Landwirte, die ihre Rinder ganzjährig im Anbindestall halten, dürften nach diesem Urteil aufschrecken: Das Kreisveterinäramt hat einen Landwirt aus Borken im August 2019 dazu verdonnert, seinen Rindern in Anbindehaltung zumindest vom 1. Juni bis 30. September eines jeden Jahres täglich für mindestens zwei Stunden freien Auslauf zu bieten – auf einer Weide, einem Paddock, einem Laufhof oder etwas Vergleichbarem. Dagegen wehrte sich der Landwirt. Doch das Verwaltungsgericht Münster lehnte seinen Eilantrag Ende Dezember 2019 ab. Die Behörde hatte den Betrieb im Juni 2019 unangemeldet kontrolliert. Dabei stellte sie fest, dass der Landwirt den 24 Kühen in Anbindehaltung keinen täglichen Auslauf gewährt. Die ganzjährige Anbindung lasse sich nicht mit den tierschutzrechtlichen Geboten zur verhaltensgerechten Unterbringung und artgemäßen Bewegung vereinbaren, so die Behörde.
Der Landwirt wies dagegen darauf hin, dass sich die Rinder bei freiem Auslauf mit Krankheiten infizieren könnten. Zudem gebe es eine erhöhte Gefahr von Angriffen durch Wölfe oder Hunde.
Leitlinie Niedersachsen
Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht. In dem Beschluss heißt es unter anderem: Die ganzjährige Anbindehaltung der Rinder verletze tierschutzrechtliche Vorschriften. In Anbindung seien nahezu alle durch das Tierschutzgesetz geschützten Grundbedürfnisse der Rinder stark eingeschränkt. Als Folge der Bewegungsarmut könne es zu gehäuften Erkrankungen und Entstehung von Schmerzen kommen. Die niedersächsischen Tierschutzleitlinien für die Milchkuhhaltung sowie für die Mastrinderhaltung seien hier als eine Art Richtschnur zu beachten. Demnach sollten vorhandene Anbindehaltungen nach Möglichkeit in Laufstallhaltungen umgebaut werden. Nur wenn dies mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu realisieren sei, könne die Anbindehaltung bestehen bleiben, sofern es keine haltungsbedingten Schäden gebe.
Zudem sollte es als Ausgleich für das Bewegungsdefizit entweder täglich Zugang zu einem Laufhof oder zumindest in den Sommermonaten Weidegang oder ganzjährig täglich mindestens zwei Stunden Zugang zu einem Laufhof oder einer Weide geben. Die vom Landwirt vorgetragenen Gründe gegen den Auslauf könnten die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung nicht infrage stellen, so das Gericht.Der Landwirt hat gegen den Beschluss Beschwerde am Oberverwaltungsgericht NRW eingelegt.
Bald gesetzlich geregelt?
Vor allem in Süddeutschland ist die ganzjährige Anbindung von Kühen noch weitverbreitet. Doch die Kritik daran hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Bisher gibt es nur für Rinder bis sechs Monate spezifische Haltungsvorgaben, beispielsweise ist die Anbindehaltung für diese Altersgruppe explizit verboten. Das könnte sich auf die gesamte Rinderhaltung ausdehnen. Denn die aktuelle Regierung formuliert im Koalitionsvertrag, „Lücken in den Haltungsnormen im Tierschutzrecht zu schließen“ (Verwaltungsgericht Münster, Az. 11 L 843/19 – nicht rechtskräftig).
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