Merten von Frieling und sein Vater Johannes hatten nur noch drei Jahre Zeit: Ende 2020 stand für ihre Biogasanlage das Ende der 20-jährigen Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bevor. Der Stromerlös würde dann auf den Börsenpreis von derzeit höchstens 5 Cent/kWh fallen. Viel zu wenig, um wirtschaftlich Biogas zu erzeugen. Der Anlage drohte das Aus.
Doch seit September ist von einer Stilllegung keine Rede mehr. Die Chancen stehen mehr als gut, dass die Familie die Biogasanlage bis August 2030 wirtschaftlich betreiben kann: Merten von Frieling hat erfolgreich an der ersten Biomasse- Ausschreibung (EEG 2017) teilgenommen und sich damit die Förderung seiner Anlage für weitere zehn Jahre gesichert.
Seit 22 Jahren Biogasstrom
In Soltau, mitten in der Lüneburger Heide, bewirtschaften Vater und Sohn von Frieling einen Ackerbaubetrieb mit Babyferkelaufzucht und Schweinemast. Bereits im Jahr 1995 startete Johannes von Frieling mit einer installierten elektrischen Leistung von 40 kW in die Biogasproduktion. Zunächst fütterte er die Bakterien mit Schokoladenabfällen und Molke und hätte, so sein Sohn Merten, die Anlage am liebsten sofort wieder verkauft.
„Der Anfang war für meinen Vater schwer. Nichts lief rund. Als aber im Jahr 2000 das EEG verabschiedet wurde, hat sich für uns alles verbessert“, sagt Merten von Frieling. Sein Vater stellte die ehemalige Coferment-Anlage auf Nachwachsende Rohstoffe um und erweiterte sie gleichzeitig auf 150 kWel. „Mais und Gülle sind wesentlich einfachere Substrate als Schokoladenabfälle und mit der EEG-Förderung rechnete sich der Betrieb der Anlage“, erzählt von Frieling.
Allerdings, so der Landwirt, stand von vorneherein fest, dass die Förderung über das EEG auf 20 Jahre begrenzt ist. „Uns war aber sehr früh klar, dass wir unsere Anlage darüber hinaus weiterbetreiben möchten. Dazu, da waren wir uns sicher, mussten wir sie weiterentwickeln“, sagt von Frieling. Deshalb haben sein Vater und er nach einer zweiten Erweiterung im Jahr 2008 (300 kWel) bereits 2013 erneut einen Bauantrag gestellt.
Flexibilität ist ein Muss
„Ich habe damals nach meinem Maschinenbaustudium bei einer Biogasfirma gearbeitet und war mir sicher, dass eine Biogasanlage nach Auslaufen der EEG-Förderdauer nur weiterbestehen kann, wenn sie in der Lage ist, flexibel Strom zu produzieren“, erklärt von Frieling. Vater und Sohn erhöhten darum 2013 die installierte Leistung auf 830 kWel. Im Schnitt nutzen sie aber nur 450 kWel. „Wir produzieren in der Regel tagsüber Strom, wenn der Bedarf höher ist. Zudem nutzen wir im Winter eine höhere Leistung als im Sommer, da wir über ein Nahwärmenetz unser Haus und unsere Ställe sowie Wohnhäuser und Ställe von Nachbarn heizen“, erklärt von Frieling.
Ursprünglich wollten Vater und Sohn ihre Stromproduktion noch flexibler am Bedarf orientieren. Doch obwohl die flexible Stromproduktion eigentlich als Aushängeschild der Biogasbranche gilt, rechnet sich das leider nicht besonders: „Die Netzbetreiber reagieren heute selber mehr als früher und benötigen deshalb kaum noch Regelenergie. Seitdem sind die Preise gefallen“, sagt Merten von Frieling.
Dennoch: Einen Vorteil hat die Flexibilisierung der Anlage auf jeden Fall. Sie ermöglichte es Vater und Sohn, an der Ausschreibung teilzunehmen. Denn das EEG 2017 verlangt, dass Biogasanlagen mindestens doppelt überbaut sind, die installierte elektrische Leistung einer Anlage also mindestens zweimal so hoch sein muss wie ihre im Jahresdurchschnitt genutzte Leistung. „Wir haben 830 kWel installiert, werden ab dem 1. September 2020 aber im Jahresschnitt höchstens 415 kW nutzen können“, erklärt von Frieling. So soll sichergestellt sein, dass Biogasanlagen in der Lage sind, ihre Stromproduktion an die Bedürfnisse des Strommarktes anzupassen.
Drei Jahre bis zum Wechsel
Die Teilnahme an der Ausschreibung empfand von Frieling nicht als besonders schwer. Er hat sich über ein Seminar auf die Bewerbung vorbereitet und den ausgefüllten, siebenseitigen Antrag von einem Fachanwalt prüfen lassen. „Sicher ist sicher“, sagt er.
Ein Knackpunkt des Verfahrens ist die Sicherheit, die die Teilnehmer bis zur Inbetriebnahme bzw. bis zum Wechsel ins EEG 2017 real bzw. in Form einer Bankbürgschaft hinterlegen müssen. Hieraus werden Strafzahlungen fällig, sollte ein bezuschlagtes Projekt nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht ans Netz gehen. „Für unsere Anlage mussten wir 50 000 € einzahlen. Das Geld bekommen wir erst im Herbst 2020 zurück“, erzählt von Frieling.
Mit dem Zuschlag hat Familie von Frieling nun drei Jahre Zeit, um ins EEG 2017 zu wechseln. Ab 1. September 2020 bekommt sie nicht mehr die im EEG 2000 festgelegte Vergütung, sondern den in der Ausschreibung bezuschlagten Vergütungsbetrag.
Der Höchstbetrag, mit dem eine Bestandsbiogasanlage am Ausschreibungsverfahren (siehe Kasten auf der vorherigen Seite) teilnehmen kann, liegt bei 16,9 Cent/kWh. „Eigentlich war ich mir sicher, dass bei der ersten Ausschreibung alle korrekten Bewerbungen zum Zug kommen. Trotzdem habe ich 16,89 Cent/kWh eingetragen. Vorsichtshalber“, erklärt von Frieling.
"Unser Stromerlös ist niedriger"
Zusätzlich zu diesem festen Stromerlös erhalten Betreiber im EEG 2017 einen Flexibilitätszuschlag, der zumindest einen Teil der Kosten, die durch die mindestens doppelte Überbauung entstehen, decken soll. Umgerechnet sind das für von Frieling rund 0,9 Cent/kWh. „Insgesamt ist unser Stromerlös in der zweiten Förderperiode ein ganzes Stück niedriger als heute. Zwar sind die meisten Investitionen bis 2020 abgeschrieben. Dennoch ist die Kalkulation eng. Größere Reparaturen oder weitere Auflagen können uns schnell in die roten Zahlen bringen. Dennoch hoffe ich, dass wir mit dem niedrigen Stromerlös auskommen werden“, sagt er.
Zukünftig werden sich seiner Meinung nach eher größere Bestandsanlagen und solche, die ihre Investitionen in die Flexibilität bereits abgeschrieben haben, am Ausschreibungsverfahren beteiligen. „Wer seine Anlage noch nicht zukunftsfähig hat, wer keine sehr guten Biogasausbeuten erzielt und wessen Produktionskosten zum Beispiel durch hohe Kosten für die Gärrestabgabe oder teure Pachten zu hoch sind, der hat im EEG 2017 kaum eine Chance“, meint er.
Die Ergebnisse der ersten Biomasse-Ausschreibung
Am 1. September endete die erste Ausschreibungsrunde für Biomasseanlagen. Bewerben konnten sich Betreiber von Neu- und Bestandsanlagen. Insgesamt war eine Leistung von rund 122 MW ausgeschrieben. Folgende Ergebnisse stellte der Fachverband Biogas vor:
Insgesamt wurden 33 Gebote (40,9 MW installierte Leistung) eingereicht. 24 Gebote bekamen einen Zuschlag (insgesamt 27,6 MW). Neun Gebote wurden aufgrund formaler Fehler bzw. weil sie nicht teilnahmeberechtigt waren, ausgeschlossen. Damit wurden rund 77 % des Ausschreibungsvolumens nicht ausgeschöpft. Es fand also kein wirklicher Wettbewerb statt. Die nicht bezuschlagte Leistung (etwa 95 MW) wird 2018 neu ausgeschrieben.
Gut 80 % der Zuschläge gingen an Bestandsanlagen (insgesamt 17 Biogasbestandsanlagen, davon 4 Abfall-, 10 Nawaro- und 1 Gülle (mono)-Anlage sowie 2 feste Biomassebestandsanlagen).
