Am Montag vergangener Woche sprachen Vertreter der großen Lebensmittelhändler mit Kanzlerin Angela Merkel über faire Wettbewerbsbedingungen und Preise, am Mittwoch brachte eine neue Aktion des Handels die Bauern auf die Palme: Händler wie Real stellten in einigen Filialen Schilder mit dem Hinweis auf, dass einige Milram-Milchprodukte derzeit nicht im Sortiment seien. Der Lieferant, das Deutsche Milchkontor (DMK), habe massive Preiserhöhungen gefordert, die der Händler so nicht akzeptieren könne, da er diese an die Kunden weitergeben müsse. Er bittet um Verständnis, dass die Produkte derzeit nicht im Sortiment seien.
Gekauft und gespendet
Das Foto und die Info verbreiteten sich blitzschnell über die Sozialen Medien unter den Landwirten. Sie waren massiv verärgert – und reagierten mit ungewöhnlichen Reaktionen: Beispielsweise haben Landwirte aus Coesfeld, Lette, Nottuln, Dülmen, Gescher und Stadtlohn am Mittwochabend den Real-Markt und Coesfeld angesteuert und nahezu sämtliche Milram-Produkte gekauft. In vielen anderen Städten fanden ähnliche Aktionen statt, so soll es im Real-Markt in Dülmen überhaupt keine Milram-Produkte mehr gegeben haben. Ziel: Über die Konsumenten Druck aufbauen, damit der Händler die Produkte wieder listet. Die mehreren Einkaufswagen voll mit Milram-Produkte haben die Coesfelder Landwirte an eine Tafel gespendet.
DMK macht ernst
Auslöser der Verärgerung sind laufende Gespräche über die Einkaufspreise des Handels zwischen DMK und dem Einkaufsbündnis Retail Trade Group (RTG), dem Real, Metro Cash+Carry, Kaes, Klaas+Kock, Bartels-Langness, Bünting und Netto Supermarkt angehören. „Aufgrund der laufenden und noch offenen Konditionsgespräche mit RTG müssen wir vorübergehend die Belieferung der genannten Supermärkte einstellen“, erklärt DMK-Sprecher Oliver Bartelt auf Nachfrage. In anderen Supermarktketten sei das Sortiment aber weiter erhältlich. Weiter sagt Bartelt: „Wir sind in unserer neuen Denkweise als Lebensmittelhersteller heute anders unterwegs als in der „alten“ DMK mit starken „Verarbeiter“-Verständnis. Zudem sind wir heute viel besser aufgestellt, um in wie jetzt in laufenden Gesprächen keine Preise zu akzeptieren, die nicht sicherstellen, dass wir unseren Landwirten ein auskömmliches Milchgeld auszahlen zu können.“
Verständnis für Vorgehen
Volles Verständnis dafür hat Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer vom Milchindustrie-Verband: „Konsequentes Verteidigen von gerechtfertigten moderaten Preiserhöhungen werden mit Auslistung und Anprangern bestraft, das geht gar nicht.“ Michael Kutz, Geschäftsführer bei RTG, weist gegenüber „top agrar“ den Vorwurf des Preisdumpings zu Lasten der Landwirte zurück. Er wirft dem DMK einseitiges Vorgehen vor, dass letztlich die dominierenden Händler wie Edeka, Rewe und Aldi stärke und die Landwirte weiter schwächer.
Wie geht es weiter? Dazu DMK-Sprecher Oliver Bartelt: „Wir sind mit der RTG-Gruppe in Gesprächen, um unser Sortiment bald auch wieder in Märkten der RTG anbieten zu können. In der laufenden Debatte über faire Preise wird auch der RTG-Gruppe bewusst sein, wie sich die von uns geforderten Preiserhöhungen begründen. Als Genossenschaft gehen Erlöse immer ungefiltert direkt auf die Höfe.“
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