stünde ein alternatives physikalisches Bekämpfungsverfahren zur Verfügung, das sich unabhängig vom Altersstadium der Hühner prinzipiell für den Einsatz sowohl in ökologischen als auch konventionellen Haltungen von Jung- und Legehennen eignet. Eine angestrebte modulare Gestaltung der plasmagestützten Milbenbekämpfung soll die Nachrüstung des Systems auch in bereits bestehenden Haltungssystemen unterschiedlicher Größe erlauben.
Erste Funktionsmodelle werden zurzeit in der Praxis getestet. Verlaufen diese Tests erfolgreich, kann die Plasmatechnologie künftig einen wertvollen Beitrag zur Tiergesundheit und zum Tierwohl, zur Verringerung behandlungswürdiger Infestationen und durch Milben übertragener Infektionen sowie zu einer Verbesserung der Haltungsbedingungen leisten. Wartezeiten bei essbaren Geweben und Eiern sind nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht zu berücksichtigen. Anders als bei chemischen Wirkstoffen ist auch eine Resistenzentwicklung nach gegenwärtigem Kenntnisstand unwahrscheinlich.
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