Das höchste bezuschlagte Gebot lag bei 16,9 Cent/kWh und entsprach damit dem möglichen Höchstgebot für Bestandsanlagen. Der mittlere Zuschlagswert lag bei 14,3 Cent/kWh. Die meisten Betreiber haben den für sie möglichen Maximalwert geboten.
Die Zuschläge verteilen sich folgendermaßen auf die Regionen:
- Süd (Bayern, Baden-Württemberg): 16 Zuschläge – 14,8 MW;
- Nord (Niedersachsen, NRW, Schleswig-Holstein): 4 Zuschläge – 3,8 MW;
- Ost (Brandenburg, Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen): 4 Zuschläge – 8,9 MW.
Überdurchschnittlich viele Zuschläge gingen nach Süddeutschland. In NRW erhielten zwei Anlagen einen Zuschlag. Sie gehörten den VEA Entsorgungsbetrieben Lindlar (Biotonne) und dem Energie Service Westfalen Weser Paderborn.
Mit drei Zuschlägen beteiligten sich überraschend viele Kleinanlagen.
Fünf Anlagen werden ihre installierte Leistung verdoppeln, eine Anlage wird ihre Leistung um 150 % erhöhen und fünf Anlagen wollen die doppelte Überbauung erreichen, indem sie ihre Bemessungsleistung halbieren.
Zum HIntergrund:
Das EEG: Von der Festvergütung zur Ausschreibung
Egal, ob Wind, Sonne oder Biomasse: Das im Jahr 2000 verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sollte als Anschubfinanzierung dienen und die erneuerbaren Energien fit für den Markt machen. Dazu bekommen Betreiber über einen Zeitraum von 20 Jahren eine feste Vergütung je eingespeister kWh Strom. Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert, ist aber auch relativ teuer.
Um Kosten zu sparen, hat die Bundesregierung mit der jüngsten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2017 beschlossen, die Förderung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie von der Festvergütung auf ein Ausschreibungsmodell umzustellen. Wer eine Förderung erhalten will, muss sich unter Angabe des Preises, zu dem er Strom produzieren kann, bewerben. Es gibt getrennte Ausschreibungen für Wind an Land, Offshore- Wind, Photovoltaik und Biomasse (Biogas und feste Biomasse).
Während bei Wind und PV nur Betreiber von Neuanlagen an den Ausschreibungen teilnehmen dürfen, sind die einmal jährlich stattfindenden Biomasse-Ausschreibungen auch für Betreiber von Bestandsanlagen offen.
Für die jeweilige Ausschreibungsrunde gibt die Bundesnetzagentur ein bestimmtes Leistungsvolumen vor, das verteilt werden kann. Bis diese Obergrenze erreicht ist, kommt immer der Bieter mit dem niedrigsten Preis zum Zuge. Als weitere Sicherheit, die zu hohe Preise verhindern soll, gibt es Gebotsobergrenzen. Im September lagen diese für Biogasbestandsanlagen bei dem jeweils bisher gezahlten Vergütungssatz bzw. bei 16,9 Cent/kWh. Je nachdem welcher Wert niedriger lag.
Neuanlagen erhalten die bezuschlagte Förderung über einen Zeitraum von 20 Jahren, Bestandsanlagen ab Wechsel für zehn Jahre. Nach erfolgtem Zuschlag haben Neuanlagen zwei Jahre Zeit, dann muss die Inbetriebnahme erfolgen. Bestandsanlagen können nach einem bis drei Jahren ins EEG 2017 wechseln. Restliche Jahre des ersten Förderzeitraums verfallen.
Nach dem EEG 2017 erhalten Biogasanlagen ihre Vergütung höchstens für 50 % ihrer installierten Leistung. Das heißt, sie müssen doppelt überbauen. So soll sichergestellt werden, dass sie in der Lage sind, flexibel, also nach Bedarf, Strom zu produzieren. Zudem müssen sie den sogenannten Maisdeckel einhalten. Im Moment dürfen sie höchstens 50 % Mais und Getreidekorn einsetzen, ab 2019 höchstens 47 % und ab 2021 höchstens 44 %.
Sonderregelungen gelten für Anlagen unter 150 kW (sie erhalten immer den höchsten bezuschlagten Preis) und kleine Gülle-Anlagen. Letztere werden unabhängig von den Ausschreibungen gefördert.
Der Beitrag ist erschienen im Wochenblatt für Landwirtschaft & Landleben, Folge 46/2017, vom 16. November 2017.