Was kommt auf die Landwirte zu?

Agrarpaket: Inhalte und Reaktionen

Kürzung der Direktzahlungen, Einschnitte für Pflanzenschutzmittel und staatliches Tierwohllabel: Das Bundeskabinett hat ein Agrarpaket beschlossen. Ein Überblick über die Inhalte und Reaktionen.

Die Bundesregierung hat sich am Mittwoch vergangener Woche im Kabinett auf ein umfangreiches Agrarpaket geeinigt. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Umweltministerin Svenja Schulze haben nach langem Ringen drei Kompromisse geschlossen:

  1. Änderung Direktzahlungen-Durchführungsgesetz: Die Umschichtung der Agrarmittel von der Ersten in die Zweite Säule soll im kommenden Jahr von derzeit 4,5 auf 6% steigen.
  2. Aktionsprogramm Insektenschutz: Die Bundesregierung will den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln stark einschränken und Glyphosat ab Ende 2023 ganz verbieten.
  3. Staatliches Tierwohllabel: Ein freiwilliges staatliches Tierwohllabel soll die Herkunft tierischer Produkte kennzeichnen. Starten soll das Label bei Schweinefleisch.

Die Reaktionen zum Agrarpaket fielen sowohl in der Politik als auch in der Branche unterschiedlich aus. Es gab Zuspruch, zum Teil aber auch scharfe Kritik. Deshalb dürften die Diskussionen noch anhalten. Denn vor dem Inkrafttreten des Gesetzespaketes muss der Bundestag noch zustimmen. Es kann noch Änderungen geben.

Direktzahlungen: Geld anders verteilt

Die Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule soll im kommenden Jahr von derzeit 4,5 auf 6% steigen. Dadurch sinken die Direktzahlungen um rund 75 Mio. €, die künftig in der Zweiten Säule zur Verfügung stehen. Der höhere Umschichtungssatz im sogenannten Direktzahlungen-Durchführungsgesetz gilt zunächst für 2020.

Julia Klöckner (CDU) hatte eine höhere Umschichtung bislang immer abgelehnt. Nun stimmte sie der SPD-Forderung zu – offenbar, um sich im Gegenzug die Zustimmung der SPD beim Staatlichen Tierwohllabel zu erkaufen. Die Kürzung der Direktzahlungen betrage im Schnitt nur 4,50 €/ha, sagte Klöckner. Gleichzeitig würden 90% der frei werdenden Mittel in der Landwirtschaft verbleiben, weil sie für Agrarumweltmaßnahmen zur Verfügung stünden. Das Gesetz soll zudem eine Bagatellregelung enthalten, nach der bei der Umwandlung von Grünland in Ackerland die Genehmigungspflicht entfällt, wenn ein Landwirt maximal 500 m² im Jahr umbrechen will.

Die Reaktionen
Bundesumweltministerin Schulze begrüßte den Kabinettsbeschluss als „einen wichtigen Schritt zur Neugestaltung der EU-Agrarpolitik“. Ansonsten fielen die Reaktionen gemischt aus. Die CDU/CSU-Fraktion ist zufrieden, da die Umschichtung moderat ausgefallen ist. Die SPD hätte sich einen höheren Umschichtungssatz gewünscht, da das EU-Recht bis zu 15 % zulässt, spricht aber gleichwohl von einem Erfolg für die SPD. Kritisch sieht es die Opposition: Für die Grünen geht die Anhebung nicht weit genug, die Linken bezweifeln, dass das Geld dort ankommt, wo es nötig ist und die AfD wertet den Beschluss als Entscheidung gegen bäuerliche Familienbetriebe.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, erwartet „zusätzliche schmerzhafte Einschnitte im Einkommen der Bauern.“ Ähnlich sehen es verschiedene Landesbauernverbände. Dagegen begrüßte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) die Umschichtung. Vorsitzender Dr. Felix Prinz zu Löwenstein nannte sie einen Schritt in die richtige Richtung.

Aktionsprogramm Insektenschutz

Das Insektenschutzprogramm dürfte die größten Einschnitte für die konventionelle Landwirtschaft bringen. Schulze erhofft sich eine Mengenreduktion an Pflanzenschutzmitteln von 75%. Klöckner betonte jedoch, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln grundsätzlich weiter nötig und möglich sein müsse. „Es wird Ausnahmen geben, selbst in Schutzgebieten“, zitiert „top agrar“ die Ministerin. Wichtige Inhalte des Programms:

  • Ein nationales Verbot für die Anwendung von Glyphosat zum Ende der gültigen EU-Zulassung bis spätestens 31. Dezember 2023.
  • Eine Minderungsstrategie für Glyphosat ab 2020 mit (Teil-)Verboten für die Stoppel-, Vorsaat- und Vorerntebehandlung, auf Grünland, im Wald, in Weihnachtsbaumkulturen, auf Gleisanlagen, in Privatgärten/Parkflächen.
  • Einen Mindestabstand zu Gewässern von 10 m bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln.
  • Einen Abstand von 5 m, wenn die Fläche dauerhaft begrünt ist.
  • Schon ab 2021 soll die Anwendung von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden in Schutzgebieten verboten werden. Dazu gehören FFH-Gebiete, Naturschutzgebiete, Nationalparks und Vogelschutzgebiete.
  • Artenreiches Grünland, Streuobstwiesen und Trockenmauern sollen als Biotop unter den gesetzlichen Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes fallen und ebenfalls mit Einschränkungen für den Pflanzenschutz belegt werden.
  • Die vom Umweltbundesamt geforderten 10% Ausgleichsflächen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln kommen nicht. Dafür soll von Landwirten beim Anwenden von Pflanzenschutzmitteln eine Kompensation für Biodiversität verlangt werden.

Für das Insektenschutzprogramm soll es 100 Mio. € Bundesmittel geben. Im Programm sind auch Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung enthalten. Außerdem kündigte Schulze an, Kommunen bei der Umsetzung von Insektenschutzmaßnahmen zu unterstützen. Diese sollen Bürger zu insektenfreundlichen Gärten animieren. Zudem will die Regierung die Flächenversiegelung reduzieren.

Die Reaktionen
Überwiegend positiv war die Bewertung vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) sowie dem World ­Wide Fund For Nature (WWF). Ansonsten hagelte es zum Teil mas­sive Kritik. Selbst in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es kein einheitliches Bild: Während sich die umweltpolitische Sprecherin Marie-Luise Dött offen gegenüber den Maßnahmen zeigt, sind die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann sowie Agrarsprecher Albert Stegemann in Teilen unzufrieden.
Schärfer formulierte es DBV-Präsident Joachim Rukwied. Es sei „im Grundsatz eine agrarpolitische Fehlentscheidung der Bundesregierung, wenn über das gültige Fachrecht hinaus zusätzliche Auflagen die Landwirtschaft belasten und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit deutlich schwächen.“ Auch der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) und CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Röring kündigte entschiedenen Widerstand an.

Tierwohllabel

Der Gesetzentwurf für das Tierwohlkennzeichen soll ein Baustein zum Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland sein. Die Regierung will ein einheitliches staatliches Tierwohllabel einführen, um Lebensmittel von Tieren zu kennzeichnen.

Das Label soll drei Stufen haben und freiwillig sein, jedoch an die Erfüllung bestimmter Kriterien von der Haltung über den Transport bis zur Schlachtung gebunden sein, die über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen. Festgelegt werden sollen die Kriterien in einer Rechtsverordnung. Das Bundesumweltministerium hat dabei ein Mitspracherecht bekommen. Die Kon­trolle der verpflichtenden Anforderungen an die Verwendung des Tierwohlkennzeichens soll durch private Kontrollstellen erfolgen, die die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zulässt und überwacht.

Die Bundesregierung sichert in dem Entwurf zu, sie werde die ­Initiative für ein EU-weites, verpflichtendes Kennzeichen ergreifen und sich für die Einführung eines solchen Zeichens einsetzen. Landwirtschaftsministerin Klöckner will das Label mit einer 70-Mio.-€-Werbekampagne bekannt machen. Es soll zunächst nur für Schweine gelten, sich später aber auch auf weitere Nutztiere ausweiten. Die Landwirtschaftsministerin sagte Investitionszuschüsse für Tierhalter zu. „In 10 bis 15 Jahren wird unsere Nutztierhaltung anders aussehen“, prognostizierte Klöckner. Dafür versprach sie Verbesserungen im Genehmigungsrecht für Stallumbauten für mehr Tierwohl.

Die Reaktionen
Der Koalitionspartner SPD glaubt nicht an einen Erfolg. Es sei jetzt schon klar, dass der Gesetzentwurf in dieser Fassung keine Mehrheit bekommen werde. Die SPD kritisiert unter anderem die Freiwilligkeit des Labels. Auch den Grünen reicht das geplante Tierwohlkennzeichen nicht aus, um die aus ihrer Sicht nötigen Veränderungen in der Landwirtschaft zu unterstützen.
Kritik kommt auch von Nichtregierungsorganisationen wie dem Deutschen Tierschutzbund (DTB) oder foodwatch. Sie fordern eine strengere und schnellere Umsetzung.
WLV-Präsident Johannes Röring vermisst ein schlüssiges Gesamtkonzept der Bundesregierung zur Zukunft der Tierhaltung. „Ein staatliches Tierwohllabel kann nur funktionieren, wenn die Landwirte endlich Klarheit darüber bekommen, welche und wie Tierwohlstandards in den Ställen überhaupt umgesetzt werden können“, betonte er. Derzeit seien Um- und Neubauten faktisch unmöglich. Röring macht dafür den „organisierten Tier- und Klimaschutz“ verantwortlich, der nicht bereit sei, notwendige Kompromisse einzugehen.

Mehr zum Thema:

Kommentar

Agrarpaket: Ein Paket, kein Geschenk

Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner hat ein "Agrarpaket" geschnürt. Insektenschutz, Tierwohl; Agrarumweltprogramme: Damit soll der Eindruck entstehen, die wichtigen Zukunftsfragen der...

Muss die Landwirtschaft reformiert werden?

von Patrick Liste

Die aktuellen agrarpolitischen Themen standen beim Pressegespräch des Bezirksverbandes in Bielefeld im Fokus.

Dünge-VO: Nochmals strengere Düngeregeln

von Patrick Liste, Stefanie Awater-Esper

Längere Sperrfristen und striktere Vorschriften für Hanglagen: Die Regierung will die Düngeverordnung weiter verschärfen. Offen ist, ob der EU das reicht. Die Bauernverbände schlagen Alarm.