Zu stöhnen hätte er genug gehabt: Die Kalamitätsmengen steigen, alle Baumarten leiden, die Forstbetriebe verlieren Geld. Gleichzeitig ist die Privatisierung der Holzvermarktung sowie Umstellung auf die direkte Förderung angelaufen. Dennoch versprühte Andreas Wiebe, Leiter von Wald und Holz NRW, Optimismus: „Wir sollten die Krise als Chance sehen!“
Die Zeiten von „Einmal Fichte geht noch“ seien vorbei – und zwar aus ökonomischen und ökologischen Gründen. Doch damit könnten sich auch waldbaulich neue Türen öffnen. Welche das sein können, diskutierten etwa 120 Teilnehmer gestern auf dem 10. Arnsberger Waldforum im Forstlichen Bildungszentrum in Arnsberg unter dem Titel „Wald der Zukunft“.
Keiner der zwölf Referenten zweifelte am Klimawandel: Es wird insgesamt wärmer, die Hitzeextreme und Starkniederschläge nehmen zu, gleichzeitig bleiben Phasen mit sehr kalten Temperaturen, die Wettervarianten steigen. Offen sei nur noch, um wie viel Grad Celsius es wärmer werde. „Die Verlierer dabei sind Fichte, Lärchenarten, Buche und zum Teil auch Kiefer“, sagte Prof. Dr. Andreas Bolte vom Thünen-Institut in Braunschweig. Er ist deshalb davon überzeugt, dass der Klimwandel die bisherigen Leitsätze infrage stellt. So würden die Empfehlungen „Waldbauliche Entscheidungen gelten für Jahrzehnte“, „Lokale Herkünfte bieten immer das beste Material für Verjüngung“ sowie „Naturverjüngung und natürliche Waldentwicklung bieten die beste Grundlage für die Waldanpassung“ heute so nicht mehr gelten.
Ähnlich sahen das Dr. Peter Bang von der Eidgenossenschaftlichen Forschungsanstalt für Wald, Schnee, und Landschaft in der Schweiz sowie Prof. Dr. Oliver Gailing von der Georg-August-Universität Göttingen in ihren Referaten. Die Bäume seien von Natur aus Migranten, die Vegetation sei dynamisch. Das Problem nur: Die natürliche Wanderung der Bäume Richtung Norden aufgrund der steigenden Temperaturen läuft langsamer als es für den Anstieg der Temperaturen nötig wäre. Deshalb hätten einige Baumarten Probleme.
Wie reagieren?
Doch welche Anpassungsmöglichkeiten haben Waldbesitzer? Zum Beispiel über das Herkunftsgebiet ihres Pflanzgut. Je trockener das Herkunftsgebiet, desto trockentoleranter ist die Pflanze, verdeutlichte Bolte. Das gelte vor allem für Buche, bei Fichte sie die Differenzierung deutlich geringer.
Zudem nannte Bolte als eine Anpassungsvariante die „Unterstützte Wanderung“ (Assisted Migriation). Darunter versteht er die Nutzung nicht-heimischer Herkünfte, die Mischung heimischer und eingeführter Arten und den Anbau von Exoten. Er verdeutlichte, dass dafür eine engere Verzahnung von Forschung und Praxis nötig sei.
In eine ähnliche Richtung plädierte Dr. Bernhard Hosius von der Isogen Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung in Göttingen. Wenngleich er der festen Überzeugung ist, dass die einheimischen Baumarten das Potenzial haben, sich an den Klimawandel anzupassen. Das zeige ein Klimarückblick auf die vergangenen drei Millionen Jahre. „Wir sollten Naturverjüngungen übernehmen, das Potenzial wird unterschätzt. Sie müssen aber standortgerecht sein“, sagte er. Zu den eingebürgerten Arten zählte er zum Beispiel Douglasie, Roteiche, Küstentanne, Japanische Lärche, Hemblocktanne, Nordmanntanne und Thuja. „Diese sollten wir weiterverwenden. Es darf hierbei keine ideologische Begrenzung geben“, sagte Hosius. Bei den Exoten riet er abzuwarten, bis verschiedene Institutionen Versuche dazu gemacht hätten.
