Im Pferdehandel ist es offensichtlich gang und gäbe, dass Provisionen fließen, wenn ein Pferd verkauft wird. Dumm ist nur, wenn der Käufer davon nichts weiß. Einen besonders krassen Fall hat das OLG Celle kürzlich zugunsten einer Käuferin entschieden. Wegen arglistiger Täuschung und vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung hat das Gericht den Kaufvertrag aufgehoben und Verkäufer und Vermittler verpflichtet, den Kaufpreis gegen Rückgabe des Pferdes zu erstatten.
Eine in Schweden lebende Frau suchte für ihre Tochter Antonia ein hochwertiges Dressurpferd. Sie wollte damit bei internationalen Turnieren auf Grand-Prix-Niveau starten. Ein Reitlehrer, bei dem Antonia seit Dezember 2009 Unterricht nahm, empfahl den Kauf eines hochwertigen Tieres. Die Qualität ihrer eigenen Pferde würde für eine Karriere auf internationalem Niveau nicht ausreichen.
Vermittler eingeschaltet
Der Reitlehrer nahm Kontakt zu einem Berufsreitlehrer auf, der seit 30 Jahren Dressurpferde verkauft und vermittelt. Der Profi bot daraufhin unter Hinweis von Ralf I. der Schwedin den Hengst I. zum Kauf an. Der gekörte Trakehnerhengst war seit 2002 in der Hengststation von Alexander K. untergebracht. Er wurde zu Zuchtzwecken sowie im professionellen Dressur-Reitsport von der Berufsreiterin Carola K. eingesetzt.
Vor Unterzeichnung des Kaufvertrages am 28. April 2010 war der Hengst in der Tierklinik Telgte untersucht worden. Zwar wurde eine Hufsgelenkentzündung vorne rechts sowie eine Strahlbeinentzündung vorne links festgestellt. Später jedoch verlief die Ankaufsuntersuchung positiv. Danach überwies die Schwedin 1,6 Mio. € für den Hengst.
Die Käuferin zahlte die 1,6 Mio. € an den Vermittler (Berufsreitlehrer). Davon gingen 1,04 Mio. € an den Verkäufer des Hengstes. Von diesem Teilbetrag bekamen zunächst der Stallbesitzer K. 240 .000 € und die Dressurreiterin K. 120.000 €. Darüber hinaus zahlte der Vermittler dann noch 120.000 an den Zeuge I. (Vermittler) und 310.000 € an den Reitlehrer der Tochter. Der Vermittler selbst behielt 130.000 € für sich.
Start beim Turnier in Aachen
Der Stallbesitzer lieferte den Hengst Anfang Mai 2010 in Schweden ab. Fünf Wochen später startete Antonia bei einem Turnier in Aachen. Dort bestand der Hengst den offiziellen Vet-Check nicht. Ende August 2010 erklärte die Käuferin den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem der Hengst bei dem Turnier in Aachen wegen erheblicher gesundheitlicher Probleme auf beiden Vorderbeinen nicht starten konnte. Der Hengst sei bereits bei Vertragsschluss chronisch verletzt gewesen. Die fortbestehende Lahmheit resultiere aus umfangreichen Schäden der tiefen Beugesehne des linken Vorderbeines, die bereits im April 2010 als Krankheit vorhanden gewesen sei. Für den Dressursport sei der Hengst nicht geeignet, argumentierte die Klägerin.
Von den Provisionszahlungen erfuhr die Käuferin aus Schweden jedoch erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hannover am 7. Mai 2013. Sie focht den Kaufvertrag daraufhin auch wegen Wuchers und arglistiger Täuschung an. Der Vermittler habe sie nicht über die Zahlungen aufgeklärt. Der Reitlehrer habe das Vertrauen ihrer Tochter ausgenutzt. „Meine Tochter hätte das Pferd nicht gekauft, wenn sie gewusst hätte, dass ihr Reitlehrer eine Provision verlangte und bekam.“
Aus der Urteilsbegründung
Wie das Landgericht Hannover gab das OLG Celle der Klägerin Recht und verurteilte den Vermittler und Verkäufer, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe des Hengstes zu erstatten. Die Urteilsbegründung führt unter anderem folgendes an:
- Der Besitzer des Hengstes muss sich das Verhalten des Vermittlers, der das Geschäft abgewickelt hat, anrechnen lassen. Er hat die Klägerin arglistig getäuscht, indem er sie nicht darüber informierte, dass vom Kaufpreis (1,6 Mio. €) rund 35 % Provisionen gezahlt werden sollten.
- Aufklärungspflichten auch gegenüber dem anderen Vertragspartner bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) immer dann, wenn es sich um wesentliche Umstände handelt, über die der Vertragspartner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Aufklärung erwarten kann.
- Bei der Anlageberatung von Finanzprodukten ist zum Beispiel anerkannt, dass Banken über Rückvergütungen aus offenen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen aufzuklären haben (Urteil 14. Mai 2013, Az. IX ZR 431/10).
- Der BGH hält es im hohen Maße für anstößig, wenn einem Verhandlungsführer des Vertragspartners, dem dieser vertraut, ein Schmiergeld für den Fall gezahlt wird, dass es zum Vertragsschluss kommt. Dadurch wird die Gefahr heraufbeschworen, dass der Verhandlungsführer vor allem im eigenen Provisionsinteresse handelt.
- Nach der BGH-Rechtsprechung soll ein Käufer, bevor er eine Vermögensdisposition trifft, über alle wesentlichen Umstände informiert sein, insbesondere auch über Zahlungen an Personen, die ihn bei seiner Entscheidung über den Abschluss des Rechtsgeschäftes beraten.
Die Klägerin wurde durch Täuschung zum Vertragsschluss bewegt. Sie hätte den Hengst nicht erworben, hätte sie vor dem Kauf gewusst, dass allein der Reitlehrer knapp 20 % vom Kaufpreis erhalten werde. Der Reitlehrer besaß das Vertrauen der Klägerin bzw. deren Tochter. Dieses Vertrauen habe er im eigenen Interesse ausgenutzt (Urteil vom 26. Juli 2017, Az. 20 U 53/16, rechtskräftig).