Wochenblatt: Methan rülpsende Kühe, Stickstoffemissionen durch exzessive Gülledüngung und Stallabluft. Viele sehen die Landwirtschaft als großen Klimasünder. Haben diese Menschen recht?
Ansgar Lasar: Landwirte als Klimasünder zu bezeichnen ist Unsinn. Aber, der Klimawandel hat heute schon verheerende Folgen. Wir in Deutschland bekommen mit verstärkten Starkregenereignissen und Frühsommertrockenheit zwar auch erste Auswirkungen zu spüren. Allerdings sind diese bisher noch verhältnismäßig gering. In anderen Ländern sieht das heute schon ganz anders aus. In Bangladesch zum Beispiel verlieren Landwirte ihre Existenz, weil ihre Flächen durch Überflutungen versalzen sind. Aus anderen Regionen, beispielsweise aus Teilen Afrikas, wird über immer länger anhaltende Dürreperioden mit anschließenden Überschwemmungen berichtet. Tiere verhungern und Trinkwasser für Menschen wird knapp. Wir können den Klimawandel nicht mehr stoppen, aber wir müssen dringend handeln,
um noch Schlimmeres zu verhindern. Da sind alle gefragt. Nicht nur, aber eben auch die Landwirtschaft.
Was müssen und können deutsche Landwirte denn tun?
Als Reaktion auf die Beschlüsse der Klimakonferenz 2015 in Paris hat die Bundesregierung
im Herbst 2016 den
sogenannten Klimaschutzplan verabschiedet. Der Klimaschutzplan nennt für die verschiedenen Wirtschaftsbereiche – auch für die Landwirtschaft – konkrete Treibhausgasminderungsziele. Er gibt also vor, wie viele THG- also Treibhausgas-Emissionen in den Wirtschaftsbereichen mindestens eingespart werden müssen, damit das Pariser 2-°C-Ziel erreichbar bleibt. Die deutsche Landwirtschaft verursacht laut Klimaschutzplan Emissionen in Höhe von etwa 72 Mio. CO2e pro Jahr. Bis 2030 sollen es jährlich etwa 12 Mio. t weniger sein.
12 Mio. t CO2e pro Jahr weniger Emissionen. Ist das viel oder wenig? Und wie schwer sind sie zu erreichen?
Ich halte das Ziel für unrealistisch bzw. dem globalen Klimaschutz nicht dienlich. Seit Anfang der 1990er-Jahre haben sich die THG-Emissionen aus der Landwirtschaft um 16 % verringert. Hauptsächlich in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung und bedingt durch die Abstockung von Tierbeständen. In den vergangenen
Jahren sind die THG- Emissionen wieder leicht gestiegen. Vor diesem Hintergrund erscheint das Ziel, die Emissionen in den verbleibenden 13 Jahren um 17 % zu reduzieren, sehr ambitioniert.
Gibt der Klimaschutzplan vor, wie die Einsparung realisiert werden soll?
Die Bundesregierung hat im Klimaschutzplan einige Maßnahmen formuliert. Dabei geht es um die Verringerung der Ammoniakemissionen und der Stickstoffüberschüsse. Außerdem wird die Ausweitung der Wirtschaftsdüngervergärung und des Ökolandbaues genannt. Einen weiteren Beitrag zur THG-Minderung sollen Kraftstoffeinsparungen und die Intensivierung der Forschung leisten. Lassen wir einmal den unvorhersehbaren Effekt eventueller Forschungsergebnisse außen vor, lassen sich nach unseren Berechnungen durch diese Maßnahmen höchstens 8,5 Mio. t CO2e einsparen.
Aber es sollen doch 12 Mio. t eingespart werden …
Richtig. Leider ist aus dem Plan nicht ersichtlich, wo die fehlenden 3,5 Mio. t herkommen sollen. Eine Möglichkeit, die deutsche Klimabilanz zu verbessern, wäre dann nur noch die Abstockung der Tierbestände – besonders wirksam ist das bei Rindern.
Das sind keine guten Aussichten. Aber wäre eine Abstockung der Tierbestände in Deutschland tatsächlich sinnvoll? Erfolgreich wäre die Maßnahme doch sicher nur, wenn die Deutschen dann auch tatsächlich weniger Fleisch und Milchprodukte essen würden.
Das ist aus Klimaschutzsicht das Problem: Eine Abstockung der Tierbestände in Deutschland würde wahrscheinlich nicht dazu führen, dass die Weltproduktion sinkt. Der weltweite Fleischkonsum richtet sich nicht nach der deutschen Produktionsmenge. Es käme zu einer Verschiebung der Produktion in andere Länder. Eine Abstockung in Deutschland wäre also nur eine Scheinlösung: In Deutschland würden die Emissionen sinken, in anderen Ländern dagegen steigen. Ähnliches erfolgt übrigens auch durch den Ausbau des Ökolandbaus. Die Erträge im Ökolandbau sind geringer als in der konventionellen Landwirtschaft. Was aufgrund der geringeren Erträge in Deutschland nicht wächst, muss in anderen Ländern produziert werden. Hier sind die THG-Emissionen aber unter Umständen höher. Dem Klimaschutz wird mit dieser Verlagerung kein Dienst erwiesen.
Zurück zu den Maßnahmen des Klimaschutzplanes. Sie sind relativ unkonkret. Was versteckt sich dahinter?
Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung lassen sich durch den Einbau von Abluftfiltern, die Abdeckung von Wirtschaftsdüngerlagern und beim Ausbringen von Wirtschaftsdünger senken. Für sinnvoll halte ich jedoch nur die schnelle, und zwar sofortige Einarbeitung von Gülle bzw. die Nutzung von Schleppschuhen. Schon bei einer Liegezeit von vier Stunden gehen nach der Ausbringung von 30 m3 Rindergülle rund 15 kg Stickstoff in Form von Ammoniak verloren. Das ist zum einen bares Geld. Zum anderen belastet dieser Stickstoff die Düngebilanz, ohne eine Wirkung zu erreichen.
Unverzügliches Einarbeiten ist
eine effiziente Methode, die sich meistens rechnet und noch dazu gut fürs Image ist. Es stinkt einfach weniger. Im Endeffekt ist es keine Kostenfrage, sondern eine Frage der Organisation.
Und was ist mit Abluftfiltern und der Abdeckung von Behältern?
Abluftfilter halte ich zurzeit für wirkungslos, wenn es um den Klimaschutz geht. Sie verbrauchen Strom, dessen Produktion bei dem heutigen Strommix mit hohem Kohlestromanteil viel CO2 freisetzt. In einigen Jahren, wenn keine oder nur noch wenig Kohle verstromt wird, sieht das anders aus. Die Abdeckung von Behältern macht nur Sinn, wenn sie gasdicht ist und mit einer Biogasanlage kombiniert wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass statt Ammoniak mehr Methan freigesetzt wird. Methan ist aber ebenfalls sehr klimaschädlich.
Wie viele Emissionen können durch die Güllevergärung gespart werden?
Kommt Gülle ganz frisch zur Vergärung in eine gasdichte Biogasanlage, sinken die THG-Emissionen in der Tierhaltung um 10 bis 15 %, weil der größte Teil der Emissionen aus der Güllelagerung wegfällt. Als Zusatzeffekt entsteht Biogas, das, zur Strom- und Wärmegewinnung oder als Kraftstoff eingesetzt, den Verbrauch fossiler Energieträger senkt und deren CO2-Ausstoß vermeidet. Beispielsweise wird aus dem jährlichen Gülleanfall einer Kuh in der Biogasanlage mehr Strom erzeugt, als der Durchschnittsdeutsche in seinem Privathaushalt verbraucht.
Kritiker sagen, dass die Vergärung zwar die Lagerverluste senkt, die Emissionen auf dem Acker dafür umso höher sind.
Im Gärrest liegt in der Regel mehr Stickstoff in Form von Ammonium vor als in Rindergülle. Es ist richtig, dass ein Teil des Ammoniums nach der Ausbringung als Ammoniak in die Luft geht. Und zwar umso mehr, je höher der pH-Wert der Gülle ist. Gärrest hat einen höheren pH-Wert als Gülle. Daher kommt die Kritik. Aber Gärrest ist auch besser verrührt und dünner. Er sickert schneller und besser in den Boden ein. Im Übrigen gilt natürlich auch für Gärreste meine Forderung nach unverzüglichem Einarbeiten. Wird das gemacht, geht bei der Gärrestausbringung nicht mehr Stickstoff verloren als bei der Ausbringung von Rindergülle. Ammonium ist zudem schnell pflanzenverfügbar.
Gibt es noch andere Maßnahmen, mit denen Landwirte etwas für den Klimaschutz tun können?
Unsere Landwirtschaft ist schon sehr effizient. Das ist gut so. Absolut gesehen, sind die THG-Emissionen aus der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren zwar gestiegen. Bezieht man sie aber auf das Kilo Milch oder Fleisch, dann sind sie gesunken. Hier lässt sich sicher weiter einiges verbessern: durch hohe Flächenerträge, Tageszunahmen und Milchleistungen ebenso wie durch eine verbesserte Futterverwertung. Allerdings stößt die Landwirtschaft hier schnell an die Grenzen des Tierwohls und der gesellschaftlichen Akzeptanz. Eine weitere Maßnahme ist der Aufbau von Humuskohlenstoff auf Ackerflächen. Das dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch der Bodenfruchtbarkeit und der Anpassung an Klimaveränderungen. Im Klimaschutzplan fehlt dieser Ansatz.
Noch liegen keine konkreten Forderungen an die Landwirtschaft vor. Also heißt es erst einmal abwarten?
Nein. Das wäre meiner Meinung nach grundlegend falsch. Die Landwirtschaft steht heute schnell in der Kritik. Ich halte es für besser und ergiebiger, wenn Landwirte heute schon handeln und nicht darauf warten, dass Forderungen von außen kommen. Es ist besser proaktiv zu sein, statt zu reagieren. Dazu gehört es auch, den Klimabeitrag der Landwirtschaft zu kennen und darüber zu reden. In unseren einzelbetrieblichen Klimaschutzberatungen stellen wir eine große Bereitschaft der Landwirte fest, noch klimaschonender zu wirtschaften. Viele Klimaschutzmaßnahmen rechnen sich sogar für die Betriebe. Bei anderen, zum Beispiel bei der Ausweitung der Wirtschaftsdüngervergärung, könnten staatliche Hilfen greifen.
Sollten Landwirte also lieber nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ handeln?
Landwirte müssen gar nicht angreifen. Die Fakten sprechen für sie: Die Landwirtschaft trägt einen verhältnismäßig kleinen Anteil an den gesamten deutschen THG- Emissionen bei. Nach den Zahlen des Treibhausgasberichtes verursachte die Verbrennung fossiler Energieträger 2015 in Deutschland fast 85 % der THG-Emissionen. Ganz vorne dabei ist die Kohleverstromung. Bereits heute sind die Technologien bekannt, um den Einsatz von Kohle, Öl und Gas durch erneuerbare Energien weitgehend zu ersetzen und so den dicksten Brocken der THG-Emissionen zu vermeiden. Emissionen bei der landwirtschaftlichen Produktion beruhen größtenteils auf biologischen Prozessen, die sich nicht einfach abschalten lassen. So ist bisher nicht bekannt, wie Methanemissionen aus der Verdauung von Wiederkäuern oder Lachgasemissionen aus dem Boden vermieden werden können.
Trotzdem steht die Landwirtschaft immer wieder im Fokus der Kritiker.
In unserer Gesellschaft halte ich die ständigen Diskussionen um Fleisch als Klimasünder für völlig überzogen. Selbst wenn die Deutschen ihren Fleischkonsum um die Hälfte reduzieren, würde die deutsche THG-Emission nur um weniger als 2 % sinken. Wie viele Deutsche fliegen ohne mit der Wimper zu zucken jedes Jahr in den Urlaub? Eine Flugreise nach Gran Canaria verursacht aber genauso viele THG-Emissionen wie zehn Jahre durchschnittlicher Schweinefleischkonsum. Wenn es um Klimaschutz geht, müssen Landwirte sich weder schämen noch verstecken. Aufgabe der Landwirte ist es, ihre Produkte möglichst klimaschonend zu erzeugen. Das machen sie schon ganz gut. Durch die oben genannten Maßnahmen können sie noch besser werden. Und mit guten, wissenschaftlich belegbaren Argumenten, wie sie unsere Klimabilanzen liefern, können sie gegen das ungesunde Halbwissen angehen, das die öffentliche Diskussion lenkt. Und noch eins: Landwirtschaft ist kein Selbstzweck. Wir alle leben von ihren Produkten.