Am 24. Juni, „Johanni“, ist die Spargelernte 2020 schon wieder Geschichte. Wie ist die bisherige Ernte gelaufen? Hat es Corona-bedingte Engpässe bei den Saisonkräften aus Osteuropa gegeben? Und wie haben sich die 1000 Betriebe in Westfalen-Lippe, die regulär etwa 25.000 Personen insbesondere aus Polen und Rumänien beschäftigen, angepasst?
Nun, auf jedem Hof sieht es etwas anders aus. Das wurde bei einem Pressegespräch auf dem Betrieb Schulze Blasum in Werne-Stockum deutlich. Eingeladen hatten der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) und Familie Laurenz, die den Hof (100 ha Eigentum) seit Generationen bewirtschaftet.
Betrieb wurde umgestellt
Vor acht Jahren hat , verheiratet, ein Kind, den Ackerbaubetrieb mit Schweinemast in einen Sonderkulturbetrieb umgebaut. Der 35-Jährige baut heute Spargel (18 ha), Erdbeeren (3 ha), Buschbohnen, Zwiebeln und weiteres Gemüse an. Daneben verkauft die Familie in ihrem Hofladen Eier, Gänse, Puten, Enten aus Freilandhaltung sowie auch Wildfleisch.
Der Hof liegt direkt an der Kreisgrenze Unna vis-à-vis zur Stadt Hamm (Bockum-Hövel). In ihrer Nachbarschaft leben viele Familien mit türkischen Wurzeln, die einst im Bergbau arbeiteten. Sie kaufen gern frisches Gemüse, Eier und Geflügel und pflücken die Erdbeeren auf dem Feld.
Wie hat Familie Laurenz bislang die Pandemie verkraftet? „Unser größtes Problem war der fehlende Absatz“, schildert der Betriebsleiter. In den letzten Jahren hat Laurenz etwa 60 % seines Spargels über zwei Großhändler an die Gastronomie vermarktet, 40 % waren Direktabsatz. „Der Gastronomieabsatz war ab Mitte März tot. Flott lief und läuft dagegen der Spargelverkauf im Hofladen.“ Weil der Spargelabsatz fehlte, hat Laurenz 4 ha vorzeitig stillgelegt.
Hygieneregeln eingehalten
Hohe bürokratische Hürden musste der Arbeitgeber mit Blick auf seine Saisonkräfte aus Rumänien überwinden. Sie kamen per Flugzeug aus ihrem Heimatland, anschließend brachte sie Laurenz auf eigene Kosten in einer Pension unter, wo sie alle Hygieneregeln einhalten konnten. Laurenz zollt seinen Mitarbeitern großes Lob. „Sie haben zu fast 100 % die Hygiene- und Abstandsregeln bei der Arbeit auf dem Feld und der Unterbringung eingehalten.“ Die Bezirksregierung Arnsberg hat den Hof Laurenz kontrolliert und dabei fast keine Mängel festgestellt.
In den Vorjahren hat Familie Laurenz im Schnitt 30 Saison-AK beschäftigt. Jetzt sind noch 21 Rumänen da, 10 sind bereits wieder abgereist. „Weil der Spargelabsatz fehlt, benötigen wir etwa ein Drittel weniger Kräfte. Eine große Erleichterung für uns war aber auch, dass die Mitarbeiter jetzt statt drei Monate bis zu fünf Monate hier bleiben dürfen“, schildert der Betriebsleiter. Auf dem Pressegespräch wehrte sich der 35-Jährige vehement gegen Vorwürfe von Agrarpolitikern von Bündnis 90/Die Grünen, die Landwirte würden ihre Helfer aus Polen oder Rumänien schlecht behandeln oder das Spargelstechen sei „Sklavenarbeit“ (laut MdB Renate Künast). Diese Polemik sei unerträglich und „verletzt mich persönlich aufs Tiefste“, sagte Laurenz. „Bei uns haben die Mitarbeiter Familienanschluss. Wir haben einen Fußballplatz, Swimmingpool, veranstalten Grillabende und vieles mehr.“ Der Betriebsleiter beherrscht zum Teil sogar die rumänische Sprache. Er sagt: „Unsere Mitarbeiter verdienen bei uns in wenigen Wochen ein rumänisches Jahresgehalt. Sie sind zuverlässig und fleißig. Sie werden von uns wertgeschätzt. Wer die Realitäten nicht kennt, sollte einfach mal die Klappe halten sich mit pauschaler Kritik zurückhalten.“
Mehrkosten: 1000 €/Kraft
WLV-Präsident Hubertus Beringmeier dankte den Bundesministern Seehofer und Klöckner, dass sie trotz der Pandemie die Einreise der Ost-AK doch noch ermöglicht und so die Spargel- und Erdbeerernte in Deutschland gerettet hätten. Gleichzeitig müsse man aber auch sehen, dass die hiesigen Betriebe enorme Mehrkosten schultern müssten. Der Flug (für Kräfte aus Rumänien), die Unterbringung sowie die Hygienemaßnahmen würden sich in der Summe auf etwa 1000 € pro Saison-AK belaufen. „Diese Mehrkosten können die Betriebe nicht über höhere Produktpreise ausgleichen. Das gibt der Markt nicht her. Deshalb fordern wir unter anderem weitere steuerliche Entlastungen für Betriebe, die unverschuldet in diese Notlage geraten sind.“
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