Es ist nicht die Frage, ob die Afrikanische Schweinepest kommt, sondern wann, lautete die Vorhersage der Virologen. Diesem Zeitpunkt ist Deutschland seit letzten Donnerstag ein erhebliches Stück näher gerückt. Denn das ASP-Virus lauert jetzt nicht mehr nur in Osteuropa, sondern direkt um die Ecke. Als Einschleppungsursache sind kontaminierte Lebensmittel wahrscheinlich, da angesichts der Entfernung eine Wanderung infizierter Wildschweine unmöglich scheint.
In Etalle im Südosten Belgiens, gerade mal 60 km von der deutschen Grenze entfernt, haben zwei tote Wildschweine die Schweinebranche in Westeuropa aufgemischt. Bei beiden Kadavern wurde das ASP-Virus nachgewiesen, ebenso bei einem dritten jungen Wildschwein, das orientierungslos und entkräftet erlegt wurde. Einerseits ein Erfolg des ASP-Monitorings, bei dem Falltiere prophylaktisch untersucht werden. Andererseits ein Schlag ins Kontor der europäischen Schweinebranche.
Fundort im Dreiländereck
Denn der Fundort liegt im Dreiländereck Belgien, Luxemburg und Frankreich. Die französische Grenze ist nur 10 km entfernt, Deutschland gerade mal 60 km und auch die Niederlande sind mit 150 km ziemlich nah dran. Zudem handelt es sich um eine extrem wildschweindichte Region, hügelig und bewaldet, mit Anschluss an die Ardennen und die Eifel.
Und es bleibt wahrscheinlich nicht bei den drei Fällen, die die Weltorganisation für Tiergesundheit OIE bestätigt hat. Das belgische Landwirtschaftsministerium meldet drei weitere Fälle, deren Bestätigung durch das OIE noch aussteht. Derzeit wird das Gebiet intensiv nach weiteren Falltieren durchsucht, um das Geschehen zu lokalisieren und eine weitere Verbreitung des Virus einzudämmen. Pessimisten befürchten einen Flächenbrand mit Dutzenden oder gar Hunderten weiterer ASP-Fälle. Denn die ersten Wildschweine sind in unterschiedlichen Stadien der Verwesung gefunden worden, sodass das Virus Zeit zur Verbreitung hatte.
Obwohl der belgische Bauernbund einen drastischen Abschuss der Wildschweine fordert, hat das Agrarministerium genau das Gegenteil angeordnet: In einem 63 000 ha großen sogenannten „Gefährdeten Gebiet“ ist die Jagd komplett verboten. Damit will man die Wildschweine in der Region halten, statt sie durch Abschüsse zu versprengen. Sogar das Betreten und Befahren der Waldwege ist verboten. Geschulte Personen sind mit der Fallwildsuche und dem Abtransport der Kadaver beauftragt. Kranke und tote Wildschweine werden systematisch auf ASP untersucht.
Pufferzone bejagen
Bis zu 90 Tage haben die Behörden Zeit, um nach ausgedehntem Monitoring einen konkreten Bekämpfungsplan vorzulegen. Jedoch sollte schnellstmöglich eine Pufferzone mit einem Radius von mindestens 30 km um den Fundort ausgewiesen werden. Die Grenzen werden nicht mit dem Zirkel gezogen, sondern orientieren sich an Straßen, Gewässern und natürlichen Barrieren. In der Pufferzone findet eine intensive Bejagung der Wildschweine statt, um die Verbreitung zu stoppen.
Diese Zonen können frühestens sechs Monate nach dem letzten Ausbruch von ASP bei Wildschweinen aufgehoben werden.
Zum Glück konzentriert sich die belgische Schweinehaltung auf Flandern, den westlichen Teil Belgiens. Im gefährdeten Gebiet gibt es nur 67 Schweinebetriebe. Diese unterliegen bis auf Weiteres einem Stand Still und erhöhter Beobachtung. Der Transport lebender Schweine in EU-Länder ist verboten. Schweinefleisch darf dorthin nur exportiert werden, wenn jedes Schwein spätestens 15 Tage vorm Verkauf virologisch untersucht wurde und mindestens 30 Tage im Betrieb war (Residenzpflicht).
Die Markt- und Exportkonsequenzen für das Exportland Belgien können eine Blaupause dafür sein, was Deutschland droht, wenn das erste Wildschwein mit ASP gefunden wird. Denn Belgien hat einen Selbstversorgungsgrad von rund 270 %. Es hat 2017 knapp 800 000 t Schweinefleisch exportiert, zum größten Teil innerhalb der EU. Nur 12 % wurden in Drittländern wie China oder Korea abgesetzt.
Export stockt
Direkt mit dem ersten ASP-Ausbruch bei Wildschweinen verliert das Land nach den Regularien der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) den Status ASP-frei. Damit wird sofort der Export von Schweinefleisch in die meisten Drittländer blockiert. Immerhin knapp 100 000 t jährlich drücken dadurch zusätzlich auf den europäischen Markt – zu welchem Preis, wird sich zeigen. Preissteigernd wirkt das zusätzliche Angebot mit Sicherheit nicht.
Hinzu kommt eine generelle Unsicherheit, ob bei Einsatz belgischen Schweinefleischs der ASP-frei-Status von Frischfleisch oder Verarbeitungsware in Gefahr ist – und damit der Drittlandexport. Davon betroffen sind vor allem Zerleger und Verarbeiter. Denn mehr als zwei Drittel des belgischen Schweinefleischs werden in Form von Hälften exportiert, 12 % als Schinken.
Bislang gibt es keine Tendenz, dass Schweinefleisch aus Belgien bei deutschen Verarbeitern weniger gefragt ist, wie unsere Nachfrage beim Verband der Fleischwarenindustrie ergab. „Eine Verbreitung der Seuche über Fleisch von Hausschweinen, das amtlich für genusstauglich erklärt ist und damit im gesamten Binnenmarkt frei verkehrsfähig ist, wird ausgeschlossen“, lautet die klare Aussage des Verbands. „Vor diesem Hintergrund wäre es völlig unsinnig, von Fleischlieferanten eine Zusicherung einzufordern, dass ihre Lieferungen kein Fleisch aus von der ASP betroffenen Mitgliedstaaten enthalten.“
Was auf jeden Fall gelitten hat, ist der Export von Schlachtschweinen, der bei rund 400 000 Tieren jährlich liegt. Die Firma Simon aus Wittlich hat auf Nachfrage angekündigt, für die laufende Woche keine Schweine aus Belgien anzunehmen. Damit fehlen dem Schlachthof aber zwei bis drei Lkw-Züge pro Tag – bei einer Jahresschlachtung von 1,1 Mio. Schweinen nicht unerheblich. Ähnlich soll es der Firma Manten aus Geldern ergehen.
Wie sich der Export von Schweinefleisch und Schlachtvieh aus Belgien weiter entwickelt, müssen die nächsten Wochen zeigen. Doch sind deutsche Abnehmer gut beraten, Maß zu halten und nicht mit dem Finger auf Belgien zu zeigen. Denn schließlich können sie, aber auch die französischen oder niederländischen Kollegen, schon bald in die gleiche Lage kommen.
Einen Kommentar zum ASP-Ausbruch in Belgien lesen Sie hier: