Bauantrag abgelehnt

Bremst Flugsicherung Windkraft aus?

Die Stadt Hamm hat den Bauantrag für zwei Windanlagen an Stadtgrenze abgelehnt, weil ihre Rotoren angeblich eine DVOR-Anlage der Flugsicherung bei Albersloh (Kreis Warendorf) beeinträchtigen. Das aktuelle Urteil könnten den Ausbau der Windkraft in NRW erheblich gefährden.

Haben Ingo Sander, Martin Allendorf und weitere Grundeigentümer der Stadt Drensteinfurt bis zu 150  000 € in den Sand gesetzt, weil sie von der Deutschen Flugsicherung (DFS) lange Zeit im Unklaren gelassen wurden? Weist das Verwaltungsgericht Arnsberg die Klage der Windenergie Ameke Hölter GmbH & Co. KG gegen die Stadt Hamm zurück, sieht es für die Windfreunde düster aus. „Es ist schon misslich, dass Sie auf dieser unsicheren Grundlage geplant haben“, sagte Richter Rainer Gießau bei der mündlichen Verhandlung am 26. März in Arnsberg.

Zum Hintergrund

Direkt an der Stadtgrenze am Kurricker Berg, auf Hammer Gebiet, wollten die Drensteinfurter 2014 zunächst vier, später nur noch zwei Anlagen errichten. Dazu hatten die Kommunen ihre Flächennutzungspläne geändert und Windzonen ausgewiesen. Auch die Bezirksregierung Münster sah in den Vorgesprächen keine Bedenken gegen die Windanlagen.

Am 14. März 2016 reichte die Gesellschaft einen Bauantrag (immissionsschutzrechtliche Genehmigung) bei der Stadt Hamm ein. Dann jedoch gab es Probleme. Im August 2016 sprach die Bezirksregierung Münster ein Bauverbot aus. Und am 20. Dezember 2016 lehnte Hamm den Bauantrag endgültig ab. Begründung: Die zwei Senvion 3.2 (3,2 Megawatt, Gesamthöhe 200 m) befinden sich im 15-km-Schutzbereich einer Doppel-UKW-Drehfunkfeueranlage (kurz DVOR) der DFS. Die Anlage steht zwischen Rinkerode und Albersloh im Kreis Warendorf. Eine der geplanten Anlagen am Kurricker Berg ist 13,5 km, die andere 13,9 km von der DVOR entfernt. Laut DFS können deren Rotoren die Funkwellen ihrer Navigationsanlage stören.

Doch wie kann es sein, fragen die Kläger, wenn bereits 72 andere Windanlagen im 15-km-Radius der DVOR seit Jahren Strom erzeugen? Etwa 25 Anlagen, in den 2000er- Jahren errichtet, stehen zwischen Albersloh und Sendenhorst im Nahbereich der DVOR. Kann man bei diesem großen Abstand der geplanten zwei Anlagen wirklich von einer relevanten Störung sprechen, mit der Hamm den Ablehnungsantrag begründet? Im Gerichtssaal lieferten sich die Sachverständigen einen Schlagabtausch, dem die Zuhörer und drei Richter nur teilweise folgen konnten. Luftfahrtingenieur Dr. Ferdinand Behrend (TU Berlin) hält die Berechnungsmethode der DFS für falsch. Nicht nur die Rotoren, auch Gebäude sowie Berge und andere Hindernisse würden die Navigation der Flugzeuge beeinflussen. Der Prüfradius von 15 km sei zu groß. Die in diesem Einzelfall angenommene Vorbelastung sei falsch bewertet worden. In allen Ländern der Erde würden die Behörden andere Verfahren zur Flugsicherung anwenden, etwa das Ohio-Tool.

Prüfradius erweitert

DFS-Mitarbeiter Thomas Kleinmann verteidigte die von ihm mitentwickelte Berechnungsmethode. In Deutschland gebe es rund 27  000 Windanlagen. Ihr Einfluss auf die Flugsicherung (geregelt im § 18a des Flugsicherungsgesetzes) sei lange unterschätzt worden. Deshalb hätten die Behörden den Prüfradius von 3 km auf 15 km erweitert. Im Streitfall sei die erhebliche Vorbelastung der 72 Altanlagen entscheidend für die Ablehnung des Bauantrages gewesen. Die zwei weiteren Anlagen hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. Im Gespräch mit dem Wochenblatt gab der DSF-Mitarbeiter der Bezirksregierung Mitschuld an dem Desaster. „Wir hatten Münster frühzeitig mitgeteilt, dass es Probleme mit der Flugsicherung an diesem Standort geben könnte“, so Kleimann sinngemäß.

Das aber ist wohl nur die halbe Wahrheit. Denn die konkrete Anfrage vor dem Genehmigungsverfahren ließ die DFS etwa ein Jahr unbeantwortet. Damals hieß es, private Anfragen würden aufgrund einer Fülle von Anträgen aus zeitlichen Gründen eine Weile nicht beantwortet; wenn die Antragsteller Klarheit wollten, sollten sie laut DFS direkt einen Bauantrag stellen. Jan-Torsten Junge von der Planungsgesellschaft BBWind sagt: „Es hat in diesem Fall nicht an der Bezirksregierung Münster, sondern der DFS gelegen.“

Richter Gießau bedauerte, dass der deutsche Gesetzgeber die Abstandsberechnung nicht geregelt habe und dass es international keine einheitliche Berechnungsmethode gebe. In bisherigen Urteilen etwa des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Lüneburg und des Bundesverwaltungsgerichtes hätten die Richter stets der DFS recht gegeben. Kleimann dazu: „In etwa 30 Verfahren haben wir uns gegen die Windplaner durchgesetzt.“ In der ersten Aprilwoche will das Gericht sein Urteil fällen. Wird die Klage der Drensteinfurter abgewiesen, können sie Berufung vor dem OVG Münster einlegen.

Urteil mit Signalwirkung

Ein negatives Urteil des VG Arnsberg könnte den weiteren (politisch gewünschten) Ausbau der Windkraft in NRW erheblich gefährden. Laut Kleimann betreibt die DFS deutschlandweit 41 DVOR, bei 40 gilt der 15-km-Prüfradius. Schätzungen zufolge könnten in NRW fast ein Drittel aller potenziellen Windflächen aus Gründen der Flugsicherung wegfallen. Das würde auch für etliche Repowerings-Anlagen gelten.