Broschüre der EnergieAgentur.NRW zum Thema Kleinwindanlagen:
Eine Kleinwindenergieanlage (KWEA) ist die perfekte Ergänzung zu einer Photovoltaik-Anlage für die Selbstversorgung – gerade in der Landwirtschaft. „Während Solarstromanlagen im Sommer und nur tagsüber viel Strom erzeugen, produziert das Kleinwindrad vor allem im Herbst und im Winter rund um die Uhr“, berichtet Kleinwindkraftexperte Patrick Jüttemann auf dem „top agrar“-Webinar „Kleinwindanlagen in der Landwirtschaft“. Wer ein KWEA betreiben möchte, sollte zunächst schauen, ob er über einen geeigneten Standort verfügt. Erst wenn das gesichert ist, lohnt es sich, über Wirtschaftlichkeit, die Auswahl der Technik und schließlich über die Baugenehmigung nachzudenken.
Ist mein Standort geeignet?
Die Rentabilität einer Anlage wird vor allem von den Stromgestehungskosten bestimmt: Für wie viel Cent/kWh kann man Windstrom erzeugen und was spart der Betrieb gegenüber dem zugekauften Strom? „Die Stromgestehungskosten werden in erster Linie vom örtlichen Windangebot bestimmt: Je mehr Wind, desto mehr Strom und desto günstiger die kWh“, bringt es Jüttemann auf den Punkt. Eine Verdopplung der Windgeschwindigkeit führt zu einer Verachtfachung der Leistung. Umgekehrt bedeutet das aber auch: Weht wenig Wind, gibt es auch sehr wenig Strom.
Aber wie viel Wind weht an meinem Standort?
Einen ersten Anhaltspunkt geben die kostenlosen Windkarten des Deutschen Wetterdienstes. Entscheidend ist die Windgeschwindigkeit in 10 m Höhe. Als Daumengröße gilt als Mindestwert eine mittlere Jahreswindgeschwindigkeit von 4 m/s Zum Vergleich: An der Küste sind 7 bis 8 m/s möglich, im Landesinneren gibt es auch Regionen mit unter 4 m/s. „Eine 30-kW-Anlage produziert auf Fehmarn mit viel Wind über 100 000 kWh Strom. Das sind über 3000 kWh/kW Leistung, dreimal so viel wie eine Photovoltaik-Anlage“, rechnet der Experte vor. Aber wenn man die 30-kW-Anlage in Bayern aufstellt, wird sie vielleicht nur 30 000 oder 40 000 kWh liefern.
Global Wind Atlas
Eine gute Info-Quelle für Winddaten ist der Global Wind Atlas aus Dänemark (www.globalwindatlas.info). Auch hier kann man für jeden Ort der Welt die Windgeschwindigkeit in verschiedenen Höhen ablesen. Mithilfe des Windprofilrechners des Schweizer Windenergieverbandes (wind-data.ch/tools/profile.php) lässt sich die Windgeschwindigkeit von 10 m Höhe auf 30 oder 40 m Rotorhöhe hochrechnen. „Diese Angabe ist interessant, weil viele Kleinwindräder diese Nabenhöhe haben“, sagt Jüttemann. Über den Global Wind Atlas kann man auch die Hauptwindrichtung in Erfahrung bringen, die in Form der Windrose angezeigt wird.
Besser ein Windgutachten?
All diese Informationen können jedoch ein ausführliches Windgutachten oder eine genaue Messung der Windgeschwindigkeit nicht ersetzen. Allerdings: Windgutachten kosten schnell 1500 € und mehr. Eine Windmessung ist nur sinnvoll, wenn sie sechs, besser sogar zwölf Monate dauert. Dabei sollte man auf jeden Fall die Monate im Herbst und Winter berücksichtigen, da hier der meiste Wind weht.
Akkreditierte Windgutachter finden Sie auf der Seite der Fördergesellschaft für Windenergie (www.wind-fgw.de).
Was ist ein guter Standort?
Die Anlage sollte so aufgestellt werden, dass sie möglichst frei aus der Hauptwindrichtung angeströmt werden kann. Bäume, Büsche, Hecken sowie Gebäude blocken den Wind ab und nehmen ihm die Energie. „Die Erdoberfläche hat bei der Kleinwindkraft einen viel größeren Einfluss als bei 200 m und mehr hohen Megawattanlagen“, erklärt der Fachmann.
Faustregel
Der nötige Abstand hängt von der Höhe des Hindernisses ab. Als Daumenregel gilt: Wenn das Hindernis die Höhe H hat, sollte die Kleinwindkraftanlage 20 H entfernt sein. Ein Beispiel: Wenn ein Haus 10 m hoch ist, ist der richtige Abstand 20 x 10, also 200 m. Mit einem höheren Mast könnte man den Abstand eventuell verkürzen.
