Kommentar

„Ampel weg“ reicht nicht

Mit ihrem Protest zum Agrardiesel finden Landwirte großen Anklang. Sie sollten das nutzen, um Verbesserungen für den Standort Deutschland einzufordern – von allen Regierungs- und Oppositionsparteien.

Unruhig war der Jahreswechsel für Land- und Forstwirte. Tausende demonstrierten gegen die Streichungspläne bei Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung. Das wiederum beun­ruhigte offensichtlich Politiker der Ampelregierung: Eine der zwei Steuererhöhungen könnte nun doch nicht oder abgeschwächt kommen. Das will die Ampel nach Wochenblatt-Information noch vor der am Montag beginnenden Aktionswoche anbieten – um die Stimmung zu beruhigen. Die tatsächliche Entscheidung fällt rund um die Grüne Woche – ein Zufall mit Zündstoff.

Forderungen sind nicht überzogen

Denn Bauernpräsident Joachim Rukwied ist kompromisslos: Entweder die Ampel zieht ihre Pläne komplett zurück oder Deutschland erlebt was. Das könnte tatsächlich passieren. Denn inzwischen geht es um mehr als Steuererhöhungen für eine Branche. Die Bauernproteste stehen stellvertretend für Menschen, Berufstätige sowie Unternehmen, die sich durch die aktuelle Politik ausgebremst und gegängelt fühlen.

Die Land- und Forstwirte demonstrieren nicht für überzogene Forderungen wie eine Vier-Tage-Woche bei gleichzeitigem Lohnplus, sondern für politische Rahmenbedingungen, damit sie weiter ihren Job in Deutschland machen können. Dafür bekommen sie viel Zuspruch aus der Bevölkerung. Und dafür schließen sich Branchen wie Spediteure oder Handwerker den Protesten an.

Große politische Verantwortung der Landwirte

Das ist schon jetzt ein Erfolg. Aber auch eine große Verantwortung. Land- und Forstwirte haben bisher klar alle Personen ausgeschlossen, die die Proteste für Krawall oder abstruse Ideen missbrauchen wollten – weiter so!

Bei aller berechtigten Empörung über die Dreier-Koaliton sollten sie aber nun überlegen, ob die oft formulierte Forderung „Die Ampel muss weg“ noch ausreichend ist. Denn was passiert, wenn jetzt Neuwahlen kommen? Bessert sich mit einer neuen Regierung automatisch alles? Und wie stark schneidet die AfD ab, die nach Meinung von Unternehmen und Verbänden gerade der Wirtschaft schaden kann? „Schlimmer geht immer“ gilt leider auch hier.

Appell an Regierung und Opposition

Vielmehr können die Land- und Forstwirte die Bühne nun nutzen, grundlegende Verbesserungen für den Standort Deutschland einzufordern – von allen Regierungs- und Oppositionsparteien. Die wichtigsten Punkte:

  • Mehr Fachlichkeit in der Politik, damit Landwirte mit den von Natur und Witterung vorgegebenen Realitäten arbeiten können.
  • Mehr Vertrauen, dass Bauern von sich aus die beste Lösung für Tier und Natur suchen. Mehr Freiraum und weniger Bürokratie, damit sie gesellschaftliche Wünsche erfüllen und unternehmerisch aktiv sein können.
  • Mehr Priorisierung, was drängt und was im nächsten Schritt erfolgen kann.
  • Mehr Taten statt weiterer Ankündigungen.
  • Mehr Fairness in der Bezahlung landwirtschaftlicher Produkte.
  • Mehr Wertschätzung dafür, dass Land- und Forstwirte regionale Produkte erzeugen und Leistungen vor Ort erbringen.

Zugegeben: Das klingt nach einem Wunschzettel fürs neue Jahr. Aber die aktuelle Aufmerksamkeit ermöglicht, die Parteien aufzurütteln und Sensibilität zu schaffen – für die deutsche Land- und Forstwirtschaft sowie für andere Branchen und Menschen. Gelingt das, würde sich der unruhige Jahreswechsel auszahlen.

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