Die Nachfrage nach Ökolebensmitteln ist auch in Krisenzeiten grundsätzlich beständig und wächst. Zu Beginn des Jahres 2022 betrugen die Gesamtumsätze mit Ökolebensmitteln in Deutschland knapp 16 Mrd. €. Sie legten damit erneut zu – und zwar um 5,8 % gegenüber dem Vorjahr. Auch steigt der Anteil der Ökolebensmittel am gesamten Lebensmittelmarkt weiter kontinuierlich. Er beträgt über alle Warengruppen hinweg nun fast 7 %.
Die Gesellschaft für Konsumforschung, die das Kaufverhalten im Lebensmitteleinzelhandels (LEH) misst, meldet, dass die Ökolebensmittel zu den wenigen Sektoren des Konsumgüterbereichs zählen, die zurzeit noch moderat zulegen. Gleichzeitig fallen die Entwicklungen aber deutlich auseinander, wenn man die unterschiedlichen Vermarktungskanäle betrachtet.
Discounter und Handel
Von den Steigerungen profitieren hauptsächlich die Discounter und Vollsortimenter des LEH. In diesem Bereich legen vor allem die Bio-Handelsmarken zu. Diese zeichnen sich durch die besonders niedrigen Verkaufspreise aus – also „Billig-Bio“, wenn man so will. Es liegt auf der Hand, dass die Einkäufer für ihre Tiefpreisziele nicht gerade zimperlich mit den Erzeugern oder Zwischenhändlern von Biowaren umgehen, wenn es um die Verhandlung der Abgabepreise geht. Die besondere Tragweite dieser Einwicklung wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass der Löwenanteil der 16 Mrd. €, derzeit rund 62 %, auf diese Vertriebswege entfällt.
Der Naturkostfachhandel hingegen hatte 2022 mit Umsatzrückgängen zu kämpfen, zum Teil auch im zweistelligen Prozentbereich. Die notwendigen Preisanpassungen, hauptsächlich aufgrund gestiegener Personal- und Energiekosten, ließen sich nur schwer bei der Kundschaft durchsetzen. Die Kaufzurückhaltung in den hochpreisigen Segmenten und die Abwanderung zu Billig-Bio erschweren derzeit die Geschäftsentwicklung. Vergleichbares ist in der Direktvermarktung, also bei den Wochenmärkten, den Abo-Kisten und Hofläden der Ökobetriebe, zu beobachten. Aktuell deutet sich allerdings eine gewisse Erholung an, die Umsätze erreichen annähernd wieder das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019.
Hohe Kosten
Den Erzeugerbetrieben gelingt es nur zum Teil, ihre gestiegenen Kosten beim Handel und bei den Verarbeitern durch höhere Abgabepreise durchzusetzen. In den besonders arbeitsintensiven Verfahren des Ökolandbaus, zum Beispiel in der Erzeugung von Obst und Gemüse, schlagen die Kosten für Fremdarbeitskräfte besonders stark zu Buche. Aber auch die teils deutlich höheren Kosten für Energie und Treibstoffe sowie die in der Tierhaltung erheblichen Futterkostensteigerungen verteuern auch in allen anderen Produktionsbereichen die Erzeugung. Betriebe, die für den LEH produzieren, bekommen dessen Marktmacht zu spüren. Wer mit Hinweis auf die gestiegenen Produktionskosten höhere Erzeugerpreise einfordert, kann dennoch nicht sicher sein, mit diesem Argument auch gehört zu werden. Im Naturkosthandel und in der Direktvermarktung scheuen die Erzeuger oft die erforderlichen Preisanhebungen. Die hohe Inflation, das geringere verfügbare Nettoeinkommen breiter Käuferschichten sowie die allgemeine Krisenstimmung passen nicht gut zu den nötigen Anpassungen im Ökomarkt.
Blick auf die Ökomärkte
Abgesehen von Milch (Kasten) sieht die Entwicklung der Erzeugerpreise in anderen Produktionssektoren des Ökolandbaus deutlich besser aus. In der Öko-Schweinehaltung haben sich die Erzeugerpreissteigerungen zuletzt zwar etwas abgeflacht, jedoch erzielten Ökomäster noch nie so viel für ihr Schweinefleisch wie gegenwärtig. Die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft notiert etwa 4,30 €/kg SG (netto), einzelne Verarbeiter zahlen sogar deutlich mehr. Auch bei der Ferkelerzeugung schwingen sich die Erzeugerpreise von einem Allzeithoch zum nächsten. Die Dynamik verringert sich zwar auch hier, die Ferkelpreise liegen aber immer noch bei 165 bis 170 €/Ferkel (netto), in einigen Fällen darüber.
Auch im Öko-Ackerbau haben sich die Erzeugerpreise spürbar nach oben bewegt. Brotweizen wird mit 53 bis 56 €/dt (netto) je nach Qualität gehandelt – ein Niveau, das zumindest in den vergangenen sieben Jahren nicht erreicht wurde. Bei Öko-Futtergetreide gibt es eine Hochphase der Erzeugerpreise. Zwischen rund 38 €/dt (netto) für Futterhafer und etwa 50 €/dt (netto) für Körnermais bewegen sich die Notierungen, ein Abschwung ist nicht in Sicht. Sorgenkind ist nur Dinkel, dessen traditionell schwankender Erzeugerpreis aktuell eine Talsohle durchschreitet.
Eiweißkomponenten wie Ackerbohnen, Futtererbsen und Lupinen befinden sich in einer Hochpreisphase. Sie notieren zwischen 65 und 70 €/dt (netto). Angesichts der knappen Verfügbarkeiten mit heimischen Eiweißträgern ist auch hier nicht mit nennenswerten Einbrüchen zu rechnen. Allerdings relativieren die gestiegenen Erzeugungskosten die guten bis sehr guten Erzeugerpreise.
Positiver Ausblick
Einerseits gibt es nichts zu beschönigen bei der Beurteilung der Lage im Ökomarkt. Andererseits ist die Stimmung in Teilen der Branche deutlich schlechter als es, von Ausnahmen abgesehen, tatsächlich gerechtfertigt wäre. Die ökologische Erzeugung und der Ökomarkt haben sich bereits mehrfach als in hohem Maße resistent gegenüber Krisen ausgezeichnet. Es deutet wenig darauf hin, dass sich das fundamental ändern könnte. Bio wird auch künftig bedeutsam sein, wachsen und im Markt seine Chancen wahren.
Biomilcherzeuger wechseln auf konventionell
Verbraucher meiden Biomilch als hochpreisiges Lebensmittel aktuell häufiger als konventionelle Milch. Auf die steigenden Kosten für Energie, Löhne und Futtermittel können konventionelle Milcherzeuger derzeit mit relativ stärker gestiegenen konventionellen Milchpreisen besser reagieren als Ökobetriebe. Deshalb gibt es auch kaum Umstellungen. Bemerkenswert ist, wie stark der Milchpreis unter den Biomolkereien in NRW spreizt. Das zeigt, dass der Absatz im LEH mehr Preiszugeständnisse zulässt als der Absatz im klassischen Naturkosthandel. Die Folge ist, dass ein Teil der Bio-Milchviehbetriebe die erforderliche Kostendeckung derzeit nur schwer erreicht. Unter diesen Marktbedingungen ist es nachvollziehbar, dass es auch Rückumstellungen von ökologischer auf konventionelle Milchviehhaltung gibt.
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