Besser nicht auf dem Dach
Von Dachanlagen rät Jüttemann ab. „Die Dächer sind oft nicht geeignet“, sagt er. Zum einen benötigen die Gebäude eine ausreichende Statik. Zum anderen gibt es auf dem Dach Windturbulenzen, die durch das Gebäude selbst verursacht werden. Dazu können Vibrationen der Anlage Körperschall verursachen, der sich im Gebäude durch ein „Brummen“ bemerkbar macht. „Darum ist ein ebenerdiger Mast der Standard“, sagt er.
Und die Wirtschaftlichkeit?
Der wichtigste Einflussfaktor auf die Wirtschaftlichkeit ist das Windangebot. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist erst ab 5 m/s zu erwarten. „Wichtig ist auch eine hohe Eigenverbrauchsquote“, erläutert Jüttemann. Denn nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gibt es keine spezielle Einspeisevergütung für KWEA. Diese müssen mit den Megawattanlagen konkurrieren und der Einspeisetarif von 7,4 Cent/kWh liegt bei den meisten kleinen Anlagen unter den Produktionskosten. Bei Strompreisen von 23 Cent/kWh und mehr in der Landwirtschaft ist dagegen die Eigenversorgung lukrativ. „Anders als bei der Photovoltaik kann ich über 24 Stunden Strom erzeugen und nicht nur tagsüber. Das erhöht die Eigenverbrauchswerte“, sagt der Experte.
Investitionskosten
Eine weitere Stellgröße für die Stromgestehungskosten sind die Investitionskosten. Diese liegen im Schnitt der Anlagen bei etwa 5000 €/kW. Turm und Fundament machen dabei einen Großteil der Kosten aus. „Ein höherer Turm ist zwar teurer, sorgt aber auch dafür, dass man mehr Wind erntet. Darum sind nicht die Investitionskosten, sondern die Stromgestehungskosten entscheidend“, unterstreicht er. Auf guten Standorten kann sich eine KWEA bei hohen Eigenverbrauchsquoten in etwa zwölf Jahren amortisieren.
Strombedarf des Betriebs
Welche Leistung die Anlage haben sollte, hängt vom Strombedarf des Betriebs und seinem individuellen Lastgang ab. Ideal ist zum Beispiel ein Melkroboter, der den ganzen Tag und auch nachts Strom benötigt. Als Daumengröße gilt: Bei einer Melkroboter-Box sollte eine 10-kW-Maschine ausreichen, bei drei Boxen kann es schon eine 30-kW-Maschine sein.
Es ist aber auch möglich, den Strom zum Heizen zu nutzen, um damit einen Heizstab oder eine Wärmepumpe zu betreiben.
Gibt es Fördermittel?
Im Rahmen des „Bundesprogramms zur Förderung der Energieeffizienz und CO2-Einsparung in der Landwirtschaft und im Gartenbau“ können Landwirte mit Primärproduktion (also keine Biogaserzeuger) einen Zuschuss zum Bau von Kleinwindrädern bekommen. Dieser liegt beispielhaft bei einer 30-kW-Anlage zwischen 15 000 und 22 000 €. „Sie sollten beachten, dass Sie dafür ein Gutachten über ein CO2-Einsparkonzept von einem Energieberater benötigen“, erklärt Jüttemann. Darin sieht er jedoch keine bürokratische Hürde. Schließlich geht es um die Energieversorgung für die nächsten 20 Jahre. „Diese wird sich in der Zeit radikal ändern, auch bei elektrischen Antrieben für Hoflader, Fütterung oder andere Geräte im Betrieb“, sagt er. Daher rät er dazu, nicht einfach nur verschiedene Anlagen und Speicher zu installieren, sondern ein gutes Konzept für die Energieproduktion zu entwickeln und die Komponenten entsprechend sinnvoll zusammenzustellen. Eine KWEA kann dann Teil des Konzepts sein.
Laut EnergieAgentur.NRW können Landwirte (bei Teileinspeisung) zudem über das Programm 270 „Erneuerbare Energien der Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW)“ zinsgünstige Förderdarlehen über bis zu 100 % der Investitionskosten erhalten. Auch die „Landwirtschaftliche Rentenbank“ bietet über ihr Angebot „Energie vom Land“ günstige Kredite.
Welche Anlage ist geeignet?
Wichtig ist, dass eine KWEA auch Stürmen standhält. Der Wind kann extreme Kräfte entwickeln, wie man anhand von entwurzelten Bäumen sieht. Es gibt mittlerweile mehrere Testfelder in Deutschland und Österreich, auf denen die Anlagen über einen längeren Zeitraum auf Herz und Nieren geprüft werden. Dazu kommen Zertifizierungen anhand von Qualitätsmerkmalen. „Freiland-Tests haben jedoch ihren Preis, das sollte man bei der Wahl des Herstellers berücksichtigen“, erklärt der Fachmann. Wichtig sind auch unabhängige Prüfungen zu Leistung, Schall usw., die nicht vom Hersteller selbst gemacht sein sollten.
Was ist besser: Horizontal- oder Vertikalläufer?
Vertikalanlagen sind sehr beliebt. Sie sind leise und können aus jeder Windrichtung angeströmt werden. „Das ist aber auch gleichzeitig der größte Nachteil: Ein Rotorblatt wird vom Wind weggedrückt, ein anderes bewegt sich gegen den Wind und bremst das Windrad wieder“, schildert Jüttemann. Darum sind Vertikalläufer weniger effizient. Anlagen mit einer horizontalen Welle sind – wie bei der großen Windkraft – der übliche Standard.
Entscheidend für die Stromproduktion einer Anlage ist nicht die Nennleistung, sondern das Windangebot in Verbindung mit der Rotorgröße. „Eine 10-kW-Anlage kann 7 bis 11 m Rotordurchmesser haben“, unterstreicht Jüttemann. Größere Rotoren bieten eine größere Erntefläche für die Windenergie, darum kommen sie bei Anlagen im Binnenland infrage.
Ob es sinnvoll ist, einen Speicher zu installieren, kommt auf das Energiekonzept des Betriebes und die Gesamtkosten je kWh Strom an. Noch sind die Speicherkosten hoch. Trotzdem kann sich die Investition rechnen, wenn der Betrieb insgesamt weniger für den Strom bezahlt als beim Zukauf. Die Produktion von Wasserstoff mit überschüssigem Windstrom ist dagegen heute nicht wirtschaftlich.
Was gilt sonst noch?
Bauten in der Landwirtschaft und im Gartenbau sind nach dem Baugesetzbuch im Außenbereich privilegiert. Das gilt auch für ein Kleinwindrad. Bedingung dafür ist zwar, dass der Betrieb mehr als die Hälfte des Stroms selbst verbrauchen muss. Allerdings ist das bei der Kleinwindkraft aufgrund der fehlenden Einspeisevergütung ohnehin üblich.
Bauvoranfrage empfehlenswert
Die wichtigste Gesetzesgrundlage für KWEA ist die Landesbauordnung. Dazu kommt die unterschiedliche Genehmigungspraxis in den Behörden. Jüttemann rät zu einer Bauvoranfrage. Hilfreich ist eine professionelle Begleitung durch den Hersteller, der sich um wichtige Dokumente wie Gutachten, Statik, Zertifizierung, Schallkurve usw. kümmern, aber auch den gesamten Dialog mit dem Bauamt übernehmen kann.
Höhe gibt Ausschlag für Genehmigung
Bei der Baugenehmigung ist nicht die Leistung in kW entscheidend, sondern die Gesamthöhe. Diese beträgt bei einer KWEA maximal 50 m bis zur Flügelspitze. Je nach Standort erfolgt in NRW bei Anlagen zwischen 10 und 50 ein Baugenehmigungsverfahren bzw. ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren. Anlagen, die kleiner als 10 m sind, sind im Außenbereich genehmigungsfrei. Diese Anlagen sind für Landwirte aber oft uninteressant, da sie zu wenig Strom produzieren. Es handelt sich eher um Hobbyanlagen für Privatpersonen.
Wo darf die Anlage stehen?
Es kann sinnvoll sein, die Anlage auf einem Hügel oder an einer anderen Stelle zu errichten, an der es lokal viel Wind gibt. Bei der Baugenehmigung ist jedoch zu beachten, dass Anlage und Betrieb eine „optische Zuordnung“ bilden müssen. In der Praxis gelten in der Regel 150 m Abstand als Maximum. Das örtliche Bauamt hat auch hier das letzte Wort.
In NRW sind die einzuhaltenden Abstände zu Gebäuden und Grundstücksflächen in § 6 Abs. 13 der BauO NRW festgehalten. Laut Angabe der EnergieAgentur.NRW bemisst sich die einzuhaltende Abstandsfläche um den Mittelpunkt des Mastes nach der Hälfte der Gesamthöhe der KWEA. Dazu gibt es immissionsschutzrechtliche Abstandsbestimmungen, die vom Schall und Schattenwurf abhängen.
Weitere Infos
Weitere Tipps zur Planung und Technik sowie eine Marktübersicht finden Sie unter www.klein-windkraftanlagen.com. Patrick Jüttemann betreut dieses herstellerunabhängige Portal seit zehn Jahren.
Auf www.youtube.com/kleinwindkraft finden Sie zudem zahlreiche Erklärvideos mit weiteren Tipps zur Technik, Planung und Anlagenkauf.
Die EnergieAgentur.NRW hat im vergangenen Herbst eine Broschüre zum Thema Kleinwindanlagen erarbeitet. Diese gibt einen aktuellen Überblick über Technik, Genehmigung und Wirtschaftlichkeit: