Medienkommentare

Lebensmittel-Gipfel: Wie die Presse urteilt

Der gestrige Lebensmittel-Gipfel im Kanzleramt hat ein reges Medienecho ausgelöst. Aus den vielen Kommentaren haben wir einige markante Stimmen ausgewählt.

Nach dem Lebensmittel-Gipfel im Kanzleramt staunt die Frankfurter Allgemeine Zeitung, wie schnell sich die Gewichte verschoben haben. Noch im Sommer 2018 seien die Landwirte mit ihrer Forderung nach 1 Mrd. € Dürrehilfe politisch geächtet worden. Und jetzt? „Heute werden sie von der Bundesregierung regelrecht hofiert. Erst zückte der Koalitionsausschuss mal eben eine Milliarde, um den Unmut über die strengere Düngeverordnung zu lindern. Nun ermahnt die Bundeskanzlerin den Handel, es mit den Sonderangeboten doch bitte nicht zu übertreiben. Dass die Verbraucher vom Wettbewerb zwischen den vier großen Supermarktketten enorm profitieren, spielt in der Debatte kaum eine Rolle. Hauptsache, die Landwirte gehen nicht länger auf die Straße.“

Die FAZ wertet es als gute Nachricht des Gipfeltreffens, dass sich die Bundeseregierung klar gegen staatlich diktierte Mindestpreise für Lebensmittel ausgesprochen habe, wie es etwa von Seiten der Grünen gewünscht werde. Aber: „Ein solches System würde die Landwirte noch stärker dazu ermuntern, immer mehr zu produzieren, als dies heute schon der Fall ist. Die Milchseen und Butterberge der achtziger Jahre, als es schon einmal staatliche Mindespreise gab, sollten allen eine Mahnung sein."

Kein "Sozialismus mit Mindestpreisen"

Ähnlich sieht das die Hessische / Niedersächsische Allgemeine (HNA) aus Kassel: „Es ist der Bundeskanzlerin hoch anzurechnen, dass sie kein Missverständnis über die Frage zulässt, ob mit ihr eine Art Sozialismus mit staatlich verordneten Mindestpreisen zu machen sei. Umso mehr kommt es aber auf die Verbesserung bestehender Regelungen an: Dumpingverbote, Kündigungs- und Stornierungsbedingungen von Lieferverträgen, die Regulierung von Sondervereinbarungen über Produktbedingungen. Auch die verabredete Beschwerdestelle für Landwirte erscheint sinnvoll. Letztlich aber kommt es auf den Kunden an.“

Klöckner sollte nicht nur ankündigen

Erzeugerpreise und Verkaufspreise zu niedrig, Discounter zu stark – die Süddeutsche Zeitung stimmt in diesen Punkten zu und weist darauf hin, dass der Missbrauch der Einkaufsmacht bald mit Geldstrafen sanktioniert werden könne, wenn denn die EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werde. „Klöckner sollte das nicht nur ankündigen, sondern auch tun“, so die SZ. Und weiter:

„Unverständlich ist, warum die Ministerin Obst- und Gemüsebauern energisch schützen will, beim großen und offensichtlichsten Problem aber, dem Billigfleisch, kleinlaut bleibt. Ein freiwilliges Tierwohl soll genügen, vielleicht irgendwann. Das ist schlimm, denn vor allem beim Fleisch wären der Handlungsbedarf und die gesellschaftliche Akzeptanz, etwas zu ändern, da. Die unternehmerische Freiheit ende da, wo Nutztierzucht zur Quälerei wird und die Bauern in ihrer Existenz bedroht sind. Das bessere Thema des Gipfels wäre daher der schnellere Umbau der Haltungsbedingungen und dessen Finanzierung gewesen.“

"Die Mindeststandards fehlen"

Auf dieselbe Leerstelle weist die Stuttgarter Zeitung hin: „Wenn Agrarministerin Julia Klöckner unanständig niedrige Fleischpreise beklagt, vergisst sie zu erwähnen, wie die Billigproduktion zulasten der Tiere möglich ist – nämlich dadurch, dass Berlin in der Geflügel- und Schweinehaltung keine gesetzlichen Mindeststandards vorgibt. Die Bürger wiederum können ihre Marktmacht nicht ausspielen. Es gibt im Supermarkt viel zu wenig Produkte, bei deren Kauf man sicher weiß, dass eine faire Vergütung beim Bauern hängen bleibt.“

Die Nürnberger Nachrichten resümieren: „Es gab wenige konkrete Ergebnisse, viele Appelle und eine Vertagung der Gespräche. Trotzdem wäre es falsch, ausschließlich über das zu schimpfen, was da stattfand. Denn die Politik hat – wenn auch viel zu spät – erkannt, dass sie nicht mehr alles den freien Kräften des Wettbewerbs überlassen kann.“