Die unbequemste Botschaft des Abends hatte Professor Alfons Balmann im Gepäck. „Hat die Landwirtschaft Zukunft?“ Und: „Lohnt es sich, den Hof zu übernehmen?“, fragten die Kreisverbände Ennepe-Ruhr/Hagen und Ruhr-Lippe auf ihrem gemeinsamen Verbandstag am Donnerstag dieser Woche in Schwerte. Balmanns ebenso ermunternde wie ernüchternde Antwort: Ja, Landwirtschaft und landwirtschaftliche Ausbildung haben Zukunft. Von der Idee der Hofnachfolge sollte sich die nachrückende Generation aber möglicherweise besser verabschieden.
Treiber des Wandels
Doch einen Schritt zurück. Für Alfons Balmann, Direktor des Leibniz Instituts für Agrarentwicklung, stellt sich nicht die Frage, ob sich Landwirtschaft wandeln muss. „Der gesellschaftliche Druck ist nicht abzuwenden“, machte der Wissenschaftler deutlich. Doch nicht nur die Forderungen nach mehr Tierwohl, Klimaschutz und Biodiversität sind starke Treiber des Wandels. Auch neue digitale Technik und eine veränderte Arbeitswelt wirken auf den Agrarbereich ein. „Landwirtschaft basiert zunehmend auf Lohnarbeit“, beschreibt Balmann ein sich wandelndes Verhältnis von Familien- und Fremd-Arbeitskräften. So kommen in Niedersachsen bereits 45% der Arbeitskräfte von extern – in ostdeutschen Bundesländern wie Sachsen sind die Zahlen mit 80% ungleich höher. Mit Blick auf die demografische Entwicklung zeichne sich dem Experten zufolge zudem ein starker Fachkräftemangel in der Branche ab.
Der Druck steigt
Zukünftige Betriebsleiter stehen immer mehr unter steigendem Druck, so Balmann. Betriebsübernahmen sind Langfristentscheidungen. Von Planungssicherheit lasse sich mit Blick auf eine „schizophrene Gesellschaft“, die das eine fordert, aber das andere kauft, derzeit nicht sprechen. Auch steige die Kapitalintensität der Betriebe, die Margen zögen aber nicht mit.
Nicht zuletzt fordern auch neue Technik und gestiegene Ansprüche an die Kommunikationsfähigkeit landwirtschaftlichen Betriebsleitern immer mehr Verantwortung ab. „Diesem Druck muss man auch persönlich standhalten“, sagt Balmann. Das könne nicht jeder – und das sei auch völlig okay.
Falsche Anreize?
Balmann plädiert daher dafür, zwischen dem Beruf Landwirt und der Hofnachfolge zu unterscheiden. Wo er für ersteren eine klare Perspektive sieht, geht er bei der Betriebsübernahme gar einen Schritt weiter: „Wir schaffen enorme Anreize, Betriebe weiterzuführen, die eigentlich nicht rentabel sind – unter anderem durch die starke Förderung der ersten Hektare oder die Hofnachfolgeprämie.“ Mit Blick auf den steigenden – auch persönlichen - Druck und prognostizierten landwirtschaftlichen Strukturwandel böte die Hofnachfolge vielmehr auch eine ganz andere Perspektive: die des Ausstieges. Selbst wenn jeder zweite Betrieb nicht übergeben wird, würde es keine Strukturbrüche oder Ernährungsknappheit nach sich ziehen, verweist Balmann auf Studien des Leibniz-Instituts.
Chancen erkennen
Dass der derzeitige Wandel trotz aller Verunsicherung auch Chancen bietet, machte Eva Piepebrock deutlich, Redaktionsleiterin des Magazins „f3 – farm. food. future“. Denn wo Umfragen der Landwirtschaft als Ganzes einen hohen gesellschaftlichen Vertrauensverlust attestieren, bescheinigen sie dem einzelnen Landwirt ein hohes Ansehen. „Nutzen Sie das! Bauen Sie eigene starken Marken mit Persönlichkeit auf“, empfahl die Journalistin und verwies unter anderem auf die Marke „ibérico westfalia“, mit der ein junger Landwirt eine westfälische Version des spanischen Ibérico-Schweins ins Münsterland holt. Auch lasse sich mit eigentlichen Kritikern des Systems Geld verdienen: „Die Leute wünschen sich alternative Proteinquellen? Dann bauen sie Lupinen oder Erbsen an.“
Flankiert wird diese Chance, so Piepenbrock, von neuen digitalen Techniken wie der Blockchain, die eine vollständige Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln möglich macht. „Sie haben damit ein Argument auch gegenüber dem LEH in der Hand, mit dem sie ihre Qualität transparent und sichtbar machen können." Darüber hinaus böten digitale Marktplatz-Plattformen wie „Pielers“ oder „Wochenmarkt 24“ neue Absatzwege – ganz ohne Zwischenhändler.
Routine und Innovation
Bei aller Euphorie gelte es aber, neue Ideen mit gelebter Routine unter einen Hut zu bringen: „Es geht keinesfalls darum, mit einer verrückten Idee das Werk von Generationen über den Haufen werfen“, stellte Piepenbrock klar. „Wenn aber die alte Formel des Mengenwachstums an Grenzen stößt, warum nicht auch über etwas Exotisches nachdenken? Vorausgesetzt, man steht mit Herzblut dahinter.“
Planung berechenbar machen
Mit Herzblut hat auch Junglandwirt Lukas Born die Hofnachfolge angetreten. Der 26-Jährige bewirtschaftet gemeinsam mit seinem Bruder einen Milchviehbetrieb in Breckerfeld mit 90 Milchkühen und weiblicher Nachzucht. Der zunehmende Druck auf die Landwirtschaft belastet ihn insbesondere in Form von fehlender Planungssicherheit. „Die Politik wird aktuell getrieben von NGOs, Demos und Studien. Die Leidtragenden sind wir Landwirte, da für uns die Planungssicherheit wegbricht“, fasste er die Probleme zusammen, die auch die beiden Kreisverbandsvorsitzenden Hans-Heinrich Wortmann und Dirk Kalthaus sowie Geschäftsführer Heinz-Wilhelm Büscher in ihren Eingangsstatements aufgriffen.
Um mehr Verbindlichkeit und Akzeptanz seitens der Verbraucher zu schaffen, sieht Born die Politik in der Pflicht: „Wir müssen die Schulpolitik angehen, da ein breites Wissen in der Bevölkerung fehlt.“ Klar, so der Junglandwirt, müssten auch die Landwirte ihren Teil zur Öffentlichkeitsarbeit leisten. Das funktioniere aber nur zum Teil, denn „alles was von uns kommt, bleibt Werbung.“
Als guten Ansatz bewertet er auch die Vorschläge der Borchert-Kommission. Da die Verbraucher freiwillig nicht bereit seien, ihrem Wunsch nach mehr Tierwohl und Co. auch Taten folgen zu lassen, könnte eine Pflichtabgabe wie die angedachte Verbrauchersteuer auf tierische Produkte helfen, Mehrkosten zu entlohnen.
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