Agravis im Umbruch

Die Agravis Raiffeisen AG wächst im Umsatz, verfehlt die Ergebnisziele vor Steuern aber deutlich. Dem Konzern stehen spannende Zeiten ins Haus.

Die Kommunikationsexperten der Agravis Raiffeisen AG waren redlich bemüht, die jüngsten Unternehmenszahlen als Erfolge zu vermelden. Wirkliche Begeisterung wollte sich im Rahmen der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag in Münster jedoch nicht einstellen.

Der Agrarhandelskonzern befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Neue Köpfe im Vorstand treffen auf ein herausforderndes Marktumfeld und hinterfragen bislang bewährte Strukturen. Die erfolgte Trennung von rund 200 Mitarbeitern sorgt für Unruhe. Sondereffekte wie die Abwicklung von Standorten in Sachsen verhageln das Ergebnis vor Steuern. Und gleichzeitig werden mit dem Projekt „Hanse“ und diversen digitalen Projekten die Weichen für die Zukunft gestellt.

Ergebnis eingebrochen

Finanzvorstand Johannes Schulte-Althoff verwies auf hohe Investitionen in das Kerngeschäft (insgesamt 87 Mio. €, statt ursprünglich geplanter 63 Mio. €) und einen Umsatzsprung um 3,8 % gegenüber dem Vorjahr auf 6,4 Mrd. €. Das operative Ergebnis (EBIT) liegt mit 74 Mio. € sogar um 7,3 % höher als vor einem Jahr.

Gleichwohl räumte er ein, mit einem Ergebnis vor Steuern von 25,3 Mio. € (Vorjahr: 41,6 Mio. €) nicht das erreicht zu haben, was man sich vorgenommen habe. Das Ergebnis belasten Standortschließungen der Ceravis Sachsen GmbH, Rückstellungen für Personalabbau, Restrukturierungsmaßnahmen in der Ceravis AG und geplante Anlaufverluste bei neuen Gesellschaften. „2017 hat gezeigt, wie anfällig unser Geschäft ist“, sagte Schulte-Althoff. Er zeigte sich gleichzeitig zuversichtlich, dass es sich bei den Themen um „Einmal-Effekte“ gehandelt habe und gerade im Bereich Agrarerzeugnisse wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei.

Das herausfordernde Umfeld geht auch an den Eigentümern und Mitarbeitern der Agravis nicht spurlos vorbei. Der Dividendenvorschlag des Vorstands an die Hauptversammlung am 9. Mai in Bockenem/Niedersachsen liegt mit 3,5 % deutlich unter dem Vorjahreswert von 5 %. Außerdem war die Rede von einem so wörtlich: „Konsequenten Kostenmanagement, inklusive der Personalkosten.“

Auf in die Hanse?

Die Benennung unangenehmer Wahrheiten scheute auch Andreas Rickmers nicht, der seit Anfang 2017auf dem Chefsessel bei Agravis sitzt. Aus der Sicht des Vorstandsvorsitzenden wandelt sich der Agrarmarkt mit zunehmender Geschwindigkeit. Margen und Mengen seien perspektivisch in Deutschland rückläufig. Landwirten und Herstellern stehe eine Phase der Konsolidierung und des Strukturwandels ins Haus. Rickmers schlussfolgert, dass der Kampf um den Kunden immer intensiver wird. „Wir müssen es schaffen, unsere Kunden erfolgreicher zu machen als andere und den Kundenerfolg durch Lösungen, Mehrwertangebote und Innovationen noch stärker herausstellen“, so Rickmers.

Er warb für die neue Unternehmensstrategie „Hanse“. Das Programm rückt die Anforderungen des Kunden radikal in den Mittelpunkt und stellt bewährte Strukturen auf den Prüfstand. Für die kommenden fünf bis zehn Jahre sind auch ehrgeizige Umsatzziele (10 Mrd. € pro Jahr!) mit der Strategie verknüpft. Als Zielvorgabe für das laufende Jahr nannte Rickmers einen Umsatz von 6,5 Mrd. €, ein Ergebnis vor Steuern von rund 42 Mio. € und eine Eigenkapitalquote von rund 30 %.

Digitales im Fokus

Dass die Agravis auch digital kann, stellte das neue Vorstandsmitglied Maria-Johanna Schaecher bei ihrer Premiere heraus. Die 53-jährige wird sich neben Bereichen wie Agrarerzeugnissen und Futtermitteln auch um die Querschnittsaufgabe der Digitalisierung kümmern. Sie verwies auf die Bemühungen im E-Commerce Bereich (raiffeisenmarkt.de) und bei Beratungs-Apps wie „IQ Plant“ und „IG-Feed“. Das zur agritechnica 2017 vorgestellte Kundenportal „myfarmvis“ werde bereits von 3000 Kunden genutzt.

Schaecher beschrieb den technologischen Wandel als „enorme Chance“, klammerte aber auch die Herausforderungen durch neue Marktakteure bis hin zu „Amazon“ nicht aus.

Punkten kann das neue Vorstandsmitglied neben ihrer bisherigen Führungserfahrung auch mit ihrer Ausbildung. Schaecher ist sowohl Betriebswirtin als auch Psychologin – Fähigkeiten aus beiden Bereichen könnten in den kommenden Jahren noch gefragt sein.