Probleme des Mischwaldes
Der Waldumbau zu klimastabilen Mischwäldern läuft bereits seit Jahren, machte Wiebe bereits im Eingangsreferat deutlich. Doch dabei treten immer wieder Hürden auf. Zum Beispiel beim Saatgut. „Wir produzieren im Blindflug. Wir ziehen Pflanzen hoch, verbrauchen dafür Ressourcen und vernichten diese Pflanzen dann“, kritisierte Alain Paul vom Verband Deutscher Forstbaumschulen. Er wünscht sich eine bessere Planung des Bedarfs auf zwei bis drei Jahre sowie eine bessere Kommunikation.
Dass die Saatgutversorgung ohnehin bereits schwierig ist, verdeutlichte Karl-Heinz Moser von PlusBaum Samen. „Wir finden keine Leute mehr, die Bucheckern und Eicheln sammeln. Nur bei den Zapfenpflückern geht es noch“, sagte er. Zudem gebe es Probleme, Saatgut aus anderen Ländern zu besorgen.
Ein weiteres Problem bei Mischwäldern sind die Verbissschäden. „Ohne Gatter sind Mischbestände im Arnsberger Wald nicht möglich“, meldeten sich Waldbesitzer aus dem Auditorium zu Wort und forderten eine finanzielle Förderung zum Gatterbau. „Diese wird es nicht geben!“, machte Wiebe deutlich. Er plädiert für eine angepasste Jagdpraxis sowie einer Verbindung von Forstwirtschaft und Jagdmanagement.
Wie das gelingt, zeigte Dr. Franz Straubinger von der Hatzfeld-Wildenburg`schen Verwaltung. Diese betreibt auf etwa 15000 ha in Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Thüringen eine ökologisch und ökonomisch ausgerichtete Waldwirtschaft. Sein Ziel sind weniger als 5 % Leittriebverbiss. Dazu ist eine intensive Jagd nötig. Damit diese auch stattfindet, hält Straubinger sehr engen Draht zu den Jägern und unterstützt sie auf vielen Wegen. Nur ein Beispiel: „Seine“ Jäger brauchen sich nicht um die Vermarktung der Strecke kümmern. Straubinger nimmt den Jägern alles ab. „Sie sollen den Kopf für die Jagd frei haben, nicht für die Vermarktung“, sagt er.
Ein dritter Knackpunkt bei Mischwäldern ist die Vermarktung der Laubhölzer. „Wir brauchen nicht nur einen Umbau des Waldes, sondern auch einen Umbau der abnehmenden Industrie. Denn diese fragt aktuell zu 90 % Nadelholz nach“, forderte ein Teilnehmer aus dem Auditorium. Straubinger stimmte dem zu: „Wenn Mischwald, dann brauchen wir Partner am Markt, die das Holz auch kaufen.“
Dass sich die Sägewerke in den nächsten Jahren noch umstellen müssen, glaubt auch aus der Schweiz: „Kurzfristig brauchen sie sich keine Sorgen machen. Aber langfristig bekommen sie deutlich weniger Nadelholz.“
Wortgefecht zum Schluss
In der Abschlussdiskussion gab es dann noch ein Wortgefecht zum aktuellen Ausmaß der geschädigten Waldfläche in Deutschland. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) schätzt, dass etwa 180000 ha geschädigt sind. „Das ist viel zu wenig! Es sind bestimmt 800000 bis 1000000 ha“, sagte Rainer Strunz, Forstunternehmer aus Passau. Friedrich Schmitz vom BMEL hielt dagegen: „Diese Zahlen haben die Länder geliefert. Mehr ist es nicht.“ Das konnte Strunz nicht glauben: „Da müssen Sie doch nur mit offenen Augen durch Deutschland fahren, dann wissen Sie, dass es mehr ist. Und warum gibt es eigentlich noch immer keine Fernerkundung – Schweden hatte diese schon vor etlichen Jahren sehr erfolgreich?“ Diese gebe es in NRW und Bayern schon, konterte Schmitz, aber es dauere noch zwei Jahre, bis sich das auf ganz Deutschland übertragen lasse. „Und im März 2020 fragen wir die Schadensflächen erneut bei den Ländern ab. Dann wissen wir mehr.“