Landwirt Müller bewirtschaftet einen Schweinemastbetrieb mit 1000 Mastplätzen und 50 ha Ackerbau. Davon sind etwa 20 ha gepachtet. Der Maststall wurde Anfang der 1990er-Jahre gebaut. Im Schnitt der Jahre konnte Müller immer Gewinne von knapp 41 000 € erwirtschaften, seine Darlehen planmäßig bedienen und etwas Eigenkapital aufbauen. Im Jahr 2008 hat er eine Maschinenhalle errichtet und die Fütterungstechnik instandgesetzt. Die Verbindlichkeiten belaufen sich aktuell auf insgesamt 155 000 €.
Seit einigen Jahren läuft es aber nicht mehr rund. Auch wenn die Leistungen kontinuierlich gestiegen sind, reichen knapp 750 g Tageszunahmen nicht aus, um eine zufriedenstellende Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Bei Entnahmen von gut 45 000 € schafft es die Familie nicht, eine schwarze Null zu erzielen. Es entsteht ein jährlicher Geldbedarf von gut 11 000 € und es können keine Kapitalreserven aufgebaut werden. Das zeigt auch Spalte 1 der Übersicht.
Außerdem beobachtet Müller, dass die variablen und festen Kosten, wie beispielsweise Versicherungen und Pachten, Jahr für Jahr steigen. Auch die private Lebenshaltung wird teurer – und zwar unabhängig von der hohen Inflation.
Müller wird das Gefühl nicht los, dass der Betrieb unter diesen Verhältnissen nicht mehr zur Einkommenssicherung reichen wird. Hinzu kommt, dass es keinen Hofnachfolger gibt. Beide Kinder sind außerlandwirtschaftlich tätig. Was also tun ?
1. Den Betrieb beurteilen und die Situation in der Familie besprechen
Ein erneuter Wachstumsschritt wurde in der Familie diskutiert, aber schnell wieder verworfen. Da kein Eigenkapital eingebracht werden könnte, müsste das Projekt komplett über Kredite finanziert werden. Gleichzeitig blickt Müller mit Sorge in die Zukunft: Wo geht die Reise in der Tierhaltung hin? Natürlich könnte der Betrieb noch ein paar Jahre in der derzeitigen Konstellation weiterlaufen. In sieben Jahren wäre das Fremdkapital getilgt. Bis dahin würden sich allerdings Jahr für Jahr kurzfristige Verbindlichkeiten anhäufen – zuerst auf dem Girokonto und dann bei Handel und Genossenschaft für Futtermittel, Dünger etc.
2. Nach der Betriebsaufgabe das Einkommen sichern
Schlussendlich entscheidet sich die Familie, die aktive Landwirtschaft aufzugeben. Dies ist kein leichter Schritt. Eine systematische Planung und Umsetzung hilft, Konflikten vorzubeugen und den Familienfrieden zu wahren.
Bei dem Gedanken, sich eine Arbeitsstelle zu suchen, wird Landwirt Müller etwas mulmig. Aber er ist jetzt 45 Jahre alt, gesundheitlich fit und noch voller Tatendrang. Er kennt Berufskollegen, die händeringend einen erfahrenen Mitarbeiter suchen. Auch zum Betriebshilfsdienst hat er einen guten Draht. So könnte er in der praktischen Landwirtschaft bleiben und gleichzeitig ein geregeltes Einkommen ohne unternehmerisches Risiko erzielen.
3. Das Betriebsvermögen optimal verwerten
Klar ist, dass Landwirt Müller keine neuen Ferkel mehr einstallen und kein Futter mehr zukaufen wird. Den aktuellen Tierbestand mästet er noch fertig und verkauft ihn. So wird schrittweise das Vermögen freigesetzt, das beim Bau des Maststalles vorfinanziert werden musste. Ein Wermutstropfen: In einer Hochpreisphase hätte er deutlich mehr erlösen können.
Außerdem kann er im nächsten Sommer noch die Ernte verkaufen. Die Anbaukosten für das Folgejahr entfallen. Ende des Jahres bekommt Landwirt Müller zudem noch die Flächenprämien. Die nicht mehr benötigten Maschinen und Geräte, darunter ein erst im vergangenen Jahr angeschaffter Schlepper, verkauft er mithilfe seines Maschinenhändlers.
4. Verbindlichkeiten abbauen
Insgesamt können so etwa 200 000 € (nach Steuern) freigesetzt werden. Mit dieser Summe löst Müller sein Fremdkapital ab. In diesem Fall behält er anschließend sogar noch 45 000 € übrig. Die oberste Prämisse muss sein, dass beim Ausstieg aus der aktiven Bewirtschaftung kein Fremdkapital mehr vorhanden ist. Erfahrungsgemäß reichen die Pachteinnahmen nach Abzug der Festkosten nicht aus, um noch Kredite bedienen zu können.
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass nicht genügend Kapital freigesetzt werden kann, um das Fremdkapital vollständig abzulösen. Der Verkauf von Flächen oder sonstigen Vermögensgegenständen sollte deshalb nicht kategorisch ausgeschlossen werden.
