Die Forstbetriebe leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Dieser sollte nach Meinung des Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft deutlicher in die „Waldstrategie 2050“ der Bundesregierung aufgenommen werden. Denn wegen der vielen klimabedingten Schadereignisse brechen den Waldbesitzern derzeit Einnahmen weg, die zur Wiederbewaldung und zum Waldumbau nötig wären. In insgesamt zehn Handlungsfeldern beschreiben die Wissenschaftler, was zur Unterstützung der Waldbesitzer erforderlich ist.
„Brotbaum“ ist alternativlos
Trotz der vorhandenen Förderinstrumente befürchten die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik (WBW), dass viele Waldbesitzer künftig nicht mehr in der Lage sind, die Lasten des Waldschutzes, der Wiederaufforstung und der Verkehrssicherung zu tragen. In dem Fall ist es unmöglich, der Gesellschaft die Ökosystemleistungen wie bisher kostenfrei bereitzustellen.
Die Anpassung der Wälder übersteige in vielen Fällen die ökonomischen und personellen Kapazitäten vieler Waldbesitzer. Daher müssen die bestehenden Förderrichtlinien für den Privat- und Kommunalwald überprüft werden, stellt der WBW fest. Für den Kleinprivatwald sind zudem attraktivere Bewirtschaftungskonzepte und angepasste Fördermöglichkeiten nötig.
Die größte Gefährdung des Einkommens der Waldeigentümer sieht der WBW im weit verbreiteten Absterben vor allem der Fichte aber auch anderer Baumarten. Der mitunter wirtschaftlich dramatische Ausfall der Fichte als „Brotbaum“ der Forstwirtschaft verunsichere die Waldbesitzer, da vielfach keine gleichwertig erfolgversprechende Alternative zur Verfügung stehe. Der Einsatz von potenziell geeigneten neuen Baumarten oder auch nur neuen Herkünften bekannter Baumarten treffe häufig auf Unverständnis bis offene Kritik von Seiten bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, teilt der Wissenschaftliche Beirat mit.
Eingreifen, statt zuschauen
Die größte waldbauliche Herausforderung besteht in der langfristigen Entwicklung ökologisch stabiler und zugleich produktiver Wälder, die sämtliche Waldfunktionen erfüllen, schreiben die Wissenschaftler. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Klimawandels sowie eingeschleppte Schadorganismen gefährden dieses Ziel jedoch. Aus Sicht der Forstexperten unterstreicht das die Notwendigkeit, eingeführte Baumarten zu erproben, denn die rapiden klimatischen Veränderungen würden vielerorts die Anpassungsfähigkeit der heimischen Baumarten überfordern.
Bisher wurde die naturnahe Waldwirtschaft vielfach als „Universallösung“ für die waldbaulichen Herausforderungen der Zukunft präsentiert. Einige typische Elemente der „naturnahen Waldwirtschaft“ können aus Sicht der WBW-Mitglieder jedoch die nötigen Anpassungen erschweren. Dazu zählen die Wissenschaftler beispielsweise das Festhalten an Naturverjüngung, wo diese künftig nicht mehr standortgerecht sein wird. Ein weiteres Beispiel ist das Ausnutzen von Selbstdifferenzierung und der natürlichen Astreinigung im Laubholz, wenn durch gezielte Eingriffe sowohl die Wertleistung der Bestände gesteigert, der Erhalt von Mischbaumarten verbessert, die Wasserkonkurrenz gemindert und die Risiken durch eine verkürzte Produktionszeit gesenkt werden könnten.
Weil Schadereignisse sehr wahrscheinlich weiter zunehmen, sollten die „unvermeidlichen Störungen“ genutzt werden, um die Wälder über Baumartenwechsel und -anreicherung langfristig widerstandsfähiger zu gestalten. Ziel müssen demnach Mischbestände mit wenigstens drei unterschiedlichen Baumarten sein, die sowohl an das gegenwärtige als auch das künftige Klima angepasst sind. Dabei spielen für die Wissenschaftler auch eingeführte Gehölze eine wichtige Rolle.
Jagd nach Zielvorgabe
Die Waldbesitzer sollten wo immer möglich auf Naturverjüngung sowie Kombinationen von natürlicher und künstlicher Verjüngung setzen – sofern standortgerecht, empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik. Allerdings sind sich die Experten einig: Eine erfolgreiche Verjüngung gemischter Wälder ist ohne angepasste Wildbestände nicht möglich. Darum erfordere es eine konsequente und effiziente Bejagung, orientiert an den Zielen der Waldbesitzer.
Bundesjagdgesetz erneuern
Die fatalen Folgen des Klimawandels verdeutlichen es: Reinbestände sind kaum zukunftsfähig und strukturreiche Mischbestände müssen her. Wegen der gebietsweise deutlich zu hohen Reh-, Rot-, Dam- und Sikawilddichten ist das aber nicht möglich, meint auch die Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) und fordert darum eine Novelle des Bundesjagdgesetzes. Unterstützt wird die ANW unter anderem von den Naturschutzverbänden NABU und BUND sowie dem Deutschen Forstwirtschaftsrat.
Theorie und Wirklichkeit
Die gesetzlichen Vorgaben des Jagd- und Forstrechts verpflichten dazu, die Schalenwildbestände durch die Ausübung der Jagd dauerhaft auf ein wirtschaftlich waldverträgliches Niveau zu regulieren. Vielerorts in Deutschland besteht aus Sicht der ANW aber eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem gesetzlichen Auftrag und seiner praktischen Erfüllung.
„Das bundesweite BioWild-Projekt der ANW kommt nach fünf Jahren Untersuchung unter anderem zu dem Ergebnis, dass innerhalb der 248 Weisergatter 2,5-mal mehr Baumarten und 6,5-mal mehr Sämlinge vorkommen, als außerhalb der Gatter“, sagt Hans von der Goltz, Bundesvorsitzender der ANW.
Die behördlichen Abschussvorgaben und auch die Abschussergebnisse zeigen einen deutlichen Anstieg der Schalenwildbestände in den vergangenen Jahrzehnten, ergänzt von der Goltz. Kurzum: Die Wildschäden gefährden die nachhaltige, naturnahe Bewirtschaftung des Waldes und den Aufbau strukturreicher klimastabiler Wälder. Darüber hinaus erfordern gravierende Schwarzwildschäden in der Landwirtschaft eine intensive und ebenso konsequente besitzartenübergreifende Bejagung im Wald.
Jäger üben scharfe Kritik
Jäger lehnen die Waldstrategie 2050 ab - das gilt besonders für das Kapitel "Wald und Wild". Der Deutsche Jagdverband (DJV) und fünf weitere Organisationen zeigen sich enttäuscht, dass zahlreiche inhaltlich fundierte Vorschläge für den Waldumbau bisher nicht in der Strategie berücksichtigt wurden.
Auch die Vorgehensweise kritisiert der DJV: Viele Punkte sind vage formuliert und könnten sogar Gesetzesänderungen nach sich ziehen. Es drohen laut DJV eine Schwächung des Reviersystems oder verpflichtende Verbissgutachten. Diese wären ohne Gesetzesänderungen nicht umsetzbar. Die Bundesregierung missachtet damit die Gewaltenteilung: Sie schafft mit dem vorliegenden Entwurf der Waldstrategie 2050 eine Grundlage für die Zukunft von Jagd und Forstwirtschaft ohne den Bundestag einzubinden, teilt der DJV mit.
Wildtiere als Sündenbock für waldbauliche Misserfolge
Zwar betont das Papier eingangs, Wald und Wild gehörten untrennbar zusammen. In den weiteren Ausführungen werden allerdings "deutschlandweite überhöhte Wilddichten" als alleinige Ursache für waldbauliche Misserfolge verantwortlich gemacht, kritisiert der DJV weiter.
Die Waldstrategie 2050 sieht folglich den Abschuss von Wildtieren als alleinige Lösung für den Waldumbau vor. Ignoriert werden unter anderem die Ergebnisse der Bundeswaldinventur von 2012: Auf jedem Hektar Waldfläche in Deutschland sind durchschnittlich über 4000 unverbissene Bäume der Verjüngungsphase (20 bis 130 Zentimeter Höhe) zu finden, erklärt der Verband weiter.
Nadelbäume dominieren weiterhin
Mit dem Entwurf der Waldstrategie 2050 wird eine große Chance vertan, die Fehler einer wenig erfolgreichen Forstpolitik der vergangenen 30 Jahre zu beheben, meint der DJV. Nach wie vor ist jeder zweite Waldbaum in Deutschland ein "anfälliger" Nadelbaum, 27 % der Waldfläche bestehen nur aus diesen. Dort wachsen folglich aus Samen fast ausschließlich Nadelbäume nach. Besonders die Fichte hat unter Dürre, Stürmen und Schädlingen zu leiden und soll ersetzt werden.
Abgestimmtes Jagd- und Forstkonzept notwendig
Jagd und Waldbau müssen künftig zusammen gedacht werden, urteilt der DJV. Der Jagdverband und weitere Organisationen fordern eine Betrachtung des gesamten Ursachenkomplexes für Wildschäden. Beispielsweise dominieren vielerorts äsungsarme Waldstrukturen, der Freizeit- und Bejagungsdruck ist hoch. Ein Umbau der Wälder kann nur mit einem abgestimmten Konzept aller Akteure gelingen. Auf entstehenden Aufforstungsflächen müssen Jäger als Partner der Waldbesitzer schwerpunktmäßig stärker bejagen. Die Forstwirtschaft muss mehr in Schutz und Pflege von Jungbäumen investieren. Gleichzeitig benötigen Wildtiere Ruhezonen, in denen Jagd, Tourismus und Forstwirtschaft eingeschränkt werden.
Wald muss einen Lebensraum bieten
Der DJV fordert bei der Wiederbewaldung einen vielfältigen Lebensraum für das Wild zu schaffen, unter anderem mit geeigneten Rückzugsräumen. Demnach müssen Waldinnenränder und -außenränder mit Kräutern, Sträuchern und Weichhölzern staatlich gefördert werden. Sie dienen aus Sicht des Jagdverbandes der Artenvielfalt und sind Nahrung für Pflanzenfresser – das helfe, Wildschäden an wirtschaftlich relevanten Baumarten zu vermeiden.
Außerdem müssten Wildschäden neu bewertet werden: Es sei nicht ausschlaggebend, wie viele Jungbäume in Pflanzungen oder Naturverjüngungen von Reh- und Rotwild geschädigt werden. Die Kenngröße müsse heißen: Wie viele Bäume des Zielbestandes pro Fläche bleiben unverbissen? Die derzeit gängigen Verbissgutachten messen nur, wie viele Bäume verbissen sind. Darum lehnt der DJV dieses Verfahren der Wildschadensbewertung ab.