Tierhalter brauchen Klarheit

Prof. Dr. Isermeyer, Präsident des Thünen-Instituts, fordert eine Grundsatzentscheidung der Politik über die Zukunft der ­Tierhaltung. Anstatt sich weiter "irgendwie durchzuwursteln", müsse vor allem die Politik jetzt klare Entscheidungen treffen.

Die Chancen einer grundlegenden Neuausrichtung der Tierhaltung für die hiesigen Landwirte betont der Präsident des Thünen-Instituts, Prof. Dr. Folkhard Isermeyer. Nach seiner Überzeugung wird die Nutztierbranche nur dann aus ihrer „zermürbenden Dauer-Defensive“ herauskommen, wenn es ihr gelingt, einen Gesellschaftsvertrag mit überzeugenden Zielbildern und ­einem verlässlichen Finanzierungskonzept abzuschließen.

Politik ist gefordert

Der Wissenschaftler sieht in erster Linie die Politik gefordert: Sie müsse klar entscheiden, ob sie eine grundlegende Umgestaltung der Nutztierbranche erreichen wolle, anstatt sich weiter „irgendwie durchzuwursteln“. Im nächsten Schritt müssten Zielbilder für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung konkretisiert und mit der Investitionsförderung sowie einer Tierwohlprämie die notwendigen Finanzierungsinstrumente eingerichtet werden. Parallel dazu müsse das Bau- und Umweltrecht auf diese neue Linie ausgerichtet werden. „Nur dieses Gesamtpaket schafft Planungssicherheit für die Landwirte“, betont der Thünen- Präsident. Den Zeitraum für den Umbau der Tierhaltung veranschlagt Isermeyer auf 20 Jahre.

Tierwohllabel bringt kaum Vorteile

Den gegenwärtigen politischen Streit um ein staatliches Tierwohllabel hält der Agrarökonom für ­einen Nebenkriegsschauplatz, der weder für den Tierschutz noch für die Landwirte spürbare Vorteile bringe. Demgegenüber schaffe eine Tierwohlprämie Planungssicherheit für die Investoren. Die Prämie müsse dabei so bemessen sein, dass sie die Kostendifferenz zwischen dem gesetzlichen Standard und einem angestrebten Zielstandard ausgleiche. „Selbst wenn der Erzeugerpreis für Milch und Fleisch weiterhin auf dem normalen EU-Niveau bleibt, ist die Umstellung auf Tierwohlproduktion für die Landwirte einkommensneutral“, erläutert Isermeyer.

Zur Finanzierung setzt er auf ein Steuer- oder Abgabenmodell. Am erfolgversprechendsten ist für Isermeyer ein Verzicht auf die Mehrwertsteuerermäßigung für Milch- und Fleischerzeugnisse. Zweifeln an der Verlässlichkeit dieser Finanzierung begegnet er mit dem Hinweis auf die Biogasförderung, die Agrarsozialpolitik und die EU-Direkt­zahlungen.

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