5. Steuerliche Aspekte
Der Verkauf von Vieh- und Umlaufvermögen sowie Maschinen und eventuell Flächen deckt im Regelfall stille Reserven auf (Differenz Verkaufspreis minus Buchwert). Diese Buchgewinne müssen versteuert werden. Es fallen Einkommenssteuer und unter Umständen Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer an.
Wichtig: Als Müller den Betrieb von seinem Vater übertragen bekommen hat, wurde das Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer verschont, das heißt nicht besteuert. Läge die Hofübergabe weniger als sieben Jahre zurück, würde das freigesetzte Vermögen rückwirkend auf den Freibetrag von 400 000 € angerechnet. Unter Umständen würde nachträglich Erbschaftsteuer fällig.
6. Förderrechtliche Aspekte
Hat der Betrieb für eine Investition beispielsweise Zuschüsse im Rahmen des Agrarinvestitions-Förderprogramms (AFP) des Landes bezogen, ist zu prüfen, ob die Zweckbindungsfrist noch gilt. Dann könnte eine Umnutzung des geförderten Objektes förderschädlich sein und eine anteilige Rückzahlung der Zuschüsse verursachen.
7. Erbrechtliche Konsequenzen
Eventuell entstehen Nachabfindungsansprüche der weichenden Erben (z. B. Müllers Geschwister). Im Rahmen der Höfeordnung ist das der Fall, wenn die 20-Jahresfrist nach der Übergabe noch nicht abgelaufen ist. Bei Familie Müller ist die Hofübergabe schon vor 22 Jahren erfolgt. Es ist sinnvoll, Betriebsvermögen möglichst vor einer Hofübergabe freizusetzen.
8. Sozialrechtliche Aspekte
Sind alle Flächen verpachtet und hat er eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen, kann Müller eine Befreiung von den Pflichtbeiträgen zur Krankenkasse und Alterskasse beantragen.
9. Wirtschaftlichkeit nach der Aufgabe analysieren
Die eigenen 30 ha Acker kann Müller verpachten. Außerdem gilt es, vorhandene Gebäude optimal zu nutzen: In Müllers Maschinenhalle werden nun Stellplätze für Wohnwagen und andere Fahrzeuge vermietet. Eine Verpachtung des Maststalles kommt nicht mehr infrage. Die Abschreibung reduziert sich durch die Maschinenverkäufe deutlich. Die bestehenden Pachtverträge kündigt Müller rechtzeitig. Auch die sonstigen Festkosten (betriebliche Versicherungen, Buchführung usw.) sinken.
Es bleibt ein jährlicher Gewinn von ca. 15 000 €. Im Privatbereich fallen daher weniger Steuern an als bisher. Für die Lebenshaltungskosten wurde eine inflationsbedingte Steigerung unterstellt. Durch seine Arbeitnehmertätigkeit generiert Müller nun einen Nettolohn von 22 000 €/Jahr. Die Kosten für private Versicherungen sinken deutlich, da nun der Arbeitgeber direkt die Beiträge zu den Sozialversicherungen abführt.
In allen Varianten zahlt Müller weiterhin das Bar-Altenteil für seine Eltern. Unterm Strich bleibt für die Familie ein jährlicher Geldüberschuss (Cash Flow III) von knapp 4000 € übrig.
Eine weitere Überlegung: Müllers Betrieb befindet sich in Stadtnähe und viele Privatleute suchen Lagerraum. Aus der Ablösung des vorhandenen Fremdkapitals sind noch 45 000 € übrig. Müller könnte die Abteile des Maststalles zu Lagerräumen umbauen und für z. B. 2 €/m²/Monat einzeln vermieten. Die baurechtlichen Vorgaben sind dabei zu beachten.
Aus steuerlicher Sicht ist zu klären, ob die Umbaumaßnahmen als laufender Aufwand behandelt werden oder aktiviert und abgeschrieben werden müssen. Im Beispiel wurde eine Mischkalkulation unterstellt. Die Festkosten steigen aufgrund von erhöhtem Stromverbrauch etc. leicht. Insgesamt entstehen unter diesen Annahmen ein Gewinn von gut 27 000 € und ein Geldüberschuss von 16 000 €. Damit schneidet dieses Szenario im Vergleich am besten ab. Wie immer gilt: Jeder Betrieb hat seine spezifische Ertrags- und Kostenstruktur. Daher ist eine individuelle Kalkulation zwingend.
Wir halten fest:
Substanzielle Veränderungen wie die Aufgabe der landwirtschaftlichen Produktion wollen gut überlegt sein. Ein Ausstieg ist keine Niederlage, sondern bedeutet auch den Beginn eines neuen Kapitels. Dieser Beitrag ist keine pauschale Empfehlung, sondern als Denkanstoß und Entscheidungshilfe gedacht. Lassen Sie sich bei Ihren Überlegungen durch Fachleute unterstützen, zum Beispiel Ihren sozioökonomischen Berater. Die Chancen auf eine adäquate Arbeitsstelle sind für Fachkräfte günstig. Eine Weiterführung der Landwirtschaft würde bei Familie Müller Eigenkapitalverluste verursachen. Die Betriebsaufgabe ist eine unternehmerische Entscheidung, die langfristig auch Perspektiven für die Familie bietet.
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