Kleiner Piks mit dramatischen Folgen

Bei der Eisengabe an die Ferkel rammt sich Kevin Eckrodt die Spritze versehentlich selbst in den Finger und drückt reflexartig ab. Die Folge: Schlimme Schmerzen und fünf Operationen an der Hand.

Einmal kurz nicht aufgepasst und schon ist es passiert: Als Kevin Eckrodt ein Saugferkel mit Eisen behandeln will, rammt er sich die Spritze versehentlich selbst in den Finger und drückt ab. Sofort fließt Blut und er spürt einen pochenden Schmerz. „So schlimm kann das nicht sein“, denkt er, setzt das zappelnde Ferkel zurück in den Behandlungswagen und wischt die Wunde kurz ab. Nachdem er sie notdürftig mit einem Papiertuch und Panzer­tape verbunden hat, arbeitet er weiter – schließlich ist erst in ein paar Stunden Feierabend.

Eisengabe ist Routine

Weil der Schmerz im Finger nicht nachlässt, sondern stärker wird, fährt Eckrodt abends in die Klinik. Der diensthabende Arzt erkennt den Ernst der Lage: Einfach ein Medikament zu verschreiben, würde hier nichts bringen. Aber er muss den Patienten zunächst warten lassen, denn alle Operationssäle sind belegt. Am nächsten Morgen kommt der 30-Jährige dann unters Messer.

Kevin Eckrodt arbeitet als Angestellter auf einem 350-Sauen-Betrieb im Münsterland. Alle fünf Wochen werden über 1200 Ferkel geboren. Jedes einzelne bekommt am dritten Lebenstag eine Eiseninjektion, um einer Anämie vorzubeugen – so wie es in fast jedem anderen Sauenbetrieb üblich ist. Für Eckrodt ist die Eisengabe eine bekannte Routinearbeit. Fast wie am Fließband behandelt er ein Tier nach dem anderen. Am Tag des Unfalls hat er schon ungefähr 150 Ferkel gespritzt, bevor er sich selbst verletzt.

Das Präparat, eine Eisen(III)-Dextran-Verbindung, wird den Ferkeln in den Nackenmuskel injiziert. Das Injektionsvolumen beträgt 1 ml und enthält 200 mg Eisen. Bei Eckrodt ist die Dosis unglücklicherweise genau in der Sehnenscheide des Zeigefingers gelandet. „Schlimm, was so ein bisschen Eisen anrichten kann“, stellt Oberarzt Dr. Timm Schmidt-Mertens kopfschüttelnd fest. Der Handchirurg des St. Marien-Hospitals in Hamm hat Eckrodt inzwischen fünfmal operiert.

Das Eisendextran wird den Ferkeln am dritten Lebenstag in den Nackenmuskel oder in die Kniefalte injiziert. Die 1-ml-Dosis enthält 200 mg Eisen. (Bildquelle: Heil)

Wunde wächst

Bei der ersten OP eröffnet Schmidt-Mertens die Wunde und entfernt unter dem Mikroskop alles an entzündlichem Ge­webe. Die Strecksehnenscheide trägt einen Belag, der aussieht wie ein feiner Zuckerguss. Dieser wird abgetragen und die Sehnenscheide „durchgespült“. Bei der Behandlung achtet der Doktor darauf, die Gelenke und Nerven zu schonen.

Kevin Eckrodt geht zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, nach zwei Tagen wieder nach Hause zu können. Doch Fehlanzeige. Die Schmerzen, die er am Anfang nur an der Einstichstelle spürt, breiten sich aus und ziehen weiter hoch in die Hand.

Aufgrund der Entzündungszeichen im Gewebe diagnostiziert der Arzt zunächst eine sogenann­te Phlegmone. Dahinter verbirgt sich eine eitrige, sich diffus ausbrei­tende Infektionserkrankung der Weichteile. Erreger sind meist Streptokokken oder Staphylokokken.

Doch in diesem Fall sind sie nicht im Spiel. Denn in keinem Abstrich und keiner Gewebeprobe lassen sich Bakterien nachweisen. Folglich hatten auch die Antibiotikaketten keinen Effekt, die der Handchirurg Kevin Eckrodt während einer weiteren Operation einlegt, um die Infektion und damit die Schmerzen zu bekämpfen. Auch der Pathologe, der hinzugezogen wird, kann nicht mehr als eine unspezifische Entzündungsreaktion im Gewebe feststellen.

Suche nach Therapieansatz

Mehrere OPs folgen. Jedes Mal wird entzündlich aussehendes Gewebe und der zuckergussähnliche Belag entfernt. Jedes Mal wird die Narbe länger, das betroffene Areal größer. Doch die Schmerzen bleiben.

Die hochdosierten, morphinverwandten Tabletten, die Eckrodt schluckt, kommen gegen den Schmerz nicht an. Die Ärzte geben ihm einen Schmerzkatheter, der die Medikamente direkt an die Entstehungsstelle bringt. Dennoch: „Es tat mir manchmal so weh, dass ich die Wände hätte hochgehen können. Ich konnte nicht mehr schlafen, nichts mehr machen“, sagt Kevin Eckrodt. Er ist ein großer, kräftiger Kerl, den normalerweise nichts so schnell umhaut. Derzeit kann er mit der rechten Hand nicht einmal mehr eine Wasserflasche öffnen.

Betäubung dämpft Schmerz

Weil der Befund so ungewöhnlich ist, nimmt Dr. Schmidt-Mertens schon früh Kontakt mit Berufskollegen auf. Er hakt bei der Charité in Berlin, beim Toxikologischen Labor in München und bei den Berufsgenossenschaftlichen Uni-Kliniken in Bochum und Münster nach. Zwölf Fälle von Selbstinjektionen mit einem Eisenpräparat finden sich in der Datenbank der Charité. Es ist die Rede von „sehr langwierigen Verläufen mit hohem Schmerzniveau“. Doch brauchbare Hinweise für die Behandlung gibt es kaum.

Nur eine Idee hat sich inzwischen als halbwegs wirksamer Therapieansatz entpuppt: die „Infiltration“.

Den kompletten Beitrag mit genauere Informationen zum Therapieansatz der Infiltration lesen Sie im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, Folge 13/2018 vom 29. März